In ihrer Kindheit half Abbey Agius ihrem Vater bei Arbeiten rund ums Haus. Gemeinsam löteten Sie Rohre und verlegten Rigipsplatten, um das Haus instand zu halten. Auch wenn ihr Vater im Vertrieb arbeitete, war er Zuhause ein leidenschaftlicher Hobbyhandwerker. Und unter ihren Schwester war Abbey diejenige, die sich für diese Arbeiten begeisterte. So erkannte sie schon früh, dass sie in der Baubranche arbeiten wollte.
Um ihr Ziel zu erreichen, besuchte Agius die Sussex County Technical School in New Jersey. Ursprünglich nahm sie am Schweißprogramm der Schule teil. Die Wahl des Programms war durch ihren Cousin motiviert, der als Unterwasserschweißer tätig ist. Letztendlich erkannte sie jedoch, dass das Schweißen nichts für sie war. Ihr Interesse an einer Karriere als Handwerkerin tat dies jedoch keinen Abbruch.
Heute ist Agius mit 22 Jahren Auszubildende im fünften Lehrjahr und Mitglied von Local 251, einer Gewerkschaft, die Fußbodenbauer in der gesamten Atlantikregion vertritt. Für ihren Arbeitgeber Re:Source New Jersey arbeitet sie an Bauprojekten in mehreren Bundesstaaten.
Auch wenn die Männer in ihrer Familie Agius zu einem Handwerksberuf inspiriert haben, ist sie jetzt das Vorbild. Ihre Vorbildfunktion für eine neue Generation junger Frauen, von denen immer mehr eine Karriere in der Baubranche als attraktiv ansehen, nimmt sie sehr ernst. Agius ist Mitglied des Leitungsausschusses ihrer Ortsgruppe von Sisters in the Brotherhood (SIB), einer Organisation innerhalb der United Brotherhood of Carpenters (UBC).
Als Mentorin rekrutiert Agius junge Frauen und hilft ihnen dabei, ihren Weg in handwerkliche Berufe zu finden. Sie weiß, welchen Einfluss es auf Mädchen haben kann, wenn sie sehen, dass Frauen erfolgreich als Handwerkerinnen arbeiten. „Es ist wirklich toll zu sehen, wie jüngere Generationen erkennen, dass wir ins Handwerk gehören und dass es dort einen Platz für uns gibt“, sagt Agius. „Sie sehen, dass immer mehr Frauen in den verschiedenen Gewerken arbeiten, und denken sich: ‚Wenn die das können, warum ich nicht auch?‘“
Das Fundament
Obwohl sie wusste, dass sie in einem Handwerksberuf arbeiten wollte, kellnerte Agius in ihrem ersten Job nach der High School. Ihre Mutter drängte sie jedoch zur Aufnahme einer Karriere. „Du kannst nicht ewig als Kellnerin arbeiten“, sagte sie zu ihr.
Beeinflusst durch ihre positiven Erfahrungen beim Erlernen des Schreinerhandwerks an der Sussex County Tech, begann Agius, sich bei den Gewerkschaften nach Möglichkeiten für eine 17-Jährige mit Interesse an Tischlerarbeiten zu erkundigen. Schnell entdeckte sie das Carpenters Apprentice Ready Program (CARP), ein achtwöchiges Vorausbildungsprogramm, das Frauen und Minderheiten in handwerkliche Berufe bringen soll.
Agius schreibt ihren Erfolg weitgehend dem CARP und den SIB zu. „Als ich anfing, wusste ich gar nichts“, erzählt sie. „Sie haben mir wirklich beim Erreichen meines Ziels geholfen.“
Alltag auf der Baustelle
Agius liebt ihre Arbeit und das mit jeder Aufgabe verbundene Erfolgserlebnis. Dabei ist ihre Vorbildfunktion ebenfalls ein Bonus.
„Ich mag das Gefühl, dass ich tatsächlich etwas erschaffen habe“, sagt sie. „Ich schaue mir die Gebäude an und denke: ‚Das habe ich gemacht.‘ Auch meine Familie ist stolz auf mich. Ich zeige meiner Schwester die Gebäude, an denen ich gearbeitet habe, und auch sie weiß das Handwerk jetzt zu schätzen. Wenn sie einmal Kinder hat, kann sie ihnen sagen, dass ihre Tante das gebaut hat.“
Die Arbeit auf der Baustelle macht Agius nicht nur zu einem Vorbild, das Mädchen und andere Frauen dazu motiviert, mehr über Karrieremöglichkeiten in der Baubranche zu erfahren. Sie normalisiert die Arbeit von Frauen auf der Baustelle auch für alle. „Da immer mehr Frauen den Gewerkschaften beitreten, gewöhnen sich die Männer daran, uns jeden Tag zu sehen. Sie sehen, dass wir genauso hart arbeiten wie sie“, so Agius.
Auch wenn Frauen in der Branche immer häufiger anzutreffen sind, hat die Präsenz von Agius für einiges Aufsehen gesorgt. Ihre Arbeitskollegen sind alle sehr freundlich. Allerdings wird sie manchmal gefragt, ob sie körperlich in der Lage sei, bestimmte Dinge zu heben oder zu tragen. Agius ist dafür bekannt, dass sie sich als Antwort ein paar 70-Pfund-Säcke (ca. 32 kg) Zement über die Schultern wirft und sagt: „Ich habe euch gesagt, dass ich das heben kann. So viel wiegt meine Nichte, die ich in die Luft werfe.“
Agius berichtet, wie sie ihre erste Lieferung annahm: „Der LKW-Fahrer fuhr vor und warf einen Blick auf mich und konnte nicht verstehen, warum man ein knapp 1,50 m großes Mädchen schickte, um 100 Pfund [ca. 45 kg] schwere Materialien auszuladen. Ich erinnere mich noch an sein Gesicht, als er sah, wie ich Paletten alleine bewegte und in der Lage war, Dinge zu tragen, die so viel wogen wie ich.“
Diese Gespräche führen zu größeren Diskussionen über die Sicherheit auf der Baustelle. „Jeder hat seine Grenzen“, sagt Agius. „Jeder weiß, dass, selbst wenn man etwas heben kann, das nicht gleich bedeutet, dass man es auch tun sollte. Manche tragen Rückenstützen bei der Arbeit. Manchmal muss die Arbeit zu zweit bewältigt werden. Schließlich wollen alle wieder gesund nach Hause kommen.“
Pläne für die Zukunft
Das nächste Ziel von Agius ist es, Vorarbeiterin zu werden und mit 25 Jahren ihr eigenes Team zu leiten. Sie hat schon einige Frauen als Vorarbeiterin auf Baustellen gesehen, aber noch nie für eine gearbeitet – jedenfalls noch nicht. Agius Arbeitgeber unterstützt sie bei ihrem Ziel und hat sie bereits zu einem eintägigen, von der Gewerkschaft organisierten Vorarbeiterlehrgang geschickt.
Ein weiteres Ziel von Agius ist es, in den nächsten Jahren eine noch größere Rolle bei den SIB zu übernehmen. Gegenwärtig hilft sie bei der Planung von öffentlichen Informationskampagnen und hat selbst bereits fünf Frauen in Ausbildungsprogramme vermittelt. Agius spricht über die wichtige Rolle, die die SIB bei ihrer beruflichen Entwicklung gespielt haben. Die Arbeit der Organisation beschränkt sich nicht nur auf die Gewinnung von mehr Frauen für eine Schreinerlehre. Die SIB unterstützen sie auch weiterhin bei ihrer Karriereentwicklung.
„Alle Schwestern kommen zu vierteljährlichen Treffen zusammen“, erzählt Agius. „Wir stellen sicher, dass es uns allen gut geht. Ich habe die Nummern von vielen der Mädels, sodass ich ihnen schnell eine Nachricht schicken kann, um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Wir bleiben alle in Kontakt, um uns zu vergewissern, dass es uns allen gut geht, und um uns auszutauschen.“
Agius hat in ihrer jungen Karriere schon viel erreicht. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung wird sie sich sicherlich weitere Ziele setzen – sowohl für ihre eigene berufliche Entwicklung als auch für den Ausbau des Frauenanteils im Baugewerbe. „Es ist wahnsinnig ermutigend, wenn man sieht, dass man diese Arbeit machen kann“, sagt sie. „Es wird immer etwas zu bauen geben und das Baugewerbe ist ein hervorragender Ort für junge Frauen.“