Künstliche Intelligenz im Baugewerbe

Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Baubranche

Verschiedene Start-up-Unternehmen im Bereich der künstlichen Intelligenz setzen auf den Trend der Risikokapitalfinanzierung. Über diesen Weg wollen sie die Art und Weise verändern, wie Baustellen den Projektfortschritt verfolgen und die Effizienz messen.

Als sich die drei Unternehmer Roy Danon, Aviv Leibovici und Yakir Sudry während ihrer Zeit im israelischen Militärdienst kennenlernten, wussten sie nichts über die Branche und deren Potenzial als Sprungbrett für Innovationen.

Eines war ihnen jedoch klar: Keiner der drei war ein besonders guter Berufssoldat. So absolvierte das Trio das Eliteprogramm Talpiot des israelischen Militärs für angehende Wissenschaftler und technische Führungskräfte.

Nach ihrem Wehrdienst war ihnen klar, dass sie ihre Fähigkeiten im Zivilleben einsetzen wollten. So war der Plan, ein Unternehmen zu gründen, das einige der Technologien, die sie beim Militär kennengelernt hatten, zur Steigerung der Effizienz einer bestimmten Branche einsetzen würde.

Das Problem: Sie wussten nicht, welche Branche das sein würde.

Nachdem sie die Geschäftswelt erkundet hatten, stießen sie schnell auf die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) im Bauwesen und fanden sofort Gefallen an diesem Bereich. Heute führen Sie Buildots, ein KI-Unternehmen, das die Baubranche bei der Maximierung der Nutzung dieser aufkommenden Technologie unterstützt.

„Als wir unsere Möglichkeiten erkundeten, haben wir uns in das Baugewerbe verliebt“, sagt Danon, der CEO des Unternehmens. „Es ist eine prozessorientierte Branche mit sehr prozessorientierten Menschen.“

Doch das Trio erkannte auch eine Chance für eine Branche, die ihre Effizienz mit Hilfe von KI-Produktivitätswerkzeugen steigern könnte, aber stattdessen nicht mit dem Tempo der Innovationen mithalten konnte.

Digital Arbeiten mit Bluebeam

Die nächsten Monate verbrachten die drei damit, Baustellen zu besuchen, Interviews mit Führungskräften und Ingenieuren zu führen und sie zu fragen, was sie „nachts wach hält“, erinnert sich Danon in einem Interview mit Built.

Bei diesen Gesprächen stellten Danon und seine Geschäftspartner fest, dass Bauprojektmanager und Führungskräfte ein tieferes Verständnis dafür benötigen, was auf den von ihnen beaufsichtigten Baustellen passiert und wie es um die Einhaltung verschiedener Projektmeilensteine bestellt ist. Und dies war eine perfekte Gelegenheit für den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bauprojektmanagement.

Anfang 2020 hatte das Unternehmen eine Risikokapitalfinanzierung für seine Plattform zur Verfolgung des Projektfortschritts in Höhe von 16 Millionen US-Dollar gewonnen. Die ganzheitliche Lösung behält alles im Blick, was auf einer Baustelle passiert – von der Installation der Steckdosen bis hin zum Anbringen von Rigipsplatten.

Buildots wollte keine Namen nennen, allerdings sagt das Unternehmen, dass zwei der zehn größten Baufirmen in Europa und die größte israelische Baufirma zu ihren Kunden zählen. Zudem hat das Start-up begonnen, mit potenziellen Kunden an der Westküste der Vereinigten Staaten zu arbeiten.

„Es passieren nicht die Dinge auf einer Baustelle, die dort geschehen sollten“, sagt Danon. „Die Branche investiert so viel in die Erstellung guter Pläne. Für die Planung der Bauzeiten werden jedoch noch immer Excel-Tabellen verwendet. Wir dachten, dass wir hier etwas verändern können, indem wir eine bessere Lösung finden.“

So funktioniert es

Ein wichtiger Teil der Buildots-Plattform zur Verfolgung des Baufortschritts besteht darin, den Schutzhelm eines Bauleiters mit Kameras zu bestücken. Während seiner Inspektion der Baustelle werden dann 360-Grad-Aufnahmen des Bauprozesses erstellt.

Die von den Helmkameras erfassten Daten werden dann in die Buildots-Plattform übertragen, wo sie mit den Projektplänen und dem Zeitplan verglichen werden, um den Fortschritt zu überwachen.

Laut Danon ist dies eine weitaus kostengünstigere und praktischere Lösung als die Installation von temporären Kameras und Sensoren auf der Baustelle, was seiner Meinung nach zu kostspielig wäre.

In Fabriken werden durchaus Sensoren und Kameras eingesetzt, die jedoch für eine langfristige Nutzung vorgesehen sind, wobei sich die Investitionskosten über einen längeren Zeitraum verteilen. Baustellen sind dagegen vorübergehender Natur und oft recht groß.

„Man kann nicht in gleichem Maße in Sensoren investieren, wie man es bei einer Produktionsstätte tun würde; die Kosten für die flächendeckende Anbringung von Sensoren sind unerschwinglich“, so Danon.

Stattdessen setzt Buildots auf weniger teure, handelsübliche Kameras.

„Der Erfassungsprozess wird in der Regel von der Bauaufsicht durchgeführt, welche die Kamera dreht“, so Danon. „Sie verhält sich dabei so passiv, dass das Personal dies während seines Rundgangs [auf der Baustelle] tun kann. Sie müssen nichts weiter tun, als die Kamera einzuschalten. Die Daten werden erfasst, während sie gehen.“

Die Buildots-Plattform verfügt über ein Mini-Kontrollzentrum in Form eines Dashboard-Systems, das oben auf dem Computerbildschirm erscheint. Dieses Dashboard informiert die Projektmanager mit monatlichen Updates und Benachrichtigungen, wenn es Anzeichen dafür erkennt, dass die durchgeführten Arbeiten mit dem 3D-Modell kollidieren. Dies ist jedoch nur eine von vielen Funktionen.

Einige Kunden haben sich jedoch für die Einrichtung echter Kontrollräume entschieden, in denen die Buildots-Plattform auf Großbildschirmen angezeigt wird.

„Es ist eine Erinnerung damit jeder, der das Baustellenbüro betritt, sofort weiß, was vor sich geht“, sagt Danon.

Schneller und effizienter       

Die Plattform von Buildots geht jedoch weit über das reine Fotografieren hinaus. Dies ist lediglich der erste Schritt des Prozesses.

Die Software von Buildots setzt Algorithmen und Deep Learning ein, um sowohl wichtige Aufgaben zu verfolgen als auch Daten zu generieren, die von Projektmanagern analysiert werden können.

Mit dem System erübrigt sich die weitaus zeitaufwändigere Art der Fortschrittsverfolgung auf einer Baustelle, bei der oft das Maßband in die Hand genommen und verschiedene Papierordner geöffnet werden müssen.

Durch die Verfolgung des Fortschritts bei verschiedenen Aspekten eines Projekts können die Verantwortlichen vergleichen, wie die Installateure, Schreiner oder Metallbauer beispielsweise bei der Einhaltung verschiedener Meilensteine und Ziele vorankommen. Gleichzeitig wird eine Warnmeldung ausgegeben, wenn ein bestimmter Subunternehmer hinter dem Zeitplan zurückzubleiben scheint.


WEITERE INFORMATIONEN ZUR EINFÜHRUNG VON TECHNOLOGIEN:


Auch andere Mitglieder des Projektteams können die von der Buildots-Plattform generierten Daten nutzen, z. B. Architekten und Finanzmitarbeiter, die Rechnungen auf der Grundlage des Erreichens bestimmter Meilensteine verschicken möchten.

Das Spezialgebiet von Buildots liegt derzeit beim Bau von Wohngebäuden, Hotels und Büros, wo bestimmte Bauarbeiten angesichts der der Gebäudeart oft wiederholt werden, erklärt Danon.

Die Softwareplattform des Unternehmens wurde konzipiert, um den Fortschritt bei diesen sich wiederholenden Aufgaben zu verfolgen – sei es die Installation von Steckdosen und Fenstern oder der Fortschritt bei Wänden und Rohbau.

„Die Erfassung einer enormen Menge an visuellen Daten ist wunderbar, aber die Analyse der Vorgänge und die Verknüpfung der einzelnen Punkte bringt den Prozess wirklich voran und macht ihn effizient“, so Danon.

Teil eines schnell wachsenden Segments

Derzeit testet Buildots seine Technologie mit zehn Kunden und hofft, diese Zahl bald auf 15 steigern zu können.

Das Unternehmen hat 60 Mitarbeiter, die sich auf ein 25-köpfiges Software-Engineering-Team in Israel und Vertriebs- sowie Marketingspezialisten in Großbritannien verteilen.

Buildots gehört zu einer wachsenden Zahl an Unternehmen aus den Bereichen Technologie und KI, die versuchen, die Arbeitsweise im Bauwesen zu verändern – und die Investoren stehen Schlange.

Das 2017 gegründete Unternehmen OpenSpace hat kürzlich 55 Millionen US-Dollar an Risikokapital beschafft und eine Plattform entwickelt, die mit Buildots vergleichbar ist. Auch hier werden Kameras an den Schutzhelmen der Bauleiter befestigt. Damit wird Bildmaterial erfasst, das anschließend analysiert werden kann, um den Projektfortschritt zu verfolgen.

Tishman Speyer, ein Investor der Firma gab an, dass man die Technologie beim MIRA-Gebäude in San Francisco und beim 65-stöckigen Wolkenkratzer The Spiral in New York eingesetzt habe, wie Venture Beat berichtet.

Andere Startups im KI-Sektor erforschen weitere potenzielle Marktlücken im Bausektor. Eines davon ist Alice, das 8 Millionen US-Dollar beschaffen konnte und Arbeit sowie Ausrüstung überwacht. Ein weiteres ist Avvir, das eine Plattform verkauft, die mobile Laser zur Fehlererkennung auf der Baustelle einsetzt. Erst kürzlich haben Investoren 10 Millionen US-Dollar in das Unternehmen gesteckt.

In der Zwischenzeit haben sich laut Construction Dive führende Unternehmen aus den Bereichen Bauwesen, Architektur, Ingenieurwesen und Risikokapital mit der University of Illinois und der Carnegie Mellon University zusammengetan, um Pläne für ein Nationales Institut für künstliche Intelligenz im Bauwesen zu erarbeiten.

Die Technologie steckt noch immer in den „Kinderschuhen“

Der Einsatz von KI in der Baubranche birgt zwar viel Potenzial, steckt aber noch in den Kinderschuhen, so Amir Behzadan, Lehrbeauftragter an der Texas A&M University.

Die große Herausforderung besteht darin, „wie man die Daten analysiert … und die benötigten Algorithmen herausfindet“, sagt Behzadan.

Der weitaus schwierigere Teil ist das Schulen des KI-Systems und Computers, um die Bilder zu erkennen. Und das kann durchaus ein mühsamer Prozess sein.

„Die meisten [Unternehmen] befinden sich noch in der Anfangsphase der Datenerfassung, wobei die Datenerfassung nur die erste Phase ist“, so Behzadan.

Der nächste und schwierigere Schritt ist der komplizierte Prozess, dem Computer beizubringen, verschiedene Bilder und Muster zu erkennen.

„Die visuellen Informationen sind für den Computer allein nicht verständlich. Jemand muss sich hinsetzen und diese Bilder analysieren … und die Daten mit Anmerkungen versehen“, sagt Behzadan.

Die Idee, welche Unternehmen wie Buildots antreibt, Baustellendaten zu erfassen und den tatsächlichen Fortschritt mit den Projektplänen und Zeitplänen zu vergleichen, ist laut Behzadan „sehr praktikabel“.

So wie es jetzt ist, „müssen wir im Baugewerbe einen enormen Personalaufwand betreiben, um Abweichungen von den Plänen zu ermitteln“, sagt Behzadan. „Das Erfassen dieser Daten ist sehr zeitaufwändig – eine Person muss sich hinsetzen, sie zusammenfügen und die [gesammelten Daten] mit den Zeichnungen vergleichen.“

Dennoch hat laut Behzadan der Einsatz von Kameras „den Prozess der Datenerfassung wesentlich beschleunigt“.

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