Jobs im Baugewerbe

Der US-Arbeitsmarkt für Baufachkräfte wurde von Covid-19 ungleichmäßig hart getroffen und erholt sich genauso ungleichmäßig wieder

Die Pandemie hat den Arbeitsmarkt hart getroffen. Obwohl die meisten verlorenen Arbeitsplätze zurückgewonnen werden konnten, schlüsselt ein Experte auf, warum die Coronakrise einige Arbeitsplätze im Baugewerbe stärker getroffen hat als andere

Illustration von Nico Abbasi

Seit mehr als sechs Monaten sucht der Coronavirus die Welt heim. Weltweit hat die Pandemie die Wirtschaft auf den Kopf gestellt, insbesondere in den USA, wo das Virus am stärksten zugeschlagen hat. 

Auch das Baugewerbe hat die durch die Pandemie hervorgerufenen Veränderungen zu spüren bekommen. Das zu Beginn schnell als „unverzichtbar“ eingestufte Baugewerbe war gezwungen, unter außergewöhnlichen Umständen weiterzuarbeiten: Auf den Baustellen wurden neue Sicherheitsmaßnahmen eingeführt und die meisten Büroangestellten arbeiteten einen Großteil des Jahres von Zuhause aus .   

Jobs im Baugewerbe
Ken Simonson

Doch obwohl die Branche weitermachen konnte, wo andere Industriezweige gezwungen waren, den Betrieb einzustellen, da die Lockdowns einen Großteil der Wirtschaft zum Stillstand brachten, lief dies nicht ohne erhebliche Probleme ab, insbesondere auf dem US-Arbeitsmarkt.  

Das U.S. Bureau of Labor Statistics (BLS) versucht jeden Monat, ein Bild der Arbeitsplatzentwicklung über alle Branchen hinweg zu zeichnen. Der Bericht des BLS hat sich zu einem Stimmungsbarometer der US-Wirtschaft entwickelt, der von Wirtschaftswissenschaftlern und den US-Wirtschaftsmedien genau beobachtet wird.   

In diesen beispiellosen Zeiten ist es oft schwierig, die Zahlen des BLS in vollem Umfang zu verstehen. Der Bluebeam Blog wandte sich daher an einen Experten, um herauszufinden, wie sich der Arbeitsmarkt für Baufachkräfte seit der COVID-19-Pandemie entwickelt hat.  

Ken Simonson ist Chefökonom von Associated General Contractors of America, dem Verband der amerikanischen Bauunternehmer. Er ist auch Mitglied des beratenden Ausschusses für Datennutzer des BLS. Im Folgenden finden Sie bearbeitete Auszüge aus unserem Interview mit Simonson. 

Welche Tendenzen haben sich seit Beginn der Pandemie in der Baubranche im Hinblick auf die Beschäftigungssituation ergeben? 

Simonson: Die Situation stellt sich sicherlich unterschiedlich dar. Ich würde sagen, es hat die gesamte Baubranche hart getroffen. Das BLS verzeichnete zwischen Februar und April landesweit einen Rückgang der Beschäftigung im Baugewerbe um 14 %, was 1,1 Millionen Arbeitsplätzen entspricht. Anschließend kam es jedoch zu einer raschen, aber nur teilweisen Erholung. Bis August hatte die Branche insgesamt 61 % der Arbeitsplatzverluste wieder aufgeholt, wohingegen die Gesamtwirtschaft weniger als 50 % der Arbeitsplätze zurückgewinnen konnte.  

Es ist eine große und wachsende Spaltung zu beobachten. Der Wohnungsbausektor, d. h. Wohnungsbauer und -umbauer, konnten 81 % der verlorenen Arbeitsplätze zurückgewinnen. Im gewerblichen Bereich – sowohl im Hochbau als auch bei öffentlichen Bauvorhaben – konnten nur 46 % der Arbeitsplätze zurückgewonnen werden.  

Built Blog: Was ist der Grund für diese Spaltung?  

Simonson: Ich denke, der gewerbliche Bausektor hängt sehr stark davon ab, dass Eigentümer aller Art Entscheidungen darüber treffen, ob sie einerseits über die Geldmittel verfügen, um die Baukosten zu finanzieren, und andererseits, ob es einen Bedarf für das Bauvorhaben gibt.  

Was die öffentliche Seite anbelangt, so verzeichneten die Regierungen und Behörden der Bundesstaaten und Kommunen, die mit Haushaltsmitteln wirtschaften, einen enormen Rückgang der Einnahmen unterschiedlichster Art. Zum Beispiel hängt der Straßenbau stark von der Benzin- und Dieselsteuer ab, die durch die Abnahme der Autofahrten stark zurückgegangen ist. Die Flughäfen erhalten von den Fluggesellschaften verschiedene Gebühren und von den Passagieren in den Terminals und Flughafenhotels sowie Vermietungsagenturen Steuern oder Mieteinnahmen. 

Durch den enormen Rückgang der Passagiere und Flüge ist ihre Einnahmesituation verheerend. Auf ähnliche Weise haben die Verkehrsbetriebe Einnahmen im Bereich der Fahrgastgebühren eingebüßt. Wie sehr werden neue Gates an Flughäfen oder der Ausbau von Transitverbindungen benötigt, wenn Menschen Angst haben, in Flugzeuge zu steigen oder die U-Bahn zu nutzen? 

Der Wohnungsbausektor, d. h. Wohnungsbauer und -umbauer, konnten 81 % der verlorenen Arbeitsplätze zurückgewinnen. Im gewerblichen Bereich – sowohl im Hochbau als auch bei öffentlichen Bauvorhaben – konnten nur 46 % der Arbeitsplätze zurückgewonnen werden.

Ken Simonson, Chefökonom, Associated General Contractors of America

Institutionelle Eigentümer wie Universitäten und Hochschulen haben den Verlust von Studiengebühren und vielleicht auch von Einnahmen aus dem Sportbereich zu beklagen. Und die große Frage ist, wie viele Studenten auf dem Campus sein werden bzw. sein sollten in Zukunft. Vorerst halten sie sich also mit dem Bau neuer Wohnheime, Unterrichtsräume oder Sportanlagen zurück.  

Private Eigentümer – also Unternehmen, die vielleicht bereit sind, einen neuen Laden oder ein Restaurant zu eröffnen – müssen ihre Türen möglicherweise ganz schließen.  

Für all diese Bereiche stellt sich die große Frage, wann die Baumaßnahmen wieder aufgenommen werden. 

Built Blog: Warum ist das im Bereich Wohnungsbau anders? 

Simonson: Für Wohnimmobilien wurden die Zinssätze enorm reduziert. Menschen, die noch einen Arbeitsplatz haben und weiterhin erwerbstätig sind, sehen diese Zeit als gute Gelegenheit, um ein Haus zu kaufen. Vielleicht empfinden sie auch eine gewisse Dringlichkeit, wenn sie und ihr Partner jetzt von Zuhause aus arbeiten und ihre Kinder Zuhause unterrichtet müssen. Möglicherweise ist es zu beengt, als dass sie alle gleichzeitig arbeiten können, sodass das Interesse am Kauf des ersten Hauses oder einem größeren Haus groß ist.  

Built Blog: Gibt es eine Veränderung im Hinblick darauf, welche Arten von Arbeitsplätzen im Wohnungsbau derzeit verfügbar sind? 

Simonson: Ich glaube nicht, dass es Daten gibt, aus denen hervorgeht, welche Handwerksberufe oder welche Arbeitsplätze im Baugewerbe besser dastehen als andere. Es hat eine gewisse Verlagerung vom Mehrfamilienhaus zum Einfamilienhaus stattgefunden, aber der Mehrfamilienhausmarkt ist nicht tot. Für luxuriöse Hochhäuser in Gegenden wie New York City und Miami Beach ist die Lage schwierig, aber es gibt immer noch viele kleinere Städte und Vorstädte, in denen niedrige bis mittelhohe Wohngebäude gebaut werden.  

Im weiteren Wohnungsbaubereich ist die Nachfrage nach Neu- und Umbauten am stärksten. Die Nachfrage nach Beton- und Stahlbetonbauern wird wahrscheinlich nicht in dem Maße wachsen wie die nach Schreinern, Installateuren und Elektrikern. 

Built Blog: Gab es während der Pandemie große Veränderungen hinsichtlich der Löhne? 

Simonson: Die am häufigsten verwendete Messgröße für Löhne ist der durchschnittliche Stundenlohn, über den das BLS im Rahmen des monatlichen Beschäftigungsberichts informiert. Aber dieser Durchschnittswert wurde durch den enormen Verlust von Arbeitsplätzen stark verzerrt, sodass es schwer ist, einen direkten Vergleich anzustellen.  

Die Kurzantwort lautet also: Nein, ich glaube nicht, dass wir schon Informationen dazu haben, was mit Löhnen und Arbeitskräften geschieht.  

Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich kürzlich mit dem Leiter des Construction Labor Research Council gesprochen habe. Er analysiert Gewerkschaftsvereinigungen nach Handwerk und Standort. Er sagte, dass die bis Juni eingegangenen Berichte – und das waren viele – keine Senkung der Lohnvereinbarungen erkennen ließen. Ich dachte, es würde eventuell einige Einfrierungen bei Löhnen geben. Das ist nicht geschehen und offensichtlich waren die im Frühjahr geschlossenen Vereinbarungen noch immer in der gleichen Größenordnung wie in den Vorjahren.  

Built Blog: Gibt es irgendwelche geographischen Trends? 

Simonson: Nochmals, es gibt ziemliche Unterschiede. Man kann sagen, dass sich das gewissermaßen von Monat zu Monat ändert, je nachdem, ob sich das Coronavirus weiter ausbreitet oder ein Rückgang erkennbar ist.  

Der Bundesstaat, der am besten abgeschnitten und fast jeden Monat neue Mitarbeiter im Baugewerbe eingestellt hat, ist South Dakota. Auch Utah hat in puncto Weiterbeschäftigung seiner Arbeitskräfte und der Einstellung neuer Mitarbeiter im Baugewerbe sehr gut abgeschnitten. In Kalifornien und New York gab es enorme Rückgänge, aber dann gab es teilweise wieder einen deutlichen Anstieg, wodurch die Zahlen in beide Richtungen stark schwankten.  

Natürlich haben diese beiden Bundesstaaten eine viel höhere Gesamtbeschäftigungszahl, doch stechen mit Sicherheit auch als diejenigen hervor, die eine große Unbeständigkeit aufweisen. Es handelt sich dabei um große Bundesstaaten, die zu Beginn des Frühjahres ziemlich strenge Lockdowns hatten, daher war es nicht überraschend, einen enormen Rückgang der Beschäftigungszahlen und dann wieder eine Erholung zu sehen. Aber es ist noch zu früh, um zu wissen, wie die langfristigen geographischen Trends aussehen werden.