Im Oktober 2021 reihte sich Helsinki in eine wachsende Liste europäischer Städte hinzu, die in den Bau von Straßenbahnen als Verkehrsmittel der Zukunft investieren.
Helsinki, die Hauptstadt Finnlands im hohen Norden, ist eine schnell wachsende Stadt, die nachhaltig und im Einklang mit der Natur weiterentwickelt wird. Die Stadtverwaltung hat daher vor kurzem die Konstruktion einer Stadtbahn genehmigt, die auf den Kronenbrücken (auf Finnisch: Kruunusillat) verlaufen soll. Das Budget beträgt 326 Mio. €.
Das Projekt schafft mit einer Straßenbahn und einem Fahrrad-/Fußgängerweg eine Verbindung zwischen dem sich schnell entwickelnden Wohngebiet auf der Insel Laajasalo und dem Stadtzentrum. Das wichtigste Bauwerk ist die 1,2 km lange Kruunuvuorensilta-Brücke, die von Knight Architects in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von WSP Helsinki entworfen wurde. Das restliche Projekt wird über ein Allianzmodell mit mehreren verschiedenen Unternehmen unter Verwendung von integrierter Projektabwicklung umgesetzt werden.
Grundlagen des Wachstums
650.000 Menschen leben in Helsinki. Diese Zahl wird bis 2027 voraussichtlich auf über 700.000 ansteigen, während sich die Einwohnerzahl auf der nahe gelegenen Insel Laajasalo durch die Entwicklung des neuen Wohnviertels verdoppeln soll.
Anni Sinnemäki, Helsinkis Stellvertretende Stadtdirektorin für Stadtplanung, erklärte, wie dieses Wachstum die Kronenbrücken-Projekte beeinflusst hat: „Helsinki ist eine wachsende Stadt, die neuen Wohnraum braucht“, sagte sie. „Derzeit bauen wir jährlich 7.000 neue Wohnungen, bald werden es 8.000 sein. Wir bauen nach dem Grundsatz, Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr mit neuen Wohngebäuden zu verbinden. Alle Menschen sollen in ihrer Nachbarschaft eine gute öffentliche Anbindung haben.“
Die Verbindung nach Laajasalo wurde erstmals 2002 von der Stadt angedacht, 2008 wurde die Entscheidung getroffen, eine Stadtbahnstrecke zu bauen. Doch warum eine Straßenbahn?
„Im Vorfeld wurden viele verschiedene Möglichkeiten ins Auge gefasst, und eine Straßenbahn erwies sich als die zweckmäßigste“, so Sinnemäki. „Mit einer Straßenbahn verhindern wir für die Bewohner von Laajasalo ein Verkehrschaos, das entstehen könnte, wenn wir eine Brücke für Autos gebaut hätten. Wir brauchen außerdem ein Verkehrssystem, das effizient ist und zur Erreichung unserer Klimaziele beiträgt. Gemäß der strategischen Ziele unserer Stadt müssen wir die Emissionen, die unser Verkehrssystem verursacht, reduzieren.“
Helsinki ist stolz auf seine grünen Werte und den hohen Stellenwert des Umweltschutzes. Die Kronenbrücken werden ein bereits gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz ergänze, das aus Straßenbahn, U-Bahn, Zügen, Bussen, Fahrradverleih und Fähren besteht.
„Für mich ist Helsinki eine Stadt, die in die Zukunft blickt“, so Sinnemäki. „Wir wollen sicherstellen, dass die Stadt so nachhaltig wie möglich wächst und dass unsere Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag nicht auf ein eigenes Auto angewiesen sind.“
Obwohl von politischer Seite Kritik an den Kosten und den mangelnden Autostraßen kam, setze sich die Straßenbahn und ihre klaren Grundsätze durch. „Wir sind stolz darauf, dass wir unser Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein, erreichen“, so Sinnemäki. „Der beste Weg ist, öffentliche Verkehrsmittel attraktiv zu gestalten, damit die Menschen sie dem Auto vorziehen.“
Immer mehr Straßenbahnen in Europa
In den USA wurde kürzlich ein Infrastruktur-Gesetz verabschiedet, das mit seinem großen Budget ähnliche Entwicklungen in den USA auslösen könnte. Gleichzeitig nehmen die Investitionen in die Stadtbahninfrastruktur in Europa weiterhin zu. Die Kronenbrücken in Helsinki sind typisch für den Trend, der sich in ganz Europa abzeichnet.
Allein im vergangenen Jahr wurden vielerorts Investitionen in den Bau oder die Renovierung von Straßenbahnen auf dem Kontinent beobachtet, darunter Lissabon (Portugal) 43 Mio. €; Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) 40 Mio. €; Sevilla (Spanien) 19,6 Mio. €; Brandenburg (Deutschland) 110 Mio. € und Paris (Frankreich) 404 Mio. €.
Angesichts der zunehmenden Problematik von Verkehrsstaus und Emissionen in Europa können im Hinblick auf das Wiederaufleben der Straßenbahn Vergleiche zu ihrer Einführung vor ein paar Jahrhunderten gezogen werden. Damals galt die Straßenbahn als sauberere und abfallarme Alternative für den Stadtverkehr gegenüber Pferden.
Das Kronjuwel von Kruunusillat
2012 gewann Knight Architects zusammen mit WSP Helsinki einen internationalen Designwettbewerb für den Entwurf der Brücke. Tom Osborne ist bei Knights Architects für Brücken und Infrastruktur zuständig. Er erklärte, wie die Kultur der Stadt den Entwurf beeinflusste: „In Helsinki sind Fußgänger, Radfahrer und die aktive Mobilität ein großer Teil der Transportkultur. Wir hatten ständig das Zusammenspiel zwischen der Brücke und dem städtischen Raum, den sie verbindet, im Hinterkopf.“
Der Entwurf der Kruunuvuorensilta-Brücke vereint eine einzigartige Kombination verschiedener Anforderungen. „Die klimatischen Bedingungen haben das Design erheblich beeinflusst“, so Osborne. „Wir haben uns bemüht, ein Brüstung zu entwerfen, die die Fußgänger vor Wind schützt und ihnen gleichzeitig eine Aussicht und ein Gefühl der Offenheit bietet. Im Winter ist es in Helsinki mehrere Monate lang dunkel und kalt. Es ist also eine große Herausforderung, das ganze Jahr über für genügend Behaglichkeit und Sicherheit zu sorgen.“
„Außerdem wurde in der Ausschreibung eine Lebensdauer von 200 Jahren gefordert, was über die üblichen 120 Jahre anderer Brücken hinausgeht“, fügte Osborne hinzu. „Wir haben eng mit den Ingenieuren bei WSP Helsinki zusammengearbeitet, um eine langlebige und sogar anpassbare Brücke zu entwerfen, die zu einem dauerhaften Bestandteil der Stadt werden kann.“
Das Design berücksichtigt auch die berühmte finnische Ästhetik. „Uns gefällt die Klarheit und der Minimalismus des finnischen Designs. Deshalb hoffen wir, dass die Brücke eine passende Ergänzung für Helsinki sein wird, eine Art Diamant für die Stadt, die immerhin 2012 zur Weltdesignhauptstadt ernannt wurde“, so Osborne.
Eine Allianz für Zusammenarbeit
Das Projekt außerhalb der Kronenbrücke wird über ein Allianzmodell fertiggestellt. Die Allianz konzentriert sich auf Erdarbeiten, Straßenbau und technische Arbeiten in der Umgebung, während die restliche Straßenbahninfrastruktur aufgebaut wird.
Was ist ein Allianzmodell?
Jani Saarinen, geschäftsführender Gesellschafter bei Vision Ltd., der Beratungsfirma für das Allianzmodell des Projekts, erklärte: „Projektallianz ist ein neuartiges Implementierungsmodell, bei dem die Projektpartner gemeinsam Pläne und Lösungen entwickeln sowie einen gemeinsamen Implementierungsplan und Zielkosten aufstellen. Die Parteien teilen sich dann sowohl das Risiko als auch die Vorteile des Projekts.“
Das Allianzmodell profitiert davon, dass Informationen und Fachwissen projektübergreifend ausgetauscht werden können. „Alle mitwirkenden Unternehmen der Allianz arbeiten zusammen“, so Saarinen. „Es gibt drei Design- und Beratungsunternehmen und zwei Bauunternehmen. Das Projekt nutzt das Fachwissen und die Ressourcen all dieser Unternehmen. So wird das Beste für das Projekt herausgeholt.“
Die partnerschaftliche Allianz basiert auf Transparenz und Zusammenarbeit. „Die Idee besteht darin, alle Unternehmen und ihre Ressourcen so weit wie möglich zu integrieren, um im selben Projektbüro (einem großen Raum) zusammenzuarbeiten und dieselben Prozesse und Arbeitsmethoden zu nutzen“, so Saarinen.
Die Konstruktion für die Kronenbrücken begann im November 2021. Die Straßenbahn soll 2027 fertiggestellt und in Betrieb sein.