Wie weit ist der Einsatz des Metaverse in der Baubranche schon vorangeschritten? Hat sich die Technologie bereits etabliert?
Eine Vielzahl von Menschen, allen voran Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, gehen davon aus, dass unser Alltag in Zukunft weitgehend in virtuellen Umgebungen stattfinden wird. In der Baubranche ist diese Entwicklung jedoch bereits in vollem Gange.
Schon seit einiger Zeit erfreut sich der Einsatz virtueller Umgebungen zur Planung und Visualisierung von Gebäuden vor dem Bau großer Beliebtheit. Dieses noch recht junge Branchensegment hat sich bereits enorm weiterentwickelt und wird Unternehmen laut Expert:innen auf lange Sicht als Unterstützung bei der Realisierung von Projekten dienen. Mit Blick auf Virtual und Augmented Reality sowie anderen Umgebungen, die dem Metaverse ähneln, werden Bauunternehmen auch in Zukunft vermehrt in solche Technologien investieren.
Planung in Echtzeit
Virtuelle Realität kann zwar 2D-Modelle und andere herkömmliche Bauplanungsstandards nicht vollständig ersetzen, doch die Technologie erleichtert es Bauunternehmen, Kund:innen vor dem ersten Spatenstich Planungsentscheidungen zu vermitteln.
Edward M. Charney, Inhaber von ProSource Takeoffs & Estimating LLC, eines Unternehmens für Mengenermittlungen und Schätzungen im Baugewerbe, betont, dass diese Technologie den Bauprozess bereits nachhaltig verändert habe.
„Bauunternehmen arbeiten seit jeher auf Grundlage von Bauplänen, Konzeptzeichnungen und sogar Modellierungen von Gebäuden, um zu bestimmen, wie ihr Endprodukt am Ende vor Ort aussehen wird“, so Charney. „Sie wissen zwar, dass das Gebäude realisiert werden kann, sind sich aber nie ganz sicher, ob es auch an diesem bestimmten Ort gebaut werden kann. Dank der Entwicklung virtueller Umgebungen können Bauunternehmen das Gebäude nun an seinem exakten Standort platzieren, Details in Echtzeit anpassen und somit den gesamten Prozess sowie die Umsetzung des Entwurfs vor dem tatsächlichen Bau mitverfolgen.“
Charney fügt hinzu, dass ein virtueller Arbeitsplatz nicht an einen physischen Ort oder eine geografische Grenze gebunden sei. Vielmehr seien Architekt:innen und Bauunternehmen über ein privates Netzwerk oder das Internet miteinander verbunden und kommunizieren per Telefon, Videokonferenz, Cloud-Computing-Programmen und mithilfe vieler anderer Methoden miteinander.
„Diese neuen Möglichkeiten der Kommunikation und des Dokumentenaustauschs ermöglichen einen uneingeschränkten Austausch von Informationen und Ideen zwischen Teams in einem Land und sogar weltweit“, erklärt Charney. „Im Rahmen dieser virtuellen Umgebungen können Änderungen an Plänen und Entwürfen sofort in einer integrierten Umgebung vorgenommen werden.“
Laut Matt DiBara, Gründer von The Contractor Consultants und Inhaber eines von italienischen Einwander:innen gegründeten Maurerbetriebs in vierter Generation, versuchen Bauunternehmen schon seit Langem, eine solche Planung durchzuführen, aber die entsprechende Technologie fehlte – bis jetzt.
DiBara zufolge standen am Anfang des Prozesses handgezeichnete Skizzen, bevor physische 3D-Modelle erstellt werden konnten. Diese Modelle wurden üblicherweise gegossen oder aus Papier hergestellt. „Im Wesentlichen wurden passende Pappstücke verwendet, danach folgte das Building Information Modeling oder BIM und parallel dazu der 3D-Druck“, so DiBara. „Virtuelle Umgebungen gestalten den Modellerstellungsprozess jedoch wirklich kosteneffektiv und praktisch. Die klassischen Modelle von Städten oder Hochhäusern, die man in Museen betrachten kann, haben sich weiterentwickelt.“
Früher brachten Bauleiter:innen ein 3D-Modell mit und präsentierten es den Investor:innen. Seit der Einführung des Building Information Modeling und des 3D-Drucks auf virtueller Ebene, so DiBara, profitieren Unternehmen von zweifacher Unterstützung bei der Modellerstellung.
Die Relevanz des Größenverhältnisses
Zum einen können Bauunternehmen die einzelnen Arbeitsschritte besser nachvollziehen und Zusammenhänge leichter erkennen. Durch den Einsatz solcher Technologien lassen sich viele menschliche Fehler vermeiden. „Es ist leichter, zu beurteilen, wo Rohre und Türen angebracht werden müssen“, so DiBara. „Außerdem verstehen Sie mithilfe dieser Technologie den wohl wichtigsten Aspekt: das Größenverhältnis. Das Größenverhältnis zwischen zwei Objekten lässt sich oft nur schwer erfassen.“
Zum anderen können Bauunternehmen dank der Technologie Probleme bereits im Vorfeld erkennen und beheben. Diese virtuellen Begehungen sind von entscheidender Bedeutung: Sind die Türen zu groß im Verhältnis zu den Decken oder Fenstern? Passt das Gerät zu den Arbeitsflächen oder dem Sitzbereich? Aussehen und Funktionalität sowie Größenverhältnisse sind gleichermaßen wichtig. Nach Einschätzung von DiBara können sich die Auftragnehmer dank dieser Technologie gemeinsam ein Bild von dem Projekt machen, während Architekt:innen die Größenverhältnisse genau berücksichtigen können.
„Natürlich haben 3D-Pläne ihre Berechtigung, aber wenn Sie als Bauunternehmer ein Projekt virtuell betrachten, können Sie genau sehen, wo sich die Steckdosen befinden, wo die Kabel verlaufen und auf welche Aspekte Sie achten müssen. Sie können sich ein umfassendes Bild von dem Projekt machen.“
Laut DiBara lag der Reiz von BIM in genau dieser Möglichkeit. Man kann alle Auftragnehmer:innen einbeziehen und ein Modell erstellen, beispielsweise für den HLSE-Bereich, also Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen. Zudem ist es möglich, die einzelnen Elemente in einem Modell abzubilden. Die einzelnen Gewerke können sich dann dieses visuelle Modell in BIM ansehen und Probleme oder Überschneidungen schneller identifizieren.
„Man kann das Projekt in seiner Vorstellung so bauen, als stünde man direkt davor, und anschließend Fehler erkennen und beheben“, so DiBara. „Der Erfolg von BIM basiert zum einen auf der Möglichkeit, mit den richtigen Größenverhältnissen zu arbeiten, und zum anderen auf der Fehlerbehebung noch vor dem eigentlichen Bau. Diese Vorteile beziehen sich auf alle Projektphasen und -elemente. Bauunternehmen profitieren so von einer weitaus umfassenderen Vision des Projekts und das schon vor Baubeginn.“