Auf dem Höhepunkt der Großen Rezession erkannte Debora „Deb“ Poteet, dass das Unternehmen, das sie vor 20 Jahren gegründet hatte, möglicherweise nicht weiter bestehen könne.
Ihre Büromanagerin und Buchhalterin verließ vorsorglich das sinkende Schiff, da sie davon ausging, ihren Job ohnehin zu verlieren. 2008, auf dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Misere, als der Ölpreis seinen Höchststand von 147 $ (125 €) pro Barrel erreichte, kostete es die Firma untragbare 8 $ (6,80 €) pro Meile (1,6 km), um Asphaltrecycling und andere schwere Geräte zu Bauprojekten in ganz Montana und Richtung Westen zu transportieren, wo ihr Unternehmen ansässig ist. Deb ahnte, dass ihre Firma möglicherweise Konkurs anmelden müsse.
Doch sie nahm all ihren Mut zusammen, gab nicht auf und traf einige schwerwiegende Entscheidungen. Sie verkaufte die schweren Geräte, entließ zahlreiche Mitarbeiter und legte den Fokus auf die Arbeit, die sie am besten beherrschte: die temporäre Verkehrsregelung rundum Baustellen im Straßenbau. Nebenbei belegte sie mehrere Buchhaltungskurse, um die Unternehmensfinanzen besser zu verstehen.
Die von ihr vorgenommenen Maßnahmen zusammen mit der sich erholenden Wirtschaft sorgten für einen enormen Aufschwung. 2015 wurde Deb zur Small Business Person of the Year für Unternehmen in Montana mit mehr als 50 Mitarbeitern gekürt.
Das Fundament
Obwohl Deb ursprünglich aus Indiana stammt, erwarb sie einen Abschluss in Geographie und Raumplanung an der Universität von Montana und ließ sich dort nieder. Ihre Liebe zur Natur trieb sie in Berufe, die in den 1980er Jahren für Frauen noch recht ungewöhnlich waren wie beispielsweise Betonbauerin oder Baugutachterin.
„Ich liebe es, an Projekten zu arbeiten, bei denen man die Veränderungen Tag für Tag sehen kann“, sagt Deb über ihre Arbeit als Gutachterin. Aber sie hatte aufgrund des Davis-Bacon Act keinen Anspruch auf den üblichen Lohn und der Einkommensunterschied war erheblich. Das nagte zunehmend an ihr.
Deb begann ein dreijähriges Schulungsprogramm für schwere Gerätschaften, das von den Operating Engineers angeboten wurde, während sie gleichzeitig für die Washington Corporation tätig war. Das Unternehmen erkannte den Wert ihrer Erfahrungen in zwei Bereichen – den Umgang mit schweren Geräten einerseits und der Expertise als Gutachterin andererseits. Deb wollte nicht aus Montana wegziehen. Daher verließ sie den Bundesstaat nur, wenn die Arbeit es vorgab.
Während eines Projekts in Great Falls kam es dann zu einem Wendepunkt. „Einer der Baustellenleiter sagte: ,Du kannst das wirklich schaffen, Deb. Du könntest dein eigenes Unternehmen gründen.’“
Deb nahm sich das zu Herzen und gründete 1987 mit einer Steuerrückzahlung von 1.000 $ (848 €) Poteet Construction. „Im Laufe der Jahre würde sich die Wirtschaft ändern und ich müsste mich daran anpassen“, sagt sie. „Aber Poteet Construction wurde immer mehr zu dem Unternehmen, das ich liebe.“
Der Sprung ins kalte Wasser
2013 musste einer der Konkurrenten von Poteet Construction Konkurs anmelden und ließ zahlreiche Mitarbeiter ohne Job zurück. Obwohl sich viele an Deb wandten mit der Bitte, sie einzustellen, hatte sie hierfür leider nicht das nötige Projektvolumen. Im Gegenzug wurde Deb dann aber von mehreren wichtigen Auftraggebern kontaktiert, die ausreichend Arbeit versprachen, um ein so großes Team zu beschäftigen.
„Am 19. Mai ließen sie mich wissen, dass die Straßen des Yellowstone Nationalparks in einer Woche geöffnet sein mussten“, erzählt Deb. „Sie schickten uns einen Vertrag über 1,8 Millionen $ (1,5 Millionen €) und wir beschleunigten von 0 auf 100 in nur 48 Stunden. Sechs Monate lang bekam niemand im Managementteam genügend Schlaf. Und seitdem geht es drunter und drüber.“
Mittlerweile zählt das Unternehmen 150 Mitarbeiter und im Sommer bis zu 100 Fahrzeuge. Zusätzlich zu den Leistungen in der Verkehrsregelung hat Deb das Angebot um Konstruktionsbeton und Leitplanken erweitert. Die Projekte erstrecken sich über die Nationalparks Yellowstone und Glacier sowie über ganz Montana und Idaho.
Projekte in Nationalparks erfordern ein hohes Maß an Diplomatie in der Zusammenarbeit mit der Federal Highway Administration, dem Park Service, dem Hauptauftragnehmer und den Touristen auf der Durchreise. „Unsere Mitarbeiter müssen ab und zu wie PR-Leute kommunizieren können, um die Fragen von Touristen zu beantworten und die Autofahrer durch die Baustellen zu manövrieren“, sagt Deb. Die Führungskräfte bei diesen Projekten sind in der Regel Frauen, die Deb für geeignet hält, den Stress in der Kommunikation sowie alle anderen Aufgaben zu bewältigen.
Möglichkeiten für Frauen im Baugewerbe
Frauen sind im Baugewerbe immer noch eine Seltenheit und machen laut der OSHA (Occupational Safety and Health Administration – Arbeitsschutzbehörde in den USA) lediglich 9 % der Belegschaft aus. Von Anfang an wurde Deb ermutigt, Poteet Construction in die Liste der benachteiligten Unternehmen, die von Frauen geführt werden, aufnehmen zu lassen. Doch auch das reichte nicht aus, um Aufträge zu generieren.
„Ich habe sehr viel Hilfe beim Erlernen der Buchhaltung und beim Netzwerken bekommen“, sagt Deb. „Aber um Aufträge zu erhalten, zählen vor allem Vertrauen, Seriosität und die Qualität der Arbeit.“ Das schnelle Wachstum seit 2013 basiert vor allem auf den gut etablierten Beziehungen zu Unternehmen wie HK Contractors aus Idaho Falls. „Sie wussten, dass ich mein Wort halten werde, als ich ihnen meine Zusage gab“, erinnert sich Deb.
Laut Deb gibt es für Frauen zahlreiche Möglichkeiten, in der Baubranche aktiv zu werden und sich einen Namen zu machen. Sie würde noch weitere Frauen für ihr Team einstellen, wenn sie könnte. Dennoch ist es schwer, während der monatelangen Projektzeit nicht Zuhause zu sein. Insbesondere Frauen müssen bei Straßenbauprojekten oft Lösungen für die Betreuung ihrer Kinder finden, es sei denn, sie können sich auf einen unterstützenden Partner verlassen.
Die Familie im Mittelpunkt
Deb kennt die Herausforderungen, die die Arbeit im Baugewerbe und die Erziehung von Kindern mit sich bringen, aus eigener Erfahrung. Deb und ihre Frau Lara Dorman sind seit mehr als 20 Jahren ein Paar und Eltern von Isabelle (14) und Isaac (12). In ihrer Freizeit genießt Deb Skilanglauf, Eis- und Fliegenfischen sowie Bootsfahrten. Mit der Familie reist sie, insbesondere in den Wintermonaten, rund um den Globus, wenn weniger Projekte im Baugewerbe anfallen. Seit der COVID-19-Pandemie haben sie vor allem Montana auf Campingtrips wiederentdeckt.
Das Unternehmen gehört für Deb zur Familie – auch wenn es längst nicht mehr in den Kinderschuhen steckt.
„Es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit, in Montana gut bezahlte Arbeitsplätze zu schaffen“, sagt Deb. „Ich möchte, dass meine Mitarbeiter in der Lage sind, für sich und ihre Familien ein Haus zu kaufen, und sich dabei auf Krankenversicherung, Urlaubsgeld und Rentenansprüche verlassen können.“ Poteet Construction gilt als einer der größten Arbeitgeber in Montana und die Führungskräfte und Manager erhalten in rentablen Jahren lukrative Bonuszahlungen.
Für die Community
Deb hat auch nicht davor zurückgeschreckt, sich für die Baubranche einzusetzen. Sie war Mitglied des Vorstands der Montana Contractors Association und 2013 saß sie ihr als Präsidentin vor. „Das ist eine ziemliche Leistung in einem männerdominierten System“, kichert sie.
Deb verfolgt noch weitere Ziele, deren Ursprung größtenteils in den Herausforderungen ihres beruflichen Alltags als Unternehmerin liegt.
2008 war ein schwieriges Jahr. Die Rezession musste überwunden und das junge Unternehmen weiter finanziert werden. Obwohl Deb zahlreiche Verträge erhielt, weigerten sich die Kreditsachbearbeiter zunächst, sich überhaupt auf ein Treffen mit ihr einzulassen. Schließlich war es Verna Welch, Generaldirektorin einer Bank in Missoula, die Poteet dabei half, sich zu etablieren.
„Ich hoffe, dass ich in Zukunft andere Menschen bei der Unternehmensgründung unterstützen und sie durch die Wirren der Finanzierung und Kreditvergabe leiten kann“, sagt sie.
Deb erkennt die Leistung ihres gesamten Team bei der Erreichung der Erfolge von Poteet Construction an. Aber der wohl wichtigste Faktor für ihren Erfolg ist sicherlich ihre unaufhaltsame Entschlossenheit.
„Ich bin nicht so schnell kleinzukriegen“, versichert Deb. „Ich weiß einfach, dass es immer weitergehen wird.“