2020 eröffnete das Bauunternehmen China State Construction Engineering Corp. die landesweit erste intelligente Baustelle mit 5G, auf der verschiedenste Technologien unterstützt werden, darunter Gesundheitsanalysen der Mitarbeiter und Echtzeit-Überwachung des Standorts mithilfe von Doppelkameras mit 360-Grad-Ansicht.
Im Jahr zuvor hatte bereits der südkoreanische Mischkonzern Doosan 5G-Technologien zusammen mit Maschinensteuerung, Echtzeit-Analysen und einem vollständigen Messgerät eingesetzt, um von München aus einen Bagger im fast 8.400 km entfernten Incheon in Südkorea zu bedienen.
Dies sind zwei eindrucksvolle Beispiele, wie die Mobilfunktechnologie 5G bereits in der Baubranche eingesetzt wurde. Wie steht es allerdings um die kleineren, mittelständischen und auch großen Bauunternehmen? Sollten diese sich schon während des Netzausbaus auf den Einsatz der neuen Technologien vorbereiten?
Ganz so weit müssen sie noch nicht gehen.
Das schnelle 5G-Netz
Betrachten wir zunächst, worum genau es sich bei 5G handelt und welche Möglichkeiten die Technologie bietet. 5G ist, wie der Name schon andeutet, das Mobilfunknetz der fünften Generation, das darauf ausgerichtet ist, Menschen, Maschinen, Objekte und Geräte miteinander zu verbinden. Das Netzwerk ist vor allem für seine hohe Geschwindigkeit sowie niedrige Latenzzeiten und massive Netzwerkkapazitäten bekannt.
Die höhere Geschwindigkeit ist tatsächlich beeindruckend: 5G bietet Datenraten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde und ist somit bis zu 100-mal schneller als 4G. Mit 4G LTE bedarf es für den Download eines zweistündigen Films eine halbe Stunde. Laut Lifewire.com brauchen Sie dafür mit 5G nur 35 Sekunden.
Noch beeindruckender als die Geschwindigkeit ist jedoch die Latenzzeit (der Zeitraum zwischen dem Senden und dem Empfangen von Daten). 5G bietet eine minimale Latenzzeit von nur vier Millisekunden, kann jedoch bis auf eine Millisekunde oder sogar 1/1.000 einer Sekunde sinken. Es handelt sich somit im wahrsten Sinne des Wortes um eine Echtzeit-Verbindung.
Ein weiterer wichtiger Vorteil von 5G ist das Anwendungsprofil Massive Machine Type Communication (MTC), das die Kommunikation zwischen einer Vielzahl von Geräten ermöglicht – und das ganz ohne menschliches Zutun. „5G bietet Anschlussdichten von bis zu einer Million Geräte pro Quadratkilometer und im Vergleich zu 4G auch noch eine verbesserte Energieeffizienz“, so Dan Cunliffe, Geschäftsführer von Pangea Connected, London. „Das neue Mobilfunknetz bringt also diese drei entscheidenden Vorteile mit sich: hohe Geschwindigkeit, verbesserte Latenzzeit und dazu auch noch hochgradige Vernetzung.“
Es gibt allerdings auch einen weiteren Pluspunkt: das sogenannte Network Slicing. Network Slicing ermöglicht Anbietern von Kommunikationsdiensten, das Netzwerk aufzuteilen und somit den verschiedenen Anforderungen für die Frequenz sowie die Bandbreite von Anwendungen wie Videostreaming und dem Internet der Dinge (IdD) problemlos gerecht zu werden.
Die Bedeutung von 5G für die Baubranche
5G bietet einige offensichtliche Vorteile für Baustellen. Die Mobilfunktechnologie kann auf zuverlässige Weise für die beschleunigte Übertragung von visuellen Daten sorgen. Somit können sowohl Projektmanager und Auftragnehmer als auch Handwerker den Arbeitsprozess überwachen und diesen in Echtzeit mit der Bauwerksdatenmodellierung vergleichen.
Dank 5G und der niedrigen Latenzzeit haben Benutzer sofortigen Zugriff auf datenintensive Apps in der Cloud und sind somit bei der Berechnung von 3D-Bildern nicht von Smartphones oder Tablets abhängig. Eigentümer, Projektmanager, Architekten und Ingenieure stehen auf diese Weise stets alle notwendigen Informationen zur Verfügung, um schnelle und fundierte Entscheidungen treffen zu können.
„Mit dieser Technologie können Unternehmen auch die klügsten Köpfe in ihren Bauvorgang einbeziehen, ohne dass diese die Baustelle betreten müssen“, erklärt Cunliffe.
Aufgrund der skalierbaren Abdeckung einer Fläche können Bauunternehmen die Gesundheit, den Standort, den Status sowie die Daten der Mitarbeiter und der Objekte überwachen, um die Einhaltung der Bestimmungen nachzuverfolgen und die Effizienz der Lieferkette zu verbessern. Dank der vorausschauenden Wartung können Betreiber potenzielle Ausfälle schon frühzeitig vermeiden.
„Hat dieses Gerät, das ich benutzen möchte, seine Belastungsgrenze bald erreicht? Stellt es ein Risiko für die Person dar, die es benutzt? Wenn die Betreiber mehr über die Toleranzen der Ausrüstung sowie die Vibrationen und Temperaturen erfahren, denen Geräte ausgesetzt wurden, sind sie in der Lage, mögliche Probleme bereits vor der Entstehung vorherzusagen“, fügt Cunliffe hinzu.
Die Zugangsbarrieren
Trotz der vielen Vorteile stehen der Implementierung von 5G auf Baustellen drei Probleme im Weg, die dafür sorgen, dass das volle Potenzial dieser Mobilfunktechnologie noch nicht vollumfänglich ausgeschöpft werden kann.
Eines der größten Probleme stellt weiterhin die Datensicherheit dar. 5G erhöht das Risiko von Datensicherheitsproblemen, da das Netzwerk im Wesentlichen auf Software und nicht auf Hardware beruht. Dies hat zur Folge, dass noch mehr Daten benötigt werden, um die Sicherheit der Verbindungen, Anwendungen und Geräte zu gewährleisten.
Die nötigen Finanzierungsmittel für die 5G-Netzabdeckung auf der Baustelle stellen allerdings ein dringenderes Problem dar. „Damit die drei wichtigsten Vorteile auch bestmöglich ausgenutzt werden können, bedarf es einer entsprechenden Infrastruktur“, erläutert Cunliffe. „Aber die fehlenden Investitionen in die flächendeckende Abdeckung halten uns weiterhin von der erfolgreichen Implementierung von 5G ab.“
Mike Ernst, Vice President of Insights and Innovation bei Ryan Cos., Chicago, stimmt Cunliffe zu. „Bei der Nutzung von 5G in einem Gebäude, das sich noch im Bau befindet, treten einige Probleme auf“, so Ernst. „Es werden auf fast allen Etagen Mikrosender benötigt. 5G ist noch nicht für die Anwendung in einer dynamischen Umgebung bereit – die Reichweite und die Flexibilität stellen hierbei Knackpunkte dar.“
[EBENFALLS AUF BUILT: Der Beitrag von Bluebeam zur Umweltverträglichkeit im Jahr 2020 in Bildern]
Hinzu kommt noch ein weiteres kritisches Problem, für das es möglicherweise keine einfache Lösung gibt: Das 5G-Signal kann manche Hindernisse nur sehr schwer durchdringen, einschließlich Materialien, die häufig im Baugewerbe verwendet werden, wie Beton, Stahl und behandeltes Glas.
„Viele der Technologien, die wir hier auf unseren Baustellen verwenden, sind schon einsatzbereit für die Implementierung von 5G – vor allem die datenintensiven Technologien wie Videostreaming“, fügt Ernst hinzu. „Auf diese Weise könnten mehrere Zielgruppen einen transparenten Einblick in den Bauvorgang sowie Informationen zu den Prozessen erhalten und bei den Entwicklungen des Projekts, einschließlich der Umweltbedingungen, immer auf dem Laufenden sein. Wir haben jedoch weiterhin Probleme, diese Technologie skalierbar zu machen.“
„Baustellen verändern sich ständig und sind nicht unbedingt darauf ausgerichtet, vom ersten Tag an eine gute und stabile Internetverbindung zu bieten“, erklärt Ernst. „Auch wenn mich die erhöhte Geschwindigkeit und die schnellere Datenübertragung von 5G beeindrucken, bin ich sehr enttäuscht von der Reichweite. Ich habe das Gefühl, dass ein Stück Papier ausreichen würde, um das Signal zu unterbrechen.“
Ernst berichtet außerdem, dass Ryan Companies nicht nur statische Kameras verwendet, die rund um die Uhr den gleichen Bildausschnitt überwachen, sondern auch Kameras, die Computer Vision nutzen. Mithilfe dieser Technologie wird Bildmaterial verarbeitet und ausgewertet, sodass erkannt werden kann, ob die Mitarbeiter ihre Schutzbrillen und -helme tragen und wie viele Handwerker gleichzeitig auf der Baustelle arbeiten. Ernst möchte diese Ausrüstung um den regelmäßigen Einsatz von Laserscannern sowie Uploads in Echtzeit erweitern, damit die Bedingungen auf der Baustelle aufgezeigt und die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Handwerkern verbessert werden kann.
Momentan ist die 5G-Technologie jedoch noch längst nicht so weit wie bisher angekündigt – abgesehen von einigen Einzelfällen unter kontrollierten Bedingungen zu Demonstrationszwecken. Sobald die Mobilfunktechnologie allerdings diese Lücke zwischen Theorie und Praxis geschlossen hat, werden sich unendlich viele Möglichkeiten eröffnen.