Die Öl- und Gasindustrie ist ebenso wie das Baugewerbe ein äußerst komplexer Geschäftszweig. So müssen verschiedene Beteiligte effektiv zusammenarbeiten können, damit ein Projekt tatsächlich rentabel wird. Angesichts des wachsenden internationalen Konkurrenzdrucks, der auf nordamerikanischen Öl- und Gasunternehmen lastet, suchen Unternehmen in dieser Region ständig nach Möglichkeiten, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Digitale Markierungs- und Kollaborationswerkzeuge wie Bluebeam ermöglichen es Unternehmen, sich diesen entscheidenden Vorsprung zu verschaffen. Built hat sich mit Duane Gingras, Projektingenieur bei Bantrel Co. im kanadischen Edmonton, über die größten Herausforderungen der Branche unterhalten. Außerdem hat er uns erläutert, wie kontinuierliche technologische Fortschritte das Wachstum der Branche auch in Zukunft gewährleisten können. Nachfolgend finden Sie bearbeitete Auszüge aus diesem Gespräch.
Built: Wie haben Sie den Weg in die Öl- und Gasindustrie und zu Ihrer aktuellen Tätigkeit gefunden?
Gingras: Ich wohne in Alberta, wo die Mehrzahl der Menschen von Öl und Gas lebt. Da ich einen Studienabschluss in zellulärer Biotechnologie habe, war mein ursprünglicher Plan, im Bereich der Bioremediation zu arbeiten, doch da werden nicht viele Stellen angeboten. Meine Chancen in der Öl- und Gasindustrie sahen hingegen sehr vielversprechend aus.
Built: Sind Sie in Edmonton aufgewachsen und waren vor Ihnen bereits andere Familienmitglieder in der Öl- und Gasindustrie tätig?
Gingras: Nein. Aufgewachsen bin ich auf einer Farm außerhalb von Edmonton. Der Rest meiner Familie arbeitet im Handwerk, sodass ich eher das schwarze Schaf der Familie bin. Ich bin der Einzige in meiner Familie, der zur Uni gegangen ist. Zuerst habe ich Naturwissenschaften studiert, habe mich dann aber für die Ingenieurwissenschaften entschieden.
Built: Was gefällt Ihnen am besten an der Arbeit in dieser Branche?
Gingras: Bevor ich in die Projektentwicklung kam, war ich in der Verfahrenstechnik tätig und dort geht es eigentlich nur darum, jeden Tag ein anderes Problem zu lösen. Besonders wenn man vor Ort in einer Anlage arbeitet, tauchen immer wieder neue Herausforderungen auf. Manchmal gibt es eine sehr einfache Lösung, manchmal muss man erst noch ein paar Nachforschungen anstellen. Es macht Spaß, in einem Beruf zu arbeiten, in dem man sein Gehirn ein wenig trainieren kann. Die Arbeit in der Projektentwicklung fühlt sich dagegen eher an wie einen Sack Flöhe hüten.
Aus akademischer Sicht gefällt mir die Arbeit jedoch gut. Die meisten Menschen, die im Ingenieurwesen tätig sind, arbeiten gerne mit Zahlen. Im Arbeitsalltag stellt man dann auch viele Berechnungen an und trainiert somit die Fähigkeiten, die man gelernt hat. Ich mag es, wenn man sein Know-how für Lösungen nutzen kann, die anschließend in der Praxis umgesetzt werden.
Built: Welche aktuellen Trends in der Öl- und Gasindustrie rauben jemandem in Ihrer Position den Schlaf?
Gingras: Der Zeitaufwand ist derzeit ein großes Problem. Da wir bei Ausschreibungen im Wettbewerb mit Unternehmen aus aller Welt stehen, müssen wir uns darum bemühen, effizienter zu werden. In anderen Ländern, die auf dem gleichen Markt aktiv sind, werden niedrigere Löhne gezahlt. Da jedoch die Lebenshaltungskosten in den USA und Kanada so hoch sind, ist es schwierig, in diesem Bereich mit anderen zu konkurrieren. Stattdessen müssen wir uns durch Effizienz und Geschwindigkeit differenzieren. Wir sind deshalb ständig auf der Suche nach Möglichkeiten zur Zeiteinsparung und dies war auch einer der Hauptgründe, warum wir uns für Bluebeam entschieden haben.
Built: Was war in den letzten 20 Jahren die größte spürbare Veränderung in Ihrem Arbeitsfeld, die durch Technologie ausgelöst wurde?
Gingras: In den letzten 20 Jahren konnten wir unseren Zeitaufwand enorm reduzieren, was heute für viele allerdings zur Selbstverständlichkeit geworden ist. Dass die Arbeitsabläufe in der Öl- und Gasindustrie, aber auch im Architekturbereich so viel schneller geworden sind, liegt zu einem erheblichen Maß an der Umstellung von Papier auf digitale Formate. Oft kriegen wir zu hören: „Für die Erstellung von Markierungen braucht man in Bluebeam genauso viel Zeit wie auf Papier.“ Das ist zwar nicht ganz falsch, aber der Zeitaufwand für die Weitergabe dieser Informationen oder für Überarbeitungen und Aktualisierungen ist schon deutlich reduziert.
Bei den alten papierbasierten Systemen musste man seine Entwürfe zum Teil noch per Post an Partnerunternehmen schicken oder jemand musste einen ganzen Nachmittag opfern, um großformatige Scans von den ganzen Bauplänen anzufertigen. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen, denn Markierungen werden elektronisch eingefügt und mit ein paar Klicks weitergeleitet. Doch das ist nur einer von vielen Vorteilen. Wir profitieren auch von Verbesserungen unserer Büroinfrastruktur. Microsoft hat Office 365 und die Azure-Plattform für die innerbetriebliche Zusammenarbeit enorm optimiert. Statt LAN-basierter Systeme werden nun SharePoint-basierte Systeme implementiert. Von dem automatischen Versionsverlauf und der Versionskontrolle sowie den forensischen Prüffunktionen hätten wir in der Vergangenheit nur träumen können.
Wenn mir heute ein Projektingenieur sagt, er braucht eine Kopie aller Baupläne, die vor sechs Monaten aktuell waren, kann ich dieser Anfrage mit einer schnellen SharePoint-Abfrage ganz leicht nachkommen. Alle benötigten Pläne stehen im Handumdrehen zur Verfügung, was mit einem papierbasierten Dokumentenmanagement niemals so schnell möglich wäre. Es wurden also viele kleine Verbesserungen eingeführt, die jedoch insgesamt zu massiven Zeiteinsparungen geführt haben. Wie erwähnt wird dieser Fortschritt nun als Selbstverständlichkeit angesehen und manchen geht es immer noch nicht schnell genug.
Built: Wie, denken Sie, wird die technologische Entwicklung in Ihrer Branche weitergehen? Viele reden heutzutage beispielsweise über das Potenzial von KI. Wie sieht das in Ihrem Team aus? Machen Sie sich darüber ebenfalls Gedanken? Sehen Sie potenzielle Anwendungsfälle dafür?
Gingras: Bis zu einem gewissen Grad. Wir sehen eine begrenzte Anwendbarkeit von KI, da KI nicht smart ist. Ich denke, sie wird fälschlicherweise als Wunderwaffe dargestellt, die uns mit einer synthetischen Intelligenz für unsere Arbeitsprozesse versorgt. KI ist für mich im Moment lediglich eine glorifizierte Suchmaschine. Es wäre möglich, dass KI uns bei der Arbeit mit einigen Datenbanken helfen kann, deren Verarbeitung uns Menschen schwerfällt. Wir versuchen aktuell, einige Möglichkeiten zu erkunden, um unsere Datenbestände besser zu nutzen. Für uns Menschen sind diese Datenvolumen einfach zu groß, um sie sinnvoll zu analysieren.
Ich denke, dass wir mit einer KI-gestützten Lösung die Möglichkeit hätten, flexibler mit diesen Daten zu arbeiten, oder ein besseres Wort wäre vielleicht freier. Frei in dem Sinn, dass ich der KI eine Frage stellen und sie anleiten könnte, diese Frage weiterzuspinnen, um zu sehen, ob sie relevante Ergebnisse liefern kann, an die ich im Front-End Engineering and Design normalerweise nicht denken würde. Wenn man in einer Anlage arbeitet, könnte ich mir vorstellen, KI zur Verarbeitung der Prozessdaten einzusetzen, die dort erfasst werden. Daran tüfteln bestimmt gerade viele Unternehmen in unserer Branche. Und ich bin sicher, dass Unternehmen wie Emerson bereits Möglichkeiten erproben, um KI zur Prozessverbesserung in aktiven Anlagen einzusetzen.
Was andere Technologien betrifft, so werden uns meiner Meinung nach Lösungen der nächsten BIM-Generation die größte Hilfe sein. Dabei denke ich noch nicht einmal primär an KI-basierte Lösungen, denn künstliche Intelligenz wird in puncto Kreativität niemals mit dem menschlichen Gehirn konkurrieren können, auch wenn KI heutzutage noch so ausgefallene Bilder generiert. Die menschliche Fähigkeit, Verbindungen zwischen eigentlich zusammenhanglosen Gedanken herzustellen, bleibt in unserem Arbeitsbereich auch weiterhin sehr wichtig. Da BIM-Lösungen im Verlauf der letzten zehn Jahre bedeutend optimiert wurden und wir uns eher dem Prinzip der modellbasierten Entwurfserstellung zuwenden, denke ich, dass wir in dem Bereich durch entsprechende Technologien viele Verbesserungen erzielen werden.