Stellt die Baurobotik die Zukunft der Branche dar?

Das Baugewerbe hinkt bei der Einführung neuer Technologien hinter vielen anderen Sektoren hinterher. Könnte die Robotik die Antwort auf den Fachkräftemangel in der Branche sein und für erhöhte Produktivität und Qualität bei Bauprozessen sorgen?

Künstliche Intelligenz begeistert und beängstigt zugleich. Mit der Skepsis gegenüber technologischen Neuheiten geht die Sorge einher, dass KI und Co. uns eines Tages ersetzen könnten.

Die Vorstellung, dass Roboter bald an die Stelle des Menschen treten könnten, ist im Science-Fiction-Genre (sowohl im Buch- als auch im Filmformat) schon seit jeher präsent. In einigen Branchen ist die Verdrängung menschlicher Arbeitskraft durch Robotertechnik heute jedoch praktisch Realität.

Die Automobilbranche greift schon seit Jahren auf computerprogrammierte Roboter im Rahmen der Produktfertigung zurück, wobei die Technik erstmals in Japan in den 1960ern eingesetzt wurde. Auch in anderen Bereichen wie etwa in Vertriebszentren wurde der Schritt gewagt. Mit Sicherheit haben auch Sie schon einmal Aufnahmen von Robotern gesehen, die in einem riesigen Lagerhaus umhersausen und Produkte für den Versand vorbereiten.

Einer der Sektoren, der bei der Einführung von Robotertechnik (und in Sachen Technologie im Allgemeinen) ein wenig hinterherhinkt, ist das Bauwesen. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen hat das Baugewerbe moderne Ansätze bisher nur sehr zögerlich übernommen.

Baurobotik und der Fachkräftemangel

Die Vorfertigung beschleunigt vielerlei Formen von Bauprojekten und gewährleistet dank der erstklassigen Herstellungsbedingungen Fabrikqualität. Und angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Branche und der steigenden Nachfrage nach der Pandemie wird der Einsatz von Technologie definitiv zunehmen.

Die Technologienutzung steckt jedoch immer noch in den Kinderschuhen. Die Branche ist nach wie vor auf eine große Anzahl von Fachkräften angewiesen, um Bauvorhaben in die Tat umzusetzen.

Während sich ein höheres Maß an Automatisierung zwar positiv auf die Produktivität des Sektors auswirken könnte, sind die Meinungen nach wie vor gespalten. Die Branche ist sich weiterhin uneins, in welchem Maße neue Technologien eingesetzt werden sollten. Einige Unternehmen befürworten sie, viele andere lehnen sie jedoch strikt ab.

Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung KPMG von 2019 setzen von den 20 % der Bauunternehmen, die sich selbst als „technologiebereit“ betrachten (KPMG bezeichnet diese Unternehmen als „Innovationsführer“), 86 % Bauwerksdatenmodellierung (BIM), 72 % Drohnen und 10 % Bauroboter ein.

Im Vergleich zu den unteren 20 % der Unternehmen, die KPMG als „rückständig“ in Bezug auf Technologie einstuft, zeichnen die Zahlen für dieselben Kriterien ein eher düsteres Bild: 28 %, 3 % bzw. 0 %.

Veränderungen liegen in der Luft

ABB, führender Anbieter von Industrierobotern, prognostiziert, dass sich dies jedoch ändern wird. Eine von ABB im vergangenen Jahr veröffentlichte Umfrage unter 1.900 großen und kleinen Bauunternehmen in Europa, den USA und China ergab, dass 81 % der befragten Unternehmen planten, Robotik im kommenden Jahrzehnt entweder einzuführen oder deren Einsatz zu verstärken.

Zugegebenermaßen hätten wir es hier mit einer ziemlich niedrigen Ausgangsbasis zu tun. Laut ABB gaben nur 55 % der Bauunternehmen an, Roboter zu verwenden, verglichen mit 84 % in der Automobilindustrie und 79 % in der Fertigung. Dies ist ein klares Indiz dafür, dass im Baugewerbe Aufholbedarf besteht.

Zahlreiche Baufirmen erkennen zwar die Notwendigkeit, die betriebliche Effizienz zu steigern, insbesondere in Anbetracht des gravierenden Fachkräftemangels. Dennoch ergeben Umfragen häufig, dass Unternehmen den Einsatz von Industrierobotern oder anderen neuen Technologien nicht priorisieren, vor allem wegen der damit verbundenen Kosten.

Wenn die Bauindustrie deutliche Produktivitätssteigerungen erzielen will, müssen mehr Technologien eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist die Einsicht, dass die Einbindung von roboterbasierten Systemen bei gewissen Aufgaben zu besseren Ergebnissen führen kann.

Brian Ringley, Construction Technology Manager beim Roboterhersteller Boston Dynamics, weist darauf hin, dass es bei 85 % aller Bauprojekte zu Überschreitungen in Bezug auf das Budget kommt. Roboter, so argumentiert er, könnten diese Quote senken. Sie würden Aufgaben wie Baustellenkontrollen und Qualitätssicherungen übernehmen, sodass sich die Mitarbeitenden auf andere, kreativere, weniger repetitive und oft auch sicherere Aufgaben konzentrieren könnten. Dies wäre auch in puncto fristgerechte Abschlüsse von Projekten von Vorteil.

Zu diesem Zweck entwickelten Ringley und sein Team einen hundeähnlichen Roboter namens „Spot“, der mit Kameras und Datenerfassungstechnik ausgestattet ist und auf der Baustelle nach dem Rechten sieht. „Die Arbeit ist langweilig und für einen Menschen ist es äußerst schwierig, sie so präzise auszuführen wie für einen Roboter“, argumentiert er.

Vor- und Nachteile von Baurobotern

Der Einsatz von Robotern auf der Baustelle liefert eindeutig einen Mehrwert. Roboter sind bei einigen Aufgaben rund um die Uhr einsetzbar, benötigen keine Mittagspausen und erhöhen die Sicherheit der menschlichen Arbeitskräfte, indem sie komplexere Aufgaben mit höherem Verletzungsrisiko übernehmen. Nicht zuletzt können sie auch, so argumentieren einige, präzisere Ergebnisse liefern.

Zu den Nachteilen von Baurobotern gehört, dass sie nicht improvisieren können. Sie können nur das tun, wozu sie programmiert wurden. Außerdem sind die Anschaffungskosten teils beträchtlich, je nach Schätzung zwischen 50.000 USD (ca. 49.000 EUR) und 150.000 USD (ca. 146.000 EUR). Diese Nachteile werden kleinere Unternehmen sicherlich davon abhalten, in Robotertechnologie zu investieren.

Nicht zuletzt wird auch befürchtet, dass einige qualifizierte Arbeiten wie Maurerarbeiten verschwinden könnten, wenn Mauerroboter verstärkt eingesetzt werden. Wenn 3D-Betondrucker zur Verfügung stehen, die es ermöglichen, dass Häuser oder Bürogebäude doppelt so schnell errichtet werden können, könnten sich die erforderlichen Arbeitskräfte auf der Baustelle auf 3D-Maschinenbetreiber:innen und einige Qualitätsprüfer:innen beschränken.

Es gibt keinerlei Zweifel daran, dass die Robotik weitere Fortschritte machen wird. Und sie wird eine Unterstützung beim Entwurf und der Errichtung von Gebäuden darstellen.

Letztendlich werden Bauroboter dem Menschen jedoch nie ganz das Zepter aus der Hand nehmen können.

Fantasie, Kreativität und das richtige Gespür sind Eigenschaften, die uns auszeichnen. Auch wenn Produktivitätssteigerungen im Baugewerbe anvisiert werden müssen, sind und bleiben Einfallsreichtum, Visionen und künstlerische Ambitionen essenziell.

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