Video von Justin Gaar
„Hey Leute, ich bin’s“, ruft Lashanna Lintamo fröhlich in die Kamera ihres Smartphones, das sie etwas wackelig auf ihren Arbeitsplatz ausrichtet hat. Im Hintergrund hört man laute Baustellengeräusche.
Sie trägt eine dunkle Sonnenbrille, einen weißen Schutzhelm, mehrere Sweatshirts übereinander und eine Sicherheitsweste. Darüber sind ihre voluminösen Dreadlocks, die weit über ihre Schultern reichen, eng zusammengewickelt. Lintamo nutzt ihre kurze Pause bei der Arbeit, um ihren YouTube-Abonnenten eine Frage zu beantworten, die den Großteil ihres Lebens bestimmt hat:
Sollten Frauen Schweißerinnen werden?
„Hier wird nicht nur geschweißt, Ladies“, berichtet Lintamo im Video mit einem strahlenden, enthusiastischen Lächeln. „Ihr werdet Balken aufstellen. Ihr werdet Rohrleitungen verlegen, wusstet ihr das? Ihr werdet I-Träger einsetzen. In dem Job werdet ihr alle möglichen Dinge tun.“
„Versucht nicht einfach nur, eine gute Schweißerinnen zu sein“, fügt Lintamo am Ende ihres etwa anderthalb minütigen Videos hinzu. „Ihr müsst darauf vorbereitet sein, da draußen genauso hart zu arbeiten wie die Jungs, verstanden?“
In einem anderen Video auf ihrem Kanal „The Fashion Welder“ spricht Lintamo in die Kamera, während sich ihr über 90-jähriger Großvater im Hintergrund gerade über einige Holzbretter beugt. „Wieder einmal bei meinem Opa“, erzählt Lintamo den Zuschauern. „Hier habe ich meine handwerklichen Fähigkeiten her.“
Lintamos YouTube-Kanal hat nach den meisten konventionellen Maßstäben eine bescheidene Reichweite. Die Zahl ihrer rund 400 Abonnenten mag im großen Universum des Internets winzig erscheinen, aber ihre Inhalte zu den Themen Schweißen, Mode, Kultur, Kochen und Spiritualität hinterlassen zweifellos Eindruck.
Das zeigen die Kommentare, die ihre Videos erhalten.
„Ich fange bald mit der Schweißerschule an … BIN SO NERVÖS. DU BIST KLASSE!“, heißt es in einem Kommentar. „Wir brauchen mehr wie dich, Chica“, steht in einem anderen, der noch mit einem muskulösen Arm und einem Herz-Emoji versehen ist.
Als schwarze Schweißerin und Metallbauerin ist Lintamo nicht unbedingt eine beispielhafte Vertreterin ihres Berufs. Mit ihrer Social-Media-Präsenz auf Plattformen wie Facebook und Instagram möchte sie andere Frauen für das Baugewerbe begeistern. Sie nutzt diese Kanäle außerdem, um noch umfangreichere Vorhaben und Ziele voranzubringen.
Dazu gehören Medienprojekte mit anderen schwarzen Beschäftigten in ihrem Beruf, eine aufstrebende Modemarke, eine Medienplattform für schwarze Kreative, die Einrichtung einer Kinderbetreuungsstätte und der Aufbau eines Ausbildungsprogramms in Äthiopien.
„Ich habe viel zu tun, aber das hält mich auf Trab“, sagt Lintamo, die auch verheiratet ist und einen 4-jährigen Sohn hat. „Ich bin Unternehmerin. Ich bin selbstständig. So ist das eben.“
Es liegt in der Familie
Schweißen ist für Lintamo nicht nur ein Beruf, es liegt ihr im Blut.
Ihr entfernter Urgroßvater, der zu Zeiten des Sklavenhandels lebte, war Schmied. Ihre Urgroßmutter baute während des Zweiten Weltkriegs Schiffe an der Heimatfront.
„Ich habe dieselben Schiffe wieder auseinandergenommen. Das war auf Mare Island in Vallejo, Kalifornien“, berichtet Lintamo. „Sie baute sie also zusammen und ich nahm sie wieder auseinander.“
Auch Lintamos Großvater ist Schweißer und hat sich das Handwerk selbst beigebracht.
Lintamo erzählt, dass sie zum ersten Mal im Alter von etwa 3 Jahren mit dem Handwerk in Berührung kam, als sie Zeit bei ihrem Großvater verbrachte. Ihre früheste Kindheitserinnerung: der Ausbruch eines kleinen Feuers, während ihr Großvater gerade arbeitete.
„Ich schnappte mir den Wasserschlauch und löschte das Feuer“, so Lintamo. „Ich war nur ein kleines Mädchen, das mit Wasser herumspielte. Aber als mein Opa seine Haube anhob, war er dermaßen stolz auf mich. Er nennt mich gerne ‚kleines Schlitzohr’. ‚Na, du kleines Schlitzohr, was machst du da?’, fragte er mich damals. Und ich antwortete: ‚Opa, ich bin Feuerwehrfrau.’ Diese Geschichte erzählt er immer gerne.“
Nachdem Lintamo die Highschool im Großraum Sacramento abgeschlossen hatte, wurde die Arbeit im Baugewerbe von einem passiven Kindheitsinteresse zu einem konkreten Berufsweg. „Mein Großvater, mein Onkel und mein Vater nahmen mich zur Seite und meinten zu mir, dass sich die Wirtschaft verändere und ich ein Handwerk bräuchte.’“
Lintamo meldete sich bei einem Vorausbildungsprogramm vom Cypress Mandela Training Center Inc. im nahegelegenen Oakland an und machte binnen sechs Monaten ihren Abschluss. „Wir haben dort eine Menge gelernt und an vielen anspruchsvollen Trainings- und Schulungseinheiten teilgenommen“, erzählt Lintamo. „Dort habe ich meine erste Qualifikation erworben.“
Wie die meisten, die im Baugewerbe Fuß fassen wollen, machte sich Lintamo nach ihrer Vorausbildung auf die Suche nach einem örtlichen Verband. Sie schaffte es, den Local 342 Plumbers & Pipefitters im kalifornischen Concord beizutreten, da sie zu den wenigen gehörte, die die strenge Aufnahmeprüfung und das Vorstellungsgespräch bestanden.
Ihr erstes Projekt war die BART-Station Dublin, wo sie für den Vorarbeiter Gusseisen zerschlagen musste. „Meine Güte, das war so schwer, das war so heiß“, erinnert sich Lintamo. „Es war chaotisch, aber ich bekam auch zum ersten Mal die Chance, richtiges Industrieschweißen zu sehen.“
Diese Erfahrung inspirierte Lintamo dazu, sich ernsthaft mit dem Handwerk zu beschäftigen. Ihr nächstes Projekt in einer örtlichen Chevron-Raffinerie gab Lintamo die Möglichkeit, erfahrene Schweißer bei der Arbeit zu erleben. „Sie haben mich unter ihre Fittiche genommen und ich konnte einen echten Eindruck vom professionellen Schweißen gewinnen“, erzählt sie. „Ich habe viele Stunden damit verbracht, den alten Hasen bei den Turnarounds in der Raffinerie zuzusehen. Das war der Moment, in dem ich anfing, mich intensiv damit zu beschäftigen und mich weiterzubilden.“
Sie belegte schließlich einen einsemestrigen Kurs am Yuba College, das etwa 70 km nördlich von Sacramento entfernt ist. Nach ihrem Abschluss wagte sich Lintamo als Schweißerin auf Baustellen und entschied sich letztendlich dazu, als Freiberuflerin zu arbeiten, anstatt einem Verband beizutreten. „Ich wollte mich nicht einschränken lassen“, sagt sie. „Ich bin einfach ein abenteuerlustiger Mensch.“
Es gab einen weiteren Grund, warum sich Lintamo nicht auf einen Verband einlassen wollte.
Da sie in der Regel die einzige schwarze Frau auf der Baustelle war, wurde sie oft gemobbt. „Wenn du eine Zeit lang auf der Baustelle arbeitest, hast du irgendwann genug von den Streitereien und davon, immer wieder kritisiert und runtergemacht zu werden“, berichtet Lintamo. „Man ist es irgendwann leid, immer zu weinen, weil man in den Augen der anderen nicht gleichwertig ist. Deshalb habe ich mich als Schweißerin selbstständig gemacht.“
„Eine Frau zu sein und noch dazu eine schwarze Frau zu sein, ist in dieser Branche kein Zuckerschlecken“, erzählt sie weiter. „Es gibt nur sehr wenige von uns, also muss man etwas härter arbeiten, besonders wenn man sich gegen schwerfällige Männer oder Leute mit Beziehungen in der Branche durchsetzen will.“
Abbau von Barrieren
Lintamo hat ihre eigenen Kontakte auf eine Art und Weise geknüpft, die den meisten in ihrem Alter Unbehagen bereiten würde.
„Jemand hat mich neulich erst gefragt: ‚Wie kommst du an deine Aufträge? Wie vermarktet man sich als Schweißerin und bringt die Leute dazu, einem zu vertrauen?’“, so Lintamo. „Ich habe ihr nur geantwortet: ‚Mädel, du musst da reingehen und dir den Job nehmen.’“
Und genau das hat sie auch getan.
„Ich finde heraus, wer der Chef ist – also wer die Hosen anhat und die Entscheidungen trifft“,erzählt sie.
„Ich gehe dann einfach in das Büro und frage nach dieser Person. Das mache ich, weil man am Telefon immer abgewimmelt wird. Da hast du keine Chance. In einem persönlichen Gespräch habe ich die Chance, diese Mauer zu durchbrechen. Ich habe dann die Gelegenheit, Augenkontakt herzustellen, wenn die Person um die Ecke biegt, und ihr einen festen Händedruck zu geben. Ich stelle mich vor, denn wenn man ein Gesicht zu deinem Namen hat, wird man dich nicht so schnell vergessen.“
Lintamos Pitch ist simpel.
„Wann ist Ihr nächster Arbeitseinsatz? Mein Werkzeug liegt im Auto. Ich kann sofort loslegen. Der Tank ist voll. Wir können direkt starten. Sie können mit mir nur gewinnen.“
Dieser Ansatz hat Lintamo geholfen, sich die unterschiedlichsten Schweißaufträge zu sichern – von Luxuswohnungen bis hin zu Hotels und Kirchen. Die einzige schwarze Frau zu sein, bleibt auf den meisten Baustellen dennoch ein Kampf.
„Das ist der Kampf, dem ich mich als Schweißerin stellen muss“, sagt sie. „Deshalb habe ich mich selbstständig gemacht, weil ich kein Team hinter mir hatte. Ich habe mich immer auf mich alleine gestellt, beiseitegeschubst, kleingemacht und ausgenutzt gefühlt.“
„Die Vergütung, die ungleiche Bezahlung und auch die ungleiche Behandlung bis hin zu Sexismus, Belästigung, Rassismus – das nimmt einen ganz schön mit“, fügt Lintamo hinzu. „Damit habe ich schon mein ganzes Leben lang zu tun.“
Solche Ungerechtigkeiten haben Lintamo nicht davon abgehalten, regelmäßig Aufträge an Land zu ziehen. Sie sagt, dass ihre Erfolgsbilanz und ihre hartnäckigen, unermüdlichen Networking-Bemühungen es ihr ermöglicht hätten, Jobs zu bekommen, für die sie sonst nie berücksichtigt worden wäre. Sie sagt auch, dass sie dankbar sei, auf ihrem Weg so viele Mentoren getroffen zu haben, die ihr bei der Entwicklung ihrer Karriere geholfen haben.
Größere Ziele
Lintamo ist fest davon überzeugt, dass mehr Frauen – ganz besonders schwarze Frauen – ihrem Vorbild folgen und sich dem Handwerk zuwenden sollten. „Tatsächlich sind wir diejenigen, die richtig Geld verdienen“, so Lintamo. „Einige verdienen pro Stunde 75 $ (64 €) oder 65 $ (55 €) oder 100 $ (85 €). Aber darüber spricht niemand, das lernt man auch nicht in der Schule.“
Wer einen handwerklichen Beruf erlernt, der erwirbt nicht nur fachliche Qualifikationen, sondern auch Fertigkeiten für den Alltag. „Fertigkeiten, die essenziell sind“, betont Lintamo. „Ich ermutige jeden, einen handwerklichen Beruf zu ergreifen, um etwas Wichtiges fürs Leben zu lernen.“
Für Lintamo ist das Schweißen weit mehr als ein Handwerk oder ein Beruf. Es ist ein Lifestyle, der ihr die Möglichkeit bietet, nach noch Größerem und Bedeutungsvollerem zu streben. Das Schweißen, sagt sie, habe ihr dabei geholfen, zu begreifen, dass sie buchstäblich alles schaffen kann.
„Das Ergebnis seiner Arbeit vor sich zu sehen, ist ein großartiges Gefühl“, so Lintamo. „Manchmal geht man dabei auch durch die Hölle. Die Arbeit ist zum Teil wirklich hart und eine echte Herausforderung, sowohl körperlich als auch mental. Aber es gibt keine bessere Belohnung, als sich etwas anzusehen, das man selbst gebaut hat, und sich sagen zu können: ‚Das hast du gemacht. Du ganz allein.‘“