Mit Frauenpower zu mehr Vielfalt im Baugewerbe

Schwarze Frauen sind in der Baubranche unterrepräsentiert. Die National Association of Black Women in Construction will das ändern.

Laut Ann McNeill, die Gründerin und Vorsitzende der National Association of Black Women in Construction (NABWIC), legt die Gemeinschaft den Grundstein für den Erfolg der Einzelnen. Entsprechend engagiert sich ihre Organisation bereits seit 1991 aktiv für den Aufbau einer Community für schwarze Frauen in einem Umfeld, das häufig als isolierend empfunden wird.

McNeill, die auf Umwegen ins Baugewerbe kam, wollte schwarzen Frauen neue Möglichkeiten zur gegenseitigen Förderung und Motivation eröffnen. Sie initiierte Networking-Veranstaltungen, Mentoring-Angebote und andere Programme mit dem Ziel, andere Frauen mit ihrer Begeisterung für die Bauindustrie anzustecken.

Vom Quereinstieg zur erfolgreichen Existenzgründung

McNeill begann ihre Laufbahn als Büroangestellte in einem Job, der rein gar nichts mit der Baubranche zu tun hatte. „Eigentlich bin ich studierte Buchhalterin mit einem Master in Finanzwissenschaft“, erzählt sie. „Mit dem Thema Bau habe ich mich erst nach dem College befasst, nachdem mein Mann und ich unser erstes Eigenheim erworben hatten.“

Es dauerte nicht lange, bis McNeill und ihr Mann ihre gemeinsame Leidenschaft für das Baugewerbe entdeckten und in Immobilien zu investieren begannen. „Wir haben das Gebäude auf der anderen Straßenseite gekauft, dann das Gebäude ein paar Häuser weiter und kurz darauf gehörten uns drei oder vier Gebäude an derselben Straße.“

Da die Gebäude sanierungsbedürftig waren, eigneten sich die Eheleute zunächst entsprechende Grundkenntnisse an. „Wir sind in die Bibliothek gegangen und haben uns das erforderliche Wissen angelesen“, erinnert sich McNeill. „Als wir die Reparaturen dann in Eigenregie gemacht haben, wurde uns sehr schnell bewusst, wie viel Geld wir sparen konnten.“

Aus dem Bestreben heraus, dieses Einsparpotenzial durch kluge Finanzentscheidungen zu vervielfachen, tauchte McNeill dann tiefer in die Materie ein. Eines Tages ließ ihr Mann die Bemerkung fallen, dass es rückblickend womöglich sinnvoller gewesen wäre, ein Handwerk zu erlernen.

„Uns war immer eingetrichtert worden, dass wir aufs College gehen und studieren sollten, um später eine gute Stelle in der Wirtschaft zu bekommen“, so McNeill. „Aber viele der Handwerker, mit denen wir zu tun hatten, haben ihr Studium nicht abgeschlossen oder waren überhaupt nie aufs College gegangen. Zum Teil hatten sie nicht mal einen Highschool-Abschluss, aber dafür hatten sie ein Handwerk gelernt und berechneten uns jetzt pro Stunde mehr, als wir pro Tag verdienten.“

Den Worten ihres Mannes ließ McNeill Taten folgen und beschloss, das Bauhandwerk von der Pike auf zu lernen. Nach absolvierter Ausbildung arbeitete sie zunächst für eine große Baufirma und wagte dann den Schritt in die Selbstständigkeit. „Mein Vater war Unternehmer und hat mir beigebracht, wie man Baumaschinen fährt. Ich habe alles Mögliche von ihm gelernt“, erzählt sie. „So fremd war mir das also gar nicht. Es ging einfach darum, mir neue Kompetenzen anzueignen. Ob Mann oder Frau, hat dabei für mich nie eine Rolle gespielt. Mit solchen Stereotypen bin ich einfach nicht aufgewachsen.“

Aufbau einer Community

Bei allem Widerwillen, sich aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Hautfarbe in bestimmte Schubladen stecken zu lassen, entging ihr jedoch nicht, dass sie als erfolgreiche schwarze Bauunternehmerin eine absolute Ausnahmeerscheinung war.

„Je mehr ich herumkam, desto mehr wurde mir klar, wie sehr schwarze Frauen in den unterschiedlichen Branchenverbänden unterrepräsentiert waren“, meint McNeill. „Ich war bei den ganzen weißen Fachverbänden mit dabei. ABC, AGC, Women in Construction – da war ich überall Mitglied. Und es war jedes Mal das Gleiche: ich und eine andere schwarze Frau allein auf weiter Flur.“


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Aus dieser Erfahrung heraus begann McNeill nach Möglichkeiten zu suchen, diese Frauen zusammenzubringen und Netzwerke zur gegenseitigen Unterstützung aufzubauen. „Und dann dachte ich mir, dass ich doch einfach ein Mittagessen organisieren könnte“, erzählt McNeill. „Ich würde mir ein paar Diskussionspunkte überlegen und alle bei einem Essen zusammenbringen.“

Gesagt, getan: McNeill lud zehn Frauen zum Lunch in ihr Büro ein, um mit ihnen über die aktuelle Lage in der Branche zu sprechen. Aus dieser kleinen Runde entwickelte sich quasi über Nacht eine Organisation: die NABWIC. „Die Sache entfaltete eine Eigendynamik“, berichtet McNeill. „Aus dem Mittagessen mit zehn Frauen sind inzwischen Meetings in fünfzehn Städten überall in den USA geworden.“

Vitamin B als Schlüssel zum Erfolg

Mit der Gründung der NABWIC wollte McNeill primär ein Forum für Diskussionen schaffen, wie damals bei dem ersten Mittagessen.

„Ich wünsche mir, dass wir schwarzen Frauen einen Ort bieten, an dem sie in vier unterschiedlichen Bereichen Kontakte knüpfen können“, erläutert McNeill. „Erstens: Bildung. Wir gehen in die Schulen und machen bei Branchentagen und anderen Aktionen zur Förderung von MINT-Fächern mit, bieten Mentoring-Programme für schwarze Schülerinnen und ähnliche Aktivitäten an, um eine Community aufzubauen. Unsere zweite Säule sind schwarze Frauen in führenden Positionen im Beschaffungswesen bei Privatunternehmen. Die dritte Säule stellen schwarze Frauen im öffentlichen Sektor dar. Das sind Vertreterinnen der entsprechenden Interessenverbände auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene, die Frauen im Congressional Black Caucus und schwarze Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Beschaffungswesen. Die vierte Säule bilden die Bauunternehmerinnen und Handwerkerinnen unter uns.“

Durch die Vielzahl der vertretenen Fachrichtungen und die strategischen Partnerschaften mit anderen Organisationen profitieren die Mitglieder der NABWIC von dieser gemeinsam geschaffenen Community. „Konkret sieht das so aus, dass wir Kontakte zwischen den großen Ingenieurbüros und Bauunternehmen und unseren Mitgliedern und Auftraggebern herstellen“, erläutert sie.

Förderung des Unternehmerinnentums

Die NABWIC hat sich die Förderung schwarzer Frauen in Spitzenpositionen in der Baubranche auf die Fahnen geschrieben. Als weiteren Schwerpunkt nennt McNeill indes die Unterstützung von Berufsanfängerinnen und Quereinsteigerinnen.

„Uns geht es auch darum, Menschen Perspektiven aufzuzeigen, die keinen College- oder Highschool-Abschluss haben“, bekräftigt sie. „Unsere Botschaft lautet, dass Handwerkerinnen hervorragende Berufsaussichten haben. Man braucht keinen Abschluss, um Handwerkerin zu werden oder ein eigenes Unternehmen zu gründen – was man jedoch sehr wohl braucht, ist mentale Unterstützung. Man braucht Durchhaltevermögen, Selbstvertrauen, Leidenschaft, Vorstellungskraft und all die anderen Zutaten, die zusammen ein Erfolgsrezept ergeben.“ Eine Besonderheit ihrer Organisation sieht McNeill darin, dass jungen schwarzen Frauen alternative Karrierewege aufgezeigt werden.

Letztlich – davon ist McNeill überzeugt   sei der Aufbau von Beziehungen der Schlüssel zur Erreichung ihres Ziels, mehr schwarze Frauen für die Bauindustrie zu begeistern.

„Das sogenannte Vitamin B entfaltet auf allen Ebenen seine Wirkung“, berichtet sie. „Wenn wir Aufträge an Land ziehen, wenn also unsere Mitglieder Aufträge erhalten, dann gibt es Jobs für die Menschen in ihrem Umfeld. Wenn unsere Mitglieder keine Arbeit haben, hilft auch die beste Pipeline und das beste Mentoring-Programm der Welt nichts. Wir schaffen eine Umgebung, die den Aufbau dieser Beziehungen fördert.“

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