Genau wie der Bau von Wohnungen und Bahntrassen wirkt sich auch der Straßenbau in hohem Maße auf das Klima aus.
Insgesamt entfällt etwa ein Viertel des globalen Kohlendioxidausstoßes auf das Baugewerbe. Die Hauptfaktoren hierfür sind die Herstellung kohlenstoffintensiver Baumaterialien wie Stahl und Zement sowie die für den Transport von Materialien zur Baustelle erforderlichen Schwertransporte.
Da sich die Energie- und Klimaperformance von Gebäuden verbessert hat, liegt nun der Fokus auf den Klimafolgen des Bauvorgangs als solchem. Neue Forschungsergebnisse aus Schweden geben Aufschluss darüber, wie sich diese Auswirkungen reduzieren lassen.
Aus Schätzungen geht hervor, dass das Bauwesen und öffentliche Bauvorhaben in Schweden für ein Drittel der jährlichen Emissionen verantwortlich sind. Dieser hohe Anteil veranlasste die schwedische Transportbehörde STA zu der Zielvorgabe, bis 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Noch strengere Klimaauflagen hat die STA für den Einkauf bei Großprojekten, die verwendeten Materialien und die künftige Instandhaltung erlassen. Damit diese ehrgeizigen Ziele auch wirklich erreicht werden können, muss jedoch sofort mit der Arbeit begonnen werden.
„Wir können nicht länger damit warten, die Grundlagen zu schaffen, mit der Planung zu beginnen, die Entwicklung voranzutreiben und mit der Skalierung zu beginnen“, so Dr. Johan Rootzén, Forscher am IVL Swedish Environmental Research Institute in Göteborg. Um die wirksamsten Maßnahmen zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen in der Baubranche und den dazugehörigen Lieferketten im Laufe der nächsten Jahrzehnte zu ermitteln, haben Rootzén und seine Kollegin Ida Karlsson vom Department of Space, Earth and Environment der Chalmers University of Technology eine Fallstudie bei einem Straßenbauprojekt in Schweden durchgeführt.
Das große Ganze unter der Lupe
Bei vielen Lebenszyklusbewertungen wurde die Kohlenstoffbilanz des Straßenbaus beziehungsweise von Elementen davon evaluiert. Doch nur wenige Studien haben eine umfassende Betrachtung aller Optionen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen entlang der gesamten Lieferkette im Straßenbau vorgenommen. Bei ihrer Herangehensweise haben sich die Forscher:innen an der Energiebranche orientiert: Dort werden häufig Szenarien mithilfe von detaillierten Ressourcenströmen und den damit verbundenen Umweltfolgen bewertet.
Der größte Wert dieser Forschungsergebnisse liegt darin, dass man jetzt eine zeitliche Dimension dafür hat, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Ziele für Emissionsreduzierungen zu erreichen, wenn eine Straße in 5, 10 oder 25 Jahren gebaut wird.
Abbildung der Lieferkettenströme
Das Projekt konzentrierte sich auf einen neuen, 8 Kilometer langen Abschnitt der National Road 44 in Mittelschweden, der 2019 fertiggestellt wurde. Um die Quellen von Treibhausgasen zu ermitteln, verwendete die STA zusammen mit einem Unternehmer ein „Klimabilanz-Tool“. Dieses Tool berechnete den Energieverbrauch und die Klimafolgen anhand von Emissionsfaktoren sowie Ressourcenvorlagen und projektspezifischen Eingaben.
„Der Output des Tools bildete die Grundlage für die Abbildung der Material- und Energieströme in der gesamten Lieferkette“, so Rootzén. Hierzu gehören die bei der Herstellung von Baumaterialien eingesetzten Materialien und Energiemengen sowie der Verbrauch von Energie und Kraftstoff für Transport- und Bauleistungen. Die folgenden Lieferkettenaktivitäten hatten die größten Klimafolgen:
- Stahlproduktion und -verbrauch
- Produktion und Verbrauch von Zement und Beton
- Asphaltproduktion und Asphaltierung
- Schwertransporte
- Bauprozesse
Das Forschungsteam betrachtete insgesamt fünf Szenarien. Doch das wichtigste „transformative Szenario“ bestand aus umfangreichen Maßnahmen zur Reduzierung aller Lieferkettenaktivitäten, deren Umfang mit der Zeit anstieg. Andere Szenarien testeten die Auswirkungen von Veränderungen bei entscheidenden Reduzierungsmaßnahmen wie dem Verzicht auf Biokraftstoffe.
Erreichen von kurz- und langfristigen Zielen
Zu den sofortigen Möglichkeiten bei den Reduzierungsmaßnahmen gehören folgende:
- Senkung der Asphaltproduktionstemperatur und Steigerung des Recyclings
- Verwendung von Stahlschrott
- Einsatz von Zementalternativen in Beton
- Wechsel zu Kraftstoffen aus Biomasse für Maschinen, Transport und Produktionsanlagen
- Einsatz von hybriden Baumaschinen
Langfristig müssen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung durch folgende Maßnahmen verstärkt werden:
- Elektrifizierung von Baumaschinen
- Einsatz von hybridem oder elektrifiziertem Massen- und Materialtransport
- Verwendung von Kohlendioxidabscheidung und -speicherung für die Emissionen der Zementklinker- und Stahlherstellung
- Kommerzialisierung bahnbrechender Technologien wie der Direktreduktion von Eisenerz mithilfe von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien
Das transformative Szenario zeigt, dass es möglich ist, die Treibhausgasemissionen unter Einsatz der besten derzeit verfügbaren Technologien zu halbieren. Dennoch „halbiert aktuell niemand seine Emissionen“, so Rootzén. „Die Anforderungen sind immer noch nicht streng genug und die Vergünstigungen dafür, sie zu erreichen, sind zu niedrig. Auch Kosten und andere Hemmschwellen spielen eine Rolle.“
Zudem ist die schwedische Baubranche weiterhin risikoscheu und Innovationen werden nur schleppend eingeführt. Diese Herausforderung wird auch auf globaler Ebene beobachtet.
Ausschöpfung des Potenzials
Die Analyse zeigt, dass der Straßenbau die Mindestanforderungen Schwedens erfüllen kann. Hierfür müsste die Beschaffung bei öffentlichen und privaten Projekten bestimmte Maßnahmen implementieren, zu denen auch neue Technologien bei der Zement- und Stahlproduktion gehören.
„Mit Anforderungen an die Beschaffung kann man signalisieren, dass es einen Markt für Lösungen zur Emissionsreduzierung gibt“, so Rootzén. „Wir brauchen Lösungen dafür, derartige Risiken und deren Entwicklungskosten gemeinsam zu schultern.“
„Es ist klar, dass wir uns jetzt auf eine stärkere Emissionssenkung vorbereiten und uns überlegen müssen, wie wir ans Ziel kommen und auf dem Weg dorthin Fallstricke umgehen können“, so Rootzén weiter. „Zu den Problemen könnten eine übermäßige Abhängigkeit von Biokraftstoffen gehören, die in einigen Regionen knapp sind, oder Kostenoptimierungen, die sich nicht auf das erforderliche Maß skalieren lassen.“
Laut dem International Resource Panel, das Teil des United Nations Environment Program ist, muss mehr als die Hälfte der urbanen Infrastruktur, die es 2050 geben wird, erst noch gebaut werden. Diese Prognose sollte in unendlich vielen Projekten für Bauunternehmer:innen resultieren. Um die Anforderungen an eine Dekarbonisierung dabei zu erreichen, müssen jedoch alle an der Lieferkette Beteiligten zusammenarbeiten.