Slow Architecture: Die 5 Prinzipien der Bewegung

Dieser Designansatz hat sich aus der Slow-Food-Bewegung heraus entwickelt und zeichnet sich durch zweckmäßige und ansprechende Räume aus, bei denen Nachhaltigkeit und die Wertschätzung der Natur im Mittelpunkt stehen.

In unserer schnelllebigen Welt, in der Bauprojekte oft auf günstige und kurzlebige Objekte ausgerichtet sind, bildet das Konzept der „Slow Architecture“ einen starken Kontrast zu herkömmlichen Bauweisen.

Der Ansatz der Entschleunigung umfasst Designkonzepte, Materialauswahl und Bautechniken, bei denen Nachhaltigkeit und Langlebigkeit an erster Stelle stehen. Bei diesem Ansatz werden die Bedürfnisse der Haus- oder Gebäudeeigentümer:innen und der Umwelt sorgfältig berücksichtigt und geprüft, wie sich diese Anforderungen im Laufe der Zeit verändern.

Laut der Designplattform Dwell hat sich die Slow Architecture aus der Slow-Food-Bewegung von Mitte der 1980er-Jahre entwickelt. Damals eröffnete die internationale Fastfood-Kette McDonald’s eine Filiale in der Nähe der Spanischen Treppe in Rom und erreichte nach der langsamen weltweiten Ausbreitung in den 1950er-Jahren und darüber hinaus somit eine kulinarische Hochburg Europas. 1989 unterzeichnete die internationale Slow-Food-Vereinigung in Paris ein Manifest zur Förderung lokaler Erzeugnisse und altehrwürdiger Traditionen im Bereich der Gastronomie und Lebensmittelproduktion. Ziel war es, traditionelle und regionale Lebensmittel und Speisen zu erhalten und eine Landwirtschaft zu unterstützen, die dem lokalen Ökosystem gerecht wird.

Auf ähnliche Weise können Architekt:innen schrittweise und organisch Strukturen schaffen, die den Zweck und die Ästhetik eines Hauses oder Gebäudes berücksichtigen, gleichzeitig aber auch die Geschichte und Kultur des Ortes und der Menschen einbeziehen und dabei umweltfreundliche, kontextbezogene und nachhaltige Praktiken anwenden. Eine solche Vorgehensweise steht im Gegensatz zu einer auffälligen Architektur, die Aufmerksamkeit erregen, das Interesse wecken und den Anschein von Qualität vermitteln soll.

Slow Architecture bedeutet nicht unbedingt einen Mangel an Agilität, aber die Planung und der Bau von Strukturen, die Traditionen und die Umwelt ehren, nimmt viel Zeit in Anspruch. Um ansprechende Räume zu schaffen, müssen zudem neue Elemente integriert werden. Vertreter der Slow Architecture lehnen die Vorstellung ab, dass echter Luxus gleichbedeutend mit einer riesigen Villa ist. Vielmehr wird Luxus als ein Haus oder Gebäude definiert, das aus hochwertigen Materialien und bester Handwerkskunst gefertigt wurde, im Einklang mit seiner Umgebung steht und den Bewohner:innen besondere, einzigartige Erfahrungen bietet.

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Die Grundsätze der Slow Architecture

Die wenigsten Architekt:innen bezeichnen sich selbst als „Slow Architects“, viele integrieren jedoch die Grundsätze der Slow Architecture in ihre Arbeit. Nachfolgend stellen wir Ihnen fünf Prinzipien der Slow Architecture vor, die Sie bei jedem Projekt berücksichtigen sollten.

Gestaltung mit Blick auf die Funktion: Slow Architecture stellt die Funktion vor die Form und erfüllt die sozialen und psychologischen Bedürfnisse der Kundschaft, die echte Interaktionen und einen erfüllenden Lebensstil fordern, durch die Gestaltung wertschaffender Räume. Dieser kontinuierliche Prozess verpflichtet die Architekt:innen, das Design entsprechend der sich verändernden Funktion zu konzipieren. Die Strukturen sind also nicht starr oder unbeweglich, sondern passen sich im Laufe der Zeit an die Bedürfnisse der Menschen und des Ortes an.

„Die Zukunft ist ungewiss, die Bedürfnisse der Menschen ändern sich und die tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen selten den Entwürfen auf dem Papier. Aus diesen Gründen bevorzuge ich Flexibilität und Ungenauigkeit gegenüber absoluter Präzision“, schreibt Anupama Kundoo, Leiterin des Architekturbüros Anupama Kundoo.

Im Einklang mit der Umwelt: Informieren Sie sich über die klimatischen Gegebenheiten des Standorts (Sonne, Wind und saisonal bedingte Temperaturänderungen) und nutzen Sie das natürliche Licht, die natürliche Luftzirkulation und die natürlichen Heiz- und Klimatisierungsmöglichkeiten. Binden Sie die Gebäude in ihre Umgebung ein, sodass sie die Landschaft widerspiegeln und sich nahtlos in sie einfügen können.

„Wir müssen verstehen, dass wir Teil eines größeren Systems sind, und den Fokus nicht mehr auf den Menschen legen“, so Carolyn Strauss, amerikanische Architektin und Direktorin des Slow Research Lab, Amsterdam, im November 2016 auf Dwell.

Einsatz langlebiger, lokaler Materialien und bestehender Strukturen: Integrieren Sie bereits vorhandene Strukturen vor Ort und wählen Sie für neue Strukturen bevorzugt heimische und beständige Materialien wie Ziegel, Stein und Holz. Diese Baustoffe werden schon seit Jahrhunderten verwendet, können extremen Bedingungen standhalten und altern auf schöne Weise in ihrer natürlichen Umgebung. Beim Entwurf ihres Hauses „La Scala“ in Brisbane, Australien, planten die Architekt:innen Ingrid Richards und Adrian Spence beispielsweise vorausschauend.

„Bei der Auswahl der Materialien für unsere Projekte denken wir nicht an das Aussehen am ersten Tag der Fertigstellung, sondern an die Situation in 50 oder 100 Jahren. Wir verwenden oft den Begriff ‚zukünftige Ruine‘, weil wir uns von Anfang an vorstellen, wie das Gebäude als Ruine aussehen würde“, erklärt Adrian Spence, Partner bei Richards & Spence, in einem Video auf dem YouTube-Kanal von The Local Project.

Wertschätzung von Handwerkskunst und Authentizität: Ehren und würdigen Sie die Geschichte und Kultur des Bauortes und das Wissen und Können der Handwerker:innen, die mit traditionellen Baumaterialien und Techniken arbeiten. Das Architekturbüro Veld Architects achtet bei der Planung eines Hauses darauf, wie authentisch und nachhaltig das Objekt ist, welche natürlichen Materialien in der näheren Umgebung leicht erhältlich sind, welche Materialien wiederverwendet, recycelt und aufgearbeitet werden können und wie eine Zusammenarbeit mit lokalen Handwerker:innen und Künstler:innen gestaltet werden kann.

„Bei der Umsetzung der oben genannten Prinzipien haben wir eine äußerst spannende Erkenntnis gewonnen: ‚Entschleunigung‘ und eine gewissenhafte und achtsame Gestaltung führen zu optisch ansprechenden Gebäuden“, schreibt Gillian Holl, Gründerin und leitende Architektin von Veld Architects, in einem Blogbeitrag zur Definition von Slow Architecture.

Einbindung von Technologien für nachhaltiges Design: Gestalten Sie eine nachhaltigere Bauweise mit energieeffizienten Materialien und Mechanismen wie Solarzellen, Windenergie und geothermischen Wärmetauschsystemen. Laut einem Bericht des Environment Journal sind Gebäude für 38 % der Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Aus diesem Grund ist jede Maßnahme zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks von entscheidender Bedeutung.

„Moderne Gebäude, die nach den Prinzipien der Slow Architecture konzipiert werden, fangen passive Energieströme ein. Gleichzeitig werden für den Bau zunehmend Technologien eingesetzt, die die Auswirkungen auf die Biosphäre minimieren und die langfristige Widerstandsfähigkeit unterstützen“, so Patrick Farley, Direktor von Patrick Farley Architect.

Die Vorteile einer langsameren Architektur

Gut durchdachte Häuser und Gebäude erzählen eine Geschichte von Menschen und Orten. Slow Architecture vermittelt diese Geschichte durch die Ausrichtung auf Qualität, Nachhaltigkeit und Langlebigkeit sowie auf soziale und ökologische Verantwortung und wirtschaftliche Effizienz. Viele Menschen sind der Ansicht, dass der Fokus auf diese Eigenschaften schon immer zur eigentlichen Aufgabe der Architektur gehörte.

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