In einer modernen Welt voller Hightech-Werkstoffe wie Aerogelen, Kohlefasern und Metalllegierungen wird etwas Alltäglichem wie Holz oft wenig Beachtung geschenkt. Dabei bietet Holz unzählige Vorteile: Allen voran ist es ein nachwachsender Rohstoff, was es nachhaltig und günstig macht. Zudem ist es allseits bekannt, einfach zu verarbeiten, optisch ansprechend und biologisch abbaubar. Deshalb suchen Forscher nach Möglichkeiten, Holz mithilfe modernster Nanotechnologien zu optimieren.
Wissenschaftler an der University of Maryland haben unter Leitung von Liangbing Hu ein simples Verfahren entwickelt, welches die Dichte jeder beliebigen Holzart verdreifacht und es so 11,5-mal stärker macht. Ein Artikel dazu wurde letztes Jahr in der angesehenen Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Zur Herstellung des „Super-Holzes“ haben die Forscher zunächst gewöhnliches Holz in Natronlauge (NaOH) und Natriumsulfit (Na2SO3) eingeweicht. Diese chemischen Substanzen wirken zusammen und entziehen dem Holz einen Teil seines Lignins und seiner Hemicellulose. Diese beiden Polymere befinden sich in großen Mengen in der Zellwand des Holzes.
Danach wird das Holz erhitzt und zusammengepresst. Da das Lignin und die Hemicellulose entfernt sind, brechen die Zellwände im Holz vollständig auseinander. Die verbliebenen Cellulosefasern, ein drittes wichtiges Polymer im Rohstoff Holz, werden zu Nanofasern verdichtet. „Die partielle Entfernung von Lignin ermöglicht eine hohe Verdichtung, bei der das Volumen um 80 % verringert wird“, sagt Dai Jiaqi, der als Forscher in Hus Team arbeitet. „Natürlich vorkommende Poren im Holz werden verschlossen, was die Dichte und Wasserstoffbindung erhöht. Das Resultat ist eine höhere mechanische Festigkeit“, erklärt Jiaqi weiter.
Das Endresultat ist ein Stück Holz, das eine höhere Zugfestigkeit als die meisten Metalle aufweist, dabei aber deutlich leichter ist. Fünf Schichten des Materials wären fast genauso gut in der Lage, eine Kugel aufzuhalten, wie Kevlar. Das könnte den Weg für günstige und leichtgewichtige Karosserien ebnen.
Doch das sind noch nicht alle Vorzüge des „Super-Holzes“. Im letzten Monat hat Hus Team eine neue Studie veröffentlicht, diesmal in der Fachzeitschrift Science. In der Studie wird dargestellt, dass Holz durch den erwähnten Prozess zur Entfernung von Lignin auch stark reflektiert, was dazu führt, dass es bis zu 100 % des sichtbaren Lichts zurückwirft und nur eine winzige Menge Nahinfrarotstrahlung absorbiert.
Infolgedessen bleibt das Material selbst bei direkter Sonneneinstrahlung kühler als die Umgebungstemperatur. Laut Berechnungen des Forschungsteams könnte durch die Verwendung des Super-Holzes im Gebäudebau 20–60 % Energie eingespart werden. Besonders in heißen und trockenen Klimazonen würde sich das lohnen, da dort die Kosten für Klimatisierung überaus hoch sind.
Seit der Veröffentlichung des ersten Artikels in der Zeitschrift Nature können sich Hu und sein Team kaum noch vor Anrufern retten, die mehr über die neue Technologie erfahren möchten. Aufgrund des großen Interesses wurde schließlich InventWood gegründet, ein Unternehmen, das diese Technologien vom Labor in die Realität bringt. Laut CEO Josh Cable soll dieses Ziel hoffentlich innerhalb der nächsten 9–12 Monate erreicht werden. Auch das US-Ministerium für Energie hat das Unternehmen bereits unterstützt, etwa mit der Zuschussfinanzierung von ARPA-E, einer Regierungsbehörde zur Förderung fortschrittlicher Energietechnologien. Mit dem Geld soll weiter erforscht werden, wie das Super-Holz in Fahrzeugen als Ersatz für Kohlefasern und Stahl dienen kann. Laut Cable haben hauptsächlich „große Firmen in der Automobil-, Luft- und Raumfahrt sowie in der Bauindustrie bzw. in anderen Industriezweigen“ Interesse bekundet. Des Weiteren sind „Gespräche mit großen multinationalen Unternehmen aktuell im Gange“.
Das zukünftige Preisgefüge des Super-Holzes hängt laut Cable von Größe, Form und erforderlicher Bearbeitung ab. Das oberste Ziel des Unternehmens liegt jedoch darin, das Produkt gegenüber bestehenden Technologien wettbewerbsfähig zu machen. Sollte das gelingen, sind möglicherweise nicht Kohlefasern oder Titan die Hightech-Materialien in Ihrem nächsten Auto, sondern das gute, alte Holz.