Wenn Innovator:innen in der Baubranche über die Herausforderungen eines umweltfreundlicheren Bauens sprechen, liegt der Schwerpunkt meist auf neuen Technologien wie intelligenten Materialien, Roboterbau und anderen umweltorientierten Initiativen. Aber in letzter Zeit haben sich die Diskussionen über grünes Bauen auf einen überraschend alten Ansatz konzentriert: den Holzbau.
Inspiriert von den ökologischen Vorteilen der Holzbauweise hat die Stadt Amsterdam kürzlich ein bahnbrechendes Gesetz verabschiedet. Danach müssen alle neuen Gebäude, die nach 2025 gebaut werden, zu mindestens 20 % aus Holz oder anderen biobasierten Materialien bestehen.
Built sprach mit Willem Wopereis, dem leitenden Architekten des niederländischen Planungsbüros HofmanDujardin, über die Herausforderungen und Vorteile des Holzbaus und darüber, wie das neue Gesetz die Designpraxis des Büros beeinflussen wird.
Die ökologischen Vorteile von Holz
Warum Holz? Laut Wopereis gibt es mehrere ökologische Vorteile für niederländische Architekt:innen, die sich für dieses Material interessieren.
„Die Bauindustrie ist sehr umweltbelastend und für etwa 25 % der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Beton und Stahl machen ganze 85 % dieser Emissionen aus. Das Holz eines Baumes dagegen nimmt während des Wachstums CO2 auf und speichert es, solange man es nicht verbrennt“, so Wopereis.
Auch wenn das Bild von abgeholzten Wäldern den Baustoff als nicht besonders umweltfreundlich erscheinen lässt, ist Holz laut Wopereis tatsächlich eine verantwortungsvollere Wahl als herkömmliche Baumaterialien wie Beton und Stahl. „Die Verwendung von Holz im Bauwesen ist in zweierlei Hinsicht von Vorteil: Es reduziert die Umweltbelastung erheblich und leistet durch die Speicherung von CO2 sogar einen positiven Beitrag“, sagt er. „Im Gegensatz zu Beton lässt sich Holz nach der Lebensdauer eines Gebäudes sehr leicht für neue Projekte wiederverwenden.“
Wopereis führt weiter aus: „Außerdem stammt nahezu das gesamte europäische Holz aus nachhaltigen Wäldern. Das bedeutet, dass mindestens die gleiche Menge wieder aufgeforstet wird, oft sogar mehr. Wir fördern die Verwendung von Holz als Baumaterial aufgrund seiner positiven Auswirkungen auf unseren Planeten und das menschliche Wohlbefinden.“
Die Verwendung von Holz im Bauwesen gibt den europäischen Forstbetrieben die Möglichkeit zur Wiederaufforstung, wodurch noch mehr CO2 gebunden wird. Es gibt jedoch wirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen, die eine großflächige Verwendung des Materials bisher verhindert haben.
„Leider sind die Branche sowie die Normen und Vorschriften zurzeit größtenteils auf traditionelle Stahl- und Betonbauweisen ausgerichtet“, so Wopereis. „Bauen mit Holz ist daher immer noch teurer. Wenn wir wollen, dass die Baubranche einen ernsthaften Wandel in Richtung Nachhaltigkeit vollzieht, brauchen wir eine entsprechende Gesetzgebung. Das neue Gesetz ist ein guter erster Schritt.“
Die Herausforderungen an der Arbeit mit Holz
Holz ist eines der ältesten Baumaterialien der Menschheit und kommt an zweiter Stelle direkt hinter Lehm. Doch wie Wopereis betont: „Da Holz lange Zeit nicht als ernsthafte Alternative angesehen wurde, existiert ein nur begrenztes Wissen über die Wertschöpfungskette.“
Wopereis ist der Meinung, dass ein Gesetz Baufachkräften eine hilfreiche Orientierung geben kann, wenn es darum geht, den Umgang mit dem Werkstoff Holz neu zu erlernen.
„Als Architekten müssen wir lernen, welche Typen für welche Elemente zu verwenden sind und welche Spannweiten, Abmessungen, Verbindungen usw. ideal sind“, erklärt Wopereis. „Das Gleiche gilt für Statiker, die nicht an die Berechnung von Holzkonstruktionen gewöhnt sind, und für Bauunternehmer, die Bautechniken erlernen und die Logistik auf der Baustelle planen müssen.“
„Wenn es um die Festlegung von Methoden für den Holzbau geht, sind viele technische Details anders“, so Wopereis. „Holz reagiert zum Beispiel auf Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen und hat andere Ausdehnungsraten als Beton oder Stahl. Daher ist es wichtig, die richtigen Toleranzen bei den Verbindungen einzuhalten. Ein viel schwierigeres Thema ist die Akustik, weil Holz so leicht ist. Wenn man Holzböden verwendet, ist eine zusätzliche Materialschicht erforderlich. Diese mit Materialien aus der Kreislaufwirtschaft aufzubringen (also nicht durch Aufschütten von Beton), stellt ein Forschungsthema im Bereich der Architektur dar.“
Die Bemühungen um Innovationen im Holzbau werden durch hartnäckige Mythen über die Überlegenheit von Stahl- und Betonkonstruktionen behindert. „Oft wird der Brandschutz als größtes Problem bei Holzbauten angesehen, was aber ein Mythos ist“, so Wopereis. „Holzwerkstoffe wie CLT, LVL und Brettschichtholz haben eine hohe Feuerbeständigkeit.“
Insgesamt ist Wopereis der Meinung, dass viele der technischen Herausforderungen, welche die neuen Methoden im Holzbau mit sich bringen, durch das Potenzial des Materials für grünes Bauen wettgemacht werden.
„Bei HofmanDujardin folgen wir unserer Philosophie ‚Shaping Intuition‘, die auf den natürlichen Werten des Menschen in seiner Umgebung basiert“, so Wopereis. „Egal ob wir aus Holz, Stahl oder Beton bauen, wir streben nach klaren, persönlichen und inspirierenden Gebäuden von hoher Qualität. Nachhaltigkeit steht bei uns ganz oben auf der Agenda. Es kommt auf das richtige Material für den richtigen Zweck an und darauf, die physikalischen Eigenschaften zu berücksichtigen.“
Die Zukunft des Holzbaus
Trotz aller Herausforderungen, die das Bauen mit Holz mit sich bringt, freuen sich Wopereis und der Rest des Teams von HofmanDujardin darüber, dass das Gesetz die von ihnen gelebten und bereits in früheren Projekten umgesetzten kreativen, ästhetischen und umweltfreundlichen Ideen weiter vorantreibt.
„Eines unserer bekanntesten Projekte ist die legendäre Villa Tonden“, sagt Wopereis. „Dieses Ferienhaus wurde aus vorgefertigten Holzsandwichelementen gebaut. Die Fassaden und Dächer sind mit Platowood verkleidet, einem umweltfreundlichen Nadelholz, das nicht behandelt werden muss und 50 Jahre lang hält. Ein weiteres interessantes Beispiel sind die für ING Cedar entworfenen Atriumplattformen, bei denen Holz als Verkleidung für eine Stahlkonstruktion verwendet wurde. Die skulpturale Kraft und die räumliche Wirkung haben das Atrium zu einem kraftvollen Verbindungselement gemacht. Außerdem haben die Holzoberflächen Mikroperforationen, wodurch die Akustik verbessert wird.“
Was macht die Arbeit mit Holz für das Team von HofmanDujardin so reizvoll?
„Wir mögen Holz wegen seines Erscheinungsbildes und seines natürlichen, warmen Charakters“, sagt Wopereis. „Die Klarheit und Regelmäßigkeit von Holzstrukturen verleihen Gebäuden eine ganz eigene Qualität, die wir gerne zum Ausdruck bringen möchten. Dafür muss der Gestaltung von tragenden Strukturen und Verbindungen zwischen verschiedenen Elementen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die Wirkung der Struktur auf die Wahrnehmung der Räume ist oft viel größer als bei Gebäuden aus Beton und Stahl. Neben den visuellen Aspekten wirkt sich der Einsatz von Holz auf mehreren Ebenen positiv auf das menschliche Wohlbefinden aus, so zum Beispiel in Bezug auf die Akustik und die Luftqualität.“
Wopereis ist überzeugt, dass Gesetze wie das neue Amsterdamer Gesetz das Bewusstsein anderer Baufachleute für das Potenzial von Holz als Werkstoff schärfen werden.
„Wir hoffen und glauben, dass das Bauen mit Holz zu einem neuen Standard wird“, sagt er. „Wir glauben an seine positive Wirkung auf das Klima und das allgemeine Wohlbefinden der Menschen. Um seine Verbreitung als Baustoff voranzutreiben, braucht es neue Vorschriften und eine Steuer auf die tatsächlichen Materialkosten. Wir alle müssen einen Preis für die von uns verursachte Umweltverschmutzung zahlen. Das wird dazu führen, dass das Bauen mit Holz wirtschaftlich vorteilhafter wird. Zweifellos werden wir als Architekten innovative Wege zur Verwendung von Holz finden, um neue inspirierende und gesundheitsfördernde Gebäude zu bauen.“
Michiel Hofman, Partnerarchitekt, und Barbara Dujardin, Partnerarchitektin, haben ebenfalls Informationen für diesen Artikel beigesteuert.