Origami-Zelte

Origami als neue Inspiration von aufblasbaren Konstruktionen

Aufblasbare Konstruktionen sind aus dem Baugewerbe nicht wegzudenken. Kann Origami bei der Entwicklung solcher aufblasbaren Konstruktionen möglicherweise als neue Inspirationsquelle dienen?

Illustration von Lindsay Gruetzmacher

Während der 7. Etappe der Tour de France 2016 hatte sich Adam Yates 1.000 Meter vor der Zielgeraden des weltweit bekanntesten Fahrradrennens einen Vorsprung von 10 Sekunden vor der Favoritengruppe erkämpft. Doch gerade als er unter dem aufblasbaren Torbogen, der den letzten Kilometer des Rennens einläutete, hindurchfuhr, brach um ihn herum Chaos aus.

Ein Zuschauer hatte sich in etwas verheddert. Ob es sich hierbei um das Stromkabel des Druckluftkompressors oder die Stützen der Konstruktion selbst handelte, konnte auf die Schnelle nicht nachvollzogen werden. Allerdings führte dieses Malheur dazu, dass die Luft in Windeseile aus dem Bogen strömte und dieser auf Yates stürzte.

Glücklicherweise überstand der Profiradfahrer den Unfall mit relativ leichten Verletzungen. Doch dieser Vorfall zeigte deutlich die zwar offensichtliche, dadurch aber keineswegs weniger realistische Schwachstelle aufblasbarer Konstruktionen auf: Sie müssen fortlaufend mit Luft gespeist werden.

Doch was, wenn solche Konstruktionen auch auf eine andere Art und Weise stabil bleiben würden?

Diese Frage steht im Mittelpunkt einer neuen Arbeit, die Anfang des Jahres in Nature veröffentlicht und von der japanischen Kunst des Origamis inspiriert wurde. Dabei werden aufblasbare Strukturen entwickelt, die ihre Form auch dann behalten, wenn die Luftzufuhr unterbrochen wird.

Neben ihrer Funktion als Distanzmarkierungen bei der Tour de France spielen verstellbare Konstruktionen auch in vielen Bereichen des Baugewerbes und im Ingenieurwesen eine wichtige Rolle. Von einfahrbaren Stadiondächern bis hin zu Notunterkünften bei Katastrophen – die Welt von heute ist auf Konstruktionen angewiesen, die sich leicht transportieren und montieren lassen.

„Wie können wir solche Konstruktionen in Betrieb halten, ohne dass dazu zusätzliche Komponenten erforderlich sind?“, fragte sich Katia Bertoldi, Professorin für angewandte Mechanik an der Harvard University und eine der Autorinnen der Studie. „Origami bietet eine geeignete Grundlage, um vielseitige Formen zu entwickeln – so kann aus einer flachen Form beispielsweise eine 3D-Form entstehen.“

Die Vielzahl an Formen, die mithilfe des Origamis erstellt werden können, ist immens groß. Bertoldi und ihre Kolleg:innen entschieden sich bei der Konzeption von aufblasbaren Konstruktionen jedoch dazu, sich in ihren Entwürfen auf dreieckige und rechteckige Flächen zu konzentrieren. Auf der Grundlage einfacher geometrischer Berechnungen erstellte das Team eine Computerbibliothek mit potenziell aufblasbaren Strukturen, darunter Keile, Polyederzelte und sogar Bögen.

Ein Beispiel für die vom Origami inspirierten Zelte des Harvard-Forschungsteams.

All diese Formen verfügen über das, was von Wissenschaftler:innen als „Bistabilität“ bezeichnet wird: Sie bieten sowohl flach als auch aufgeblasen ein hohes Maß an Stabilität und die aufblasbare Form bleibt selbst dann stabil, wenn der Luftdruck wegfällt. Nach der Computermodellierung ging das Forschungsteam dazu über, einige der konzipierten Formen in die Praxis umzusetzen, um so zu beweisen, dass ihr Entwurf auch in der Realität funktionieren würde.

Unter Verwendung von Wellkunststoff und Klebeband für eine hermetische Dichtung hat das Team bereits mehrere seiner Entwürfe zum Leben erweckt. Besonders beeindruckend ist ihre zwei Meter hohe Zeltkonstruktion. Es ist gut vorstellbar, dass ein solches Zelt künftig beispielsweise in Katastrophengebieten eingesetzt wird, um als kurzfristige Unterbringung für Bedürftige zu dienen. Bertoldi zufolge ist dies eine der Einsatzmöglichkeiten des Zelts, die ihrem Team vorschwebt.

Doch bevor künftige Klimaflüchtlinge in einer aufblasbaren Unterkunft beherbergt werden können, müssen die Forscher noch weitere umfassende Strukturanalysen durchführen: Welche Last können die einzelnen Konstruktionen aushalten? Was passiert, wenn es schneit? Oder wenn es sehr windig ist?

Zu diesem Zweck entwickeln Bertoldi und ihr Team neue Computermodelle, mit denen sie verschiedene Materialien simulieren, Formen entwerfen und Erkenntnisse bezüglich der Stabilität jeder dieser Formen gewinnen.

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