Papierloses Arbeiten auf der Baustelle klingt gut? Aber ist das das eigentliche Ziel?

Jedem gefällt die Vorstellung von einer papierlosen Baustelle. Aber wenn Sie dabei die Papierlosigkeit über die Eindeutigkeit stellen, nutzen Sie die eigentliche Chance nicht.

Jedem gefällt die Vorstellung von einer papierlosen Baustelle. Keine Klemmbretter. Keine Pläne mit Kaffeeflecken. Nur nahtlose digitale Arbeitsabläufe.

Aber seien wir ehrlich: So weit sind wir noch nicht – und das ist vielleicht auch gut so.

Die eigentliche Chance besteht nicht darin, ohne Papier auszukommen, sondern Unklarheiten zu beseitigen. In diesem Artikel wird untersucht, wie Bauteams sich auf Verständlichkeit, Vertrauen und hybride Arbeitsabläufe konzentrieren können, um nicht nur digitalere, sondern auch intelligentere Baustellen einzurichten.

Warum ist die papierlose Baustelle noch Zukunftsmusik?

Seit mehr als einem Jahrzehnt verfolgt das Baugewerbe den Traum von der papierlosen Baustelle. Von Tablets auf der Baustelle bis hin zu cloudbasierten Plattformen versprechen Technologien eine schnellere Zusammenarbeit und eine sauberere Dokumentation.

Aber Papier ist nicht ganz verschwunden. Und das muss nicht unbedingt schlecht sein.

„Papierkram und Hausaufgaben haben eine Sache gemeinsam: Niemand will sie erledigen“, meint Brent Nieder, Vice President of Product bei GoCanvas, einem Automatisierungstool für Arbeitsabläufe auf der Baustelle. „Aber wenn die Informationen über den heutigen Tag hinaus bestehen sollen, dann sollten sie nicht auf Papier existieren.“

Mit anderen Worten: Jagen Sie nicht der Papierlosigkeit hinterher, sondern der Klarheit.

Was sollte digitalisiert werden? Und was kann auf Papier bleiben?

Trotz der zunehmenden Verbreitung von Technologien im Baugewerbe spielt Papier bei schnellen Aufgaben immer noch eine Rolle.

„Wenn Sie mit einer Kreissäge zwei Vierkanthölzer durchsägen und die Maße aufschreiben müssen, ist es nicht nötig, diese digital festzuhalten“, meint Nieder.

Sein Kollege Stephen Minus, Director of Professional Services bei GoCanvas, fügt hinzu: „Die Leute benutzen Papier als Krücke. Sie mögen es zwar nicht, sind aber einfach daran gewöhnt.“

Der Schlüssel liegt darin, zu erkennen, wann Papier zu Engpässen führt: verpasste Notizen, doppelte Arbeit oder Missverständnisse.

  • Schnelle Notizen oder Skizzen für den Eigengebrauch? Dann ist Papier in Ordnung.
  • Gibt es etwas, dass das Team oder die Zeitpläne des Projekts betrifft? Dann gehört das in Ihr digitales System.

Wie vermeide ich Probleme bei der Einführung digitaler Werkzeuge?

Digitale Tools scheitern nicht an schlechten Benutzeroberflächen, sondern an schlechten Einführungsstrategien.

„Manchmal ist die Idee von etwas komplizierter, als sie tatsächlich umzusetzen“, sagt Minus. „Wenn man niemanden hat, von dem man das Gefühl hat, dass er einen unterstützen oder Fragen beantworten kann, wird man die Aufgabe einfach nicht umsetzen.“

Führen Sie nicht nur Technologien ein, sondern bauen Sie auch Vertrauen auf

„Suchen Sie sich Arbeiter auf der Baustelle“, empfiehlt Nieder. „Lassen Sie sie das Tool ausprobieren. Dann lassen Sie sie ihre Erfahrung mit dem Team teilen.“

Echte Akzeptanz entsteht durch den gegenseitigen Beweis. Wenn Mitarbeiter dem Werkzeug vertrauen und sehen, dass jemand wie sie es erfolgreich einsetzt, werden sie es auch tun.

Nieder erinnert sich an einen Tag, an dem er mit einem Techniker die Ausrüstung repariert hat. Er hat das Werkzeug nicht einfach übergeben. Er hat zugehört, die Ausrüstung überprüft und angepasst. Am Ende des Tages hat der Techniker sein Team überzeugt, die Ausrüstung ebenfalls auszuprobieren.

„Hören Sie nicht auf mich – ich bin Informatiker“, erzählt Nieder. „Hören Sie auf ihn.“

Beziehen Sie Baustellenteams frühzeitig mit ein

Zwischen Baustelle und Büro herrscht kein Kampf ums Papier, sondern einer um den Prozess.

Die Einführung digitaler Technologien stockt, wenn die Lösungen in einem Vakuum entwickelt werden. Die leistungsstärksten Unternehmen gestalten Arbeitsabläufe vom ersten Tag an gemeinsam mit ihren Baustellenteams.

„Geben Sie [den Arbeitern] etwas und sie werden Ihnen sagen, was daran falsch ist“, meint Minus. „Und dann wird es richtig gut.“

Wenn sich die Mitarbeiter als Mitgestalter und nicht als Versuchskaninchen fühlen, ist die Akzeptanz verdient und nicht erzwungen.

Checkliste: Ist Ihr digitaler Arbeitsablauf bereit für die Baustelle?

Bevor Sie einen neuen Prozess einführen, stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Kann er ohne Anleitung angewendet werden? Das Baustellenteam hat keine Zeit für die Fehlersuche.
  • Wurde der Prozess von echten Teams unter realen Bedingungen getestet? Wenn nicht, wurde er nicht getestet.
  • Vereinfacht der Prozess die Aufgabe, anstatt sie zu verkomplizieren? Wenn er zusätzliche Schritte erfordert, ist er kein Upgrade.
  • Kann jemand die Aufgabe in maximal 60 Sekunden erledigen? Sie bauen keine Plattform auf. Sie lösen ein Problem.
  • Gibt es eine Feedbackschleife? Kein Feedback = keine Verbesserung = keine Akzeptanz!

Wenn Sie auf mehr als eine Frage mit „Nein“ geantwortet haben, sind Sie noch nicht bereit für die Einführung.

Vorschriften stehen der vollständigen Digitalisierung immer noch im Weg

Selbst wenn Ihr Team bereit ist, das Papier loszuwerden, lassen es die Vorschriften vielleicht noch nicht zu.

„Es gibt immer noch genug Vorschriften, bei denen ein Stück Papier auf der Baustelle hinterlassen werden muss“, erzählt Minus. „Solange die Behörden nicht wirklich auf papierlose Vorgänge bestehen, werden einige Prozesse auch nicht papierlos.“

Aber der Wandel kommt. Im April 2025 gab das Weiße Haus eine Anordnung heraus, in der es alle Bundesbehörden anwies, die Genehmigungsverfahren zu modernisieren und bis zum Jahresende digitale Arbeitsabläufe einzuführen.

Aber ein Systemwandel braucht Zeit und bis dahin bleibt uns Papier erhalten.

Hybride Workflows sind Realität und das ist keine schlechte Sache

In der Baubranche von heute sind hybride Arbeitsabläufe die neue Realität. Es gibt eine Mischung aus analogen und digitalen Tools und das ist in Ordnung, solange alle wichtigen Dinge abgedeckt sind.

„Wenn eine Skizze oder eine Erinnerung nur für einen selbst gedacht ist, ist Papier in Ordnung“, meint Minus. „Aber wenn die Informationen Auswirkungen auf die Dokumentation, Abrechnung oder Koordination haben, müssen sie digital sein.“

Es geht nicht darum, Papier zu verbieten. Es geht darum, sicherzustellen, dass wichtige Informationen nicht in einem Notizbuch verlorengehen.

Mögliche Fortschritte

Der Traum von der papierlosen Baustelle liegt noch immer außer Reichweite. Aber intelligentere, übersichtlichere und praktischere Arbeitsabläufe? Die sind ab sofort möglich.

„Die Leute können schnell erkennen: ‚Hey, das ist nicht schlecht, aber es fehlen ein paar Dinge‘“, so Minus. „Die gute Nachricht ist, dass wir diese Dinge tatsächlich verbessern können.“

Vergessen Sie die Jagd nach digitaler Perfektion. Konzentrieren Sie sich darauf, den Informationsfluss schneller und zuverlässiger zu gestalten und zwar unabhängig davon, ob er auf einem Tablet oder in einem Notizbuch beginnt.

Denn beim Bau geht es nicht um hübsche Tech Stacks.

Es geht darum, Dinge gebaut zu bekommen.

Gestalten Sie Ihre Arbeitsabläufe klar und übersichtlich