Technologieeinführung bei Bauunternehmen

Warum führen immer mehr kleine Unternehmen Software für die digitale Zusammenarbeit ein?

Einige der größten technologischen Fortschritte, die in letzter Zeit im Baugewerbe erzielt wurden, gehen nicht auf Robotik oder künstliche Intelligenz zurück, sondern auf Softwarelösungen für die Zusammenarbeit und Planung.

Die Bauindustrie ist infolge der COVID-19-Pandemie zwar noch nicht ganz vom technologischen Nachzügler zum Vorreiter geworden, aber das Tempo des Wandels hat in diesem bekanntermaßen veränderungsresistenten Sektor zugenommen.

Die Branche war gezwungen, sich anzupassen, und hat die Einführungszeit neuer Technologien von 36 Monaten auf 12 verkürzt, wie es in einem Bericht über Bautechnologie von JLL, einem globalen Dienstleistungsunternehmen für Gewerbeimmobilien, heißt.

Die führenden Bauunternehmen, von denen viele bereits vor der Pandemie massiv in neue Technologien investiert haben, konnten dank des in ihre eigene Forschung investierten Kapitals eine Vorreiterrolle übernehmen.

Doch während die größten Unternehmen der Branche einen inhärenten Vorteil haben, finden auch kleinere und mittelgroße Bauunternehmen Wege, um mit den Spitzenreitern der Branche mitzuhalten.

Einige der größten Fortschritte, die das Baugewerbe in den letzten Jahren gemacht hat, kamen jedoch nicht aus den populären Bereichen wie Robotik oder künstliche Intelligenz, sondern hingen mit der Einführung von Software für die Planung und digitale Zusammenarbeit zusammen.

Diese Softwareplattformen sind zwar nicht unbedingt preiswert, aber für Hunderttausende von kleinen und mittelständischen Unternehmen in den USA, die den Großteil der Arbeitskräfte in der US-Baubranche stellen, sind sie dennoch unerschwinglich.

In seinem Ranking der verschiedenen Bautechnologien hat JLL Softwareplattformen für die digitale Zusammenarbeit in die Kategorie „grundlegende Technologien“ hochgestuft, da diese Tools „während der Pandemie nahezu unverzichtbar geworden sind“.

„Ein Aspekt, den wir in Betracht gezogen haben, ist die Frage, ob alle Arten von Bautechnologien von der Pandemie profitiert haben“, sagte Henry D’Esposito, Construction Research Lead bei JLL, gegenüber Construction Dive. „Ich würde sagen, dass Softwarelösungen ganz klar profitiert haben, während es bei der Hardware eher eine gemischte Bilanz gibt.“

Eine revolutionäre Form der Zusammenarbeit

Die Bauindustrie erlebt derzeit eine Revolution der Zusammenarbeit dank einer Vielzahl neuer Plattformen für die Zusammenarbeit, wobei die Pandemie die Einführung von Technologien in der Branche erheblich beschleunigt hat.

Während die wichtigsten Bauunternehmen bereits vor der Pandemie über eine Form der digitalen Zusammenarbeit verfügt haben, war bei kleineren, lokalen Unternehmen seltener ein entsprechendes System im Einsatz, so der Bericht von JLL.

In den Monaten nach dem Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 veränderte sich diese Situation jedoch erheblich: Laut dem Bericht von JLL gaben etwa zwei Drittel der Bauunternehmen an, dass sie Regelungen für die Arbeit von Zuhause eingeführt hatten.


EBENFALLS AUF BUILT:


Für Unternehmen wie der Nauset Construction Corp., ein Bauunternehmen mit Sitz in einem Bostoner Vorort, wurde dieser Übergang durch die Entscheidung für eine cloudbasierte Softwarelösung für die digitale Zusammenarbeit ermöglicht.

Benjamin Goldfarb, der Vizepräsident des Unternehmens, merkt an, dass das Unternehmen kurz vor der Pandemie einen großen Schritt in puncto Technologie unternommen hatte, als es in Verbindung mit der Einführung der Microsoft 365-Plattform von einem firmeneigenen Server auf die Cloud umgestiegen war.

Die Umstellung „hat sich wirklich bezahlt gemacht“, als im Frühjahr 2020 ein landesweiter Lockdown aufgrund von Corona verhängt wurde und eine Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice erforderlich wurde, so Goldfarb.

Nauset konnte Meetings mit Microsoft Teams durchführen, wobei alle für die Abwicklung notwendigen Benachrichtigungen und E-Mails in das System eingebunden wurden.

Auch der Zugriff auf Dateien ist durch die Speicherung in der Cloud wesentlich einfacher geworden. Früher musste Nauset für den Austausch großer CAD-Dateien ein gezipptes Übertragungspaket erstellen oder für die Nutzung eines anderen Dienstes bezahlen.

Das Unternehmen hat darüber hinaus einen Vertrag mit EarthCam für Sicherheitskameras abgeschlossen, die auch für die Dokumentation von wichtigen Meilensteinen bei einem Projekt eingesetzt werden können, beispielsweise für die Platzierung von Bewehrungsstahl in einem Fundament oder für den Fernrundgang auf einer Baustelle.

„Ich kann mit einem potenziellen Kunden sprechen und ihm auf meinem Laptop das gesamte Projekt präsentieren und hineinzoomen“, sagt er.

Vantage Builders, ebenfalls in einem Bostoner Vorort ansässig, verfolgt einen ähnlichen Ansatz bei der Einführung von Bautechnologien, wobei das Unternehmen den Schwerpunkt auf Investitionen in Softwarelösungen zur Effizienzsteigerung legt.

Vantage wechselte zu Cosential, einer cloudbasierten CRM- und Angebotserstellungssoftware, die das Marketingteam unter anderem dabei unterstützt, Leads nachzuverfolgen und festzustellen, welche Beziehungen am produktivsten sind, berichtet Kelly MacLean, Geschäftsführerin des Unternehmens.

Die Plattform, die Vantage im vergangenen Jahr eingeführt hat, ermöglicht es dem Vertriebs- und Marketingteam, die einzelnen Geschäftsbeziehungen und ihre jeweilige Rentabilität genau zu analysieren.

Vielleicht hat das Marketingteam die Kontaktperson zu einer Veranstaltung mitgenommen oder für ihre Stiftung gespendet und daraufhin eine Einladung zur Angebotsabgabe für drei verschiedene Projekte erhalten, so MacLean.

Die Software hat dazu beigetragen, dass die Erfolgsquote bei den Angeboten, die zu tatsächlichen Aufträgen geführt haben, von zuvor 46 % auf 57 % gestiegen ist.

„Wir können unsere Leads einordnen und bewerten“, so MacLean. „Die Software liefert wirklich gute Metriken, da sie Berichte über Kunden und unsere Erfolgsquote erstellen kann“, erklärt sie.

Vantage ist zudem auf die SmartBid-Plattform umgestiegen, um die Verwaltung seiner Subunternehmen und die Abgabe von Angeboten für bestimmte Arbeiten zu erleichtern.

Dank der neuen Plattform weiß das Unternehmen nun genau, wie ausgelastet bestimmte Bauunternehmen sind, und kann die Arbeit besser verteilen.

„Einige Subunternehmen sind im Moment sehr beschäftigt“ und die Plattform kann feststellen, „wie viele Aufträge ein Subunternehmen bearbeitet und wie viele Angebote es abgegeben hat“, so MacLean.

Teure Hardware überzeugt weniger

Aufgrund der vielen Artikel könnte man glauben, dass der 3D-Druck und die Robotik die Baubranche im Sturm erobert haben.

Laut dem Bericht über Bautechnologien von JLL ist dies jedoch nicht der Fall. JLL konnte festgestellt, dass sich die Pandemie nur geringfügig auf fortschrittlichere (und weitaus teurere) Technologien wie 3D-Druck und Robotik ausgewirkt hatte, da das Potenzial dieser Technologien für unmittelbare Erfolge im Zuge der Pandemie abgenommen hatte.

JLL stuft den 3D-Druck, die Robotik und Virtual Reality nun als „Technologien mit sekundärem Einfluss“ ein, von denen es erwartet, dass sie „in den nächsten Jahren einen geringeren Einfluss haben werden“.

JLL merkt an, dass sich alle drei Technologien in einem frühen Entwicklungsstadium befinden und noch nicht ausgereift sind, um in den nächsten Jahren großen Einfluss auf die Baubranche zu nehmen.

Das deckt sich auch mit der Meinung vieler anderer Bauunternehmen, so Goldfarb von Nauset.

Er selbst lernte den 3D-Druck, der auch als additive Fertigung bekannt ist, vor sieben Jahren während seines Studiums am Wentworth Institute of Technology kennen. Das war auch das erste und bislang letzte Mal, dass er diese sich rasch entwickelnde Technologie in Aktion sah.

„Ich habe einen Artikel über einige Bauunternehmen gelesen, die sie einsetzen, aber wir sind noch nicht damit in Berührung gekommen“, berichtet er und weist darauf hin, dass das Gleiche für die Robotik gilt.

Zurzeit prüft Nauset den Einsatz von Drohnen zur Erfassung von Bildmaterial und Daten bei Bauprojekten, hat es dabei aber nicht besonders eilig.

„Das ist etwas, worauf wir als Unternehmen ein Auge geworfen haben, und wir versuchen, jemanden zu finden, der Interesse daran hat, die Lizenz dafür zu erwerben“, verrät Goldfarb.

Vantage seinerseits treibt den Einsatz von Drohnen voran, die JLL als „Technologie mit primärem Einfluss“ eingestuft hat, und erfasst damit Bilder und Videomaterial für das Marketing des Unternehmens.

Vantage berät nun darüber, ob ein Drohnenpilot eingestellt werden soll, der einige der weitläufigen Cannabisplantagen überfliegt, an denen das Unternehmen arbeitet.

Die Anbauflächen sind zwischen 80.000 und 160.000 Quadratfuß (7.400 und 14.900 Quadratmetern) groß und vertikal angeordnet, erklärt MacLean.

„Das Ziel besteht darin, einen umfassenden Überblick über unsere Bauvorhaben zu erhalten, um Marketingmaterial zur Verfügung stellen zu können und die Komplexität unserer Arbeit zu veranschaulichen“, so MacLean weiter.

Doch je kleiner das Bauunternehmen ist, desto größer kann die Herausforderung sein, mit dem Tempo des technologischen Wandels in der Branche Schritt zu halten, vor allem in Anbetracht der sich beschleunigenden Entwicklung.

Vantage hat seine Subunternehmen zur Verwendung der Baumanagementsoftware Procore verpflichtet, aber einige haben Schwierigkeiten bei der Nutzung der Software. Die Projektadministratoren und das Management von Vantage „übernehmen diese Last für sie“.

Vantage möchte gute Subunternehmen an sich binden, die auf dem heutigen, von Arbeitskräftemangel geprägten Markt ein zunehmend kostbares Gut geworden sind.

„Sobald sie verstehen, dass die Nutzung obligatorisch ist, passen sie sich an“, erklärt MacLean.

Bill Fountain, Leiter von Gardner Construction im Westen von Massachusetts, berichtet, dass sich sein 16-köpfiges Unternehmen mit den verschiedenen Softwareplattformen wie Procore, Bluebeam, Primavera oder Microsoft Project, die auf den meisten Baustellen erforderlich sind, vertraut gemacht hat.

Fountain ist jedoch frustriert über die Fragmentierung des Markts für Bausoftware, da für verschiedene Aufgaben oft unterschiedliche Plattformen erforderlich sind, beispielsweise für die Buchhaltung, die Bauzeitenplanung und das Personalwesen.

Es gibt keine einzige Plattform, die all diese Funktionen vereint, fügt er hinzu.

Darüber hinaus haben verschiedene Generalunternehmen und Projekteigentümer:innen ihre eigene bevorzugte Software für die digitale Zusammenarbeit und Plattformen, die ihre Subunternehmen nutzen sollen.

„Sie könnten 100.000 US-Dollar für Software ausgeben“, sagt Fountain. „Die Bauindustrie ist ohnehin eine ziemlich reaktionäre Branche, vor allem im Moment. Man reagiert auf die Anforderungen eines bestimmten Projekts. Es gibt keine Standardisierung.“

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