Das Baugewerbe setzt (endlich) auf neue Technologien und Risikokapital zahlt sich aus

Zwei Risikokapitalgeber berichten von ihren Beobachtungen im Hinblick auf die vielversprechende, aufstrebende Technologielandschaft der Branche und verraten, wie sie ihr Geld investieren.

KP Reddy wuchs in einem Haushalt auf, in dem Innovationen schon immer eine große Rolle gespielt haben: Sein Vater war Bauingenieur und seine Mutter Programmiererin. Zu Beginn seiner Jugend, also Mitte der 1980er, kaufte Reddys Familie einen Personal Computer (PC), auf dem er Code für die Projekte seines Vaters zu schreiben begann.  

Wie sich herausstellte, war Reddy seiner Zeit voraus.  

Reddy schloss 1994 sein Studium am Georgia Institute of Technology mit einem Abschluss in Bauingenieurwesen ab. Er tauchte umgehend tiefer in die Welt des Programmierens ein und hoffte, dass die Bauindustrie den Wert des Internets bald erkennen würde. Dann ergatterte Reddy einen Job als Bauingenieur. Er pflegte weiterhin sein Interesse an Technologie und entwickelte nebenher eine Softwareplattform für Baumanagement.  

Diese Plattform wurde zu Reddys erstem Start-up, das er 1997 gründete. Das einzige Problem: Sein Produkt wurde fast gar nicht nachgefragt.  

„Ich sprach mit Generalunternehmern und sie sagten mir, dass das Internet nur eine vorübergehende Erscheinung sei. Baupläne müssten auf der Motorhaube ihrer alten Ford F‑150s ausgerollt werden“, erinnert sich Reddy und bezieht sich damit auf den beliebten Pick-up-Truck.  

Das Unternehmen schwenkte also auf eine andere Branche um und Reddy gründete im Laufe der nächsten 15 Jahre mehrere Start-ups. Viele dieser Start-ups beschäftigten sich mit Bautechnologie. Reddy stieß immer wieder auf dieselben Hindernisse, insbesondere auf die mangelnde Bereitschaft, sich von starren, papierbasierten Arbeitsabläufen und Prozessen zu verabschieden.  

2013 war sich Reddy sicher, dass sich das Baugewerbe niemals auf neue Technologien einlassen würde. Aus diesem Grund investierte er die nächsten Jahre in andere Bereiche.  

Doch 2015 begann sein Telefon öfter zu klingeln. 

„Ich stellte fest, dass Führungskräfte in Ingenieurbüros endlich jung genug waren, um das Konzept zu verstehen. Sie arbeiteten von Anfang an auf Computern und wurden nicht erst im Laufe ihrer Karriere mit neuen Technologien konfrontiert“, so Reddy. „Hieß eine Firma beispielsweise Jimmy & Sons, dann leiteten die Söhne mittlerweile das Unternehmen. Sie waren in ihren 40ern und konnten sich eine Arbeitswelt ohne Tablets und Smartphones einfach nicht vorstellen.“  

Das Baugewerbe setzte auf neue Technologien … endlich! 

In der Bauindustrie scheint es, einen Boom an Risikokapitalanlagen zu geben. Laut Daten von Crunchbase wurden in den USA 2018 ca. 3,1 Milliarden US-Dollar in Start-ups investiert, die sich auf die Entwicklung von Bautechnologien konzentrieren. Obwohl das Finanzvolumen seitdem zurückgegangen ist, schätzen Risikokapitalgeber das Potenzial der Branche weiterhin überaus positiv ein.   

Da spürte Reddy, dass die Branche endlich bereit war, sich Technologien gegenüber zu öffnen. Also entschied er sich 2017, zurück in die Bauindustrie zu wechseln, und gründete Shadow Ventures, eine in Atlanta ansässige Risikokapitalgesellschaft mit Fokus auf Bautechnologien. Heute ist sein Terminkalender gefüllt mit Gründertreffen und der Analyse potenzieller Investitionen. 

Reddy ist jedoch nicht der Einzige, der vielversprechende Investitionsmöglichkeiten in der Baubranche sieht.  

Etwas weniger als 1.500 km weiter westlich in San Francisco beschäftigt sich das Team von Brick and Mortar Ventures mit Investitionen in Hardware- und Softwarelösungen für die Bereiche Architektur, Baugewerbe, Bauingenieurwesen und Gebäudemanagement und hat dabei keine Schwierigkeiten, sein Portfolio mit innovativen Unternehmen zu erweitern.  

„Um 2010 herum konzentrierte man sich in der Technologiebranche darauf, papierbasierte Prozesse zu digitalisieren. Man nahm Daten aus Arbeitsblättern und machte sie über das Internet zugänglich“, erläutert Curtis Rogers, Direktor von Brick and Mortar. „Mitte der 2010er Jahre implementierten dann immer mehr Marktsegmente in der Branche neue Technologien und nutzten diese sogar, um Aufträge an Land zu ziehen.“  

„Jetzt sehen wir Technologien auf dem Markt, die dank Kameras und Robotern Baustellenbegehungen möglich machen, ohne dass man persönlich vor Ort sein muss. Und dabei sind die Technologien so leicht zu bedienen, dass Unternehmen zentralisieren können“, so Rogers weiter. „Das konnten zuvor nur große Bauunternehmen.“  

Einige Baufirmen stehen Technologien heutzutage sogar so offen gegenüber, dass sie ihre einigen Softwareentwickler einstellen.  

„Statt einem technologieinteressierten Mitarbeiter einen Freitag freizugeben, damit er an einer Softwareschulung teilnehmen kann, stellen Unternehmen jetzt Softwareentwickler in Vollzeit ein“, erzählt Reddy. „Die Einstellung von jungen Technologieexperten trägt zu einer umfangreichen Transformation bei. Holt man Menschen aus anderen Branchen ins Team, fragen sie: ‚Wartet mal, wieso macht ihr das so? Lasst mich doch schnell eine Software entwickeln, um euch damit zu helfen.‘ In dieser Hinsicht sehen wir viele Veränderungen.“ 

Innovative Unternehmen ebnen den Weg 

Rogers ist begeistert von der wachsenden Liste mit Unternehmen im Portfolio von Brick and Mortar. Dazu zählt auch IFM Restoration, ein Unternehmen, das Einfamilienmietshäuser saniert. Das Unternehmen nimmt sich den logistischen Herausforderungen der Instandhaltung an und Auftragnehmer können hier sogar Arbeit finden.  

„IFM hilft Handwerkern, einen Job zu finden, und kümmert sich um die technisch komplexen Prozesse hinter der Instandhaltung mehrerer Objekte“, sagt Rogers.  

Trade Hounds ist ein weiteres Unternehmen im Portfolio von Brick and Mortar. Es hat eine Plattform für Bauarbeiter und andere Handwerker entwickelt, die wie LinkedIn funktioniert. 

„Unser Bildungssystem ist so kaputt. Es gibt keinen effizienten Einstieg in diese Berufe“, meint Rogers. „Man muss schon aus einer Familie mit Erfahrung im Handwerk kommen, um an solche Jobs heranzukommen. Aber die Sache ist die, dass die Löhne in solchen Berufen richtig hoch sind. Als erfahrener Handwerker kann man mehr als 100.000 US-Dollar im Jahr verdienen.“  

Bei Shadow Ventures freut sich Reddy über Local Logic, ein Unternehmen, das künstliche Intelligenz (KI) verwendet, um Bauunternehmern mögliche Bauprojekte aufzuzeigen. Das Unternehmen bezieht Daten von nahegelegenen Krankenhäusern, Schulen und sogar Cafés, um ein umfassendes Bild über potenzielle Bauvorhaben zu liefern.  

Auch Aren wird von Shadow Ventures unterstützt. Dieses Unternehmen verwendet KI-Bildgebungsverfahren, um brüchige Brücken und Gebäude zu inspizieren. Darin sieht Reddy persönlich einen großen Nutzen: „Als Ingenieur musste ich mich noch an der Fassade eines Gebäudes herunterlassen, um mir Risse anzusehen. Jetzt kann ich dafür einfach einmal im Monat eine Drohne nutzen.“  

Ein Blick in die Zukunft 

Konnektivität auf Baustellen ist eine der Entwicklungen, die Rogers mit Spannung erwartet. Während die Internetanbindung auf Baustellen heute noch sehr lückenhaft ist, so wird sie in den kommenden Jahren zum Standard werden. „In diesem Bereich tut sich bereits etwas, man kann es nur noch nicht sehen“, meint Rogers. „In 1–3 Jahren sollte es aber soweit sein.“  

Die Nutzung von KI für Kostenschätzungen ist eine Innovation, die Reddy vorschwebt. Er sagt, dass Shadow Ventures jede Woche mehrere Angebote zu dieser aufkommenden Technologie bewertet. Kostenkalkulationen (also beispielsweise davon, wie viele Schrauben, Klinken oder Türen für ein Gebäude benötigt werden) sind laut Reddy etwas, das die Branche voranbringen würde.  

„Momentan haben Bauunternehmen Abteilungen, die die Kosten kalkulieren. Im Allgemeinen verrichten diese Angestellten manuelle Arbeit, wenn sie Leuchtmittel zählen“, sagt Reddy. „Neue Technologien werden Bauunternehmen genauere Schätzungen für die Kosten eines Projekts, den Energieverbrauch und alle benötigten Teile liefern, noch bevor Käufe getätigt werden. Das ist einfach faszinierend.“  

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