Technologie im Baugewerbe: 9 Prioritäten für 2023 und darüber hinaus

Eine von technologischen Neuerungen geprägte Zukunft mit Robotern, Drohnen, cloudbasierten Ressourcen und einer Fülle von Software scheint für viele Bauunternehmen schon in Reichweite zu sein. Vor anderen liegt aber noch viel Arbeit. Was müssen sie berücksichtigen?

Technologie ist im Baugewerbe längst kein Fremdwort mehr. Building Information Modelling (BIM) wird schon seit geraumer Zeit verwendet. Die Baubranche hat jedoch lange Abstand von anderen digitalen Lösungen genommen und deren Potenzial nicht so ausgeschöpft, wie dies in der fortschrittlichen Fertigung der Fall ist. In puncto Digitalisierung rangiert das Baugewerbe an vorletzter Stelle und hat großen Aufholbedarf. Einen noch größeren Rückstand verzeichnet lediglich der Agrarsektor.

Teilweise liegt das an der Natur des Baugewerbes: Auf Baustellen werden Objekte durch körperliche und manuelle Arbeit errichtet.

Da sich jetzt aber vieles verändert, muss die Branche modernisiert werden. Bautechnologien, besonders diese für die Digitalisierung und Automatisierung, werden hierbei eine zentrale Rolle spielen. Mark Farmer ist Gründungsdirektor und Vorstandsvorsitzender des Beratungsunternehmens Cast. Vor einigen Jahren verfasste er einen Bericht namens „Modernise Or Die“ und befand, dass sehr wenige Unternehmen „die eine notwendige Änderung umgesetzt haben, die alle Probleme mit einem Schlag lösen würde: die Nutzung von Technologien der nächsten Generation und die Umstellung auf digitalisiertere Arbeitsabläufe.“

Die Situation hat sich seither verändert. Auch wenn der Übergang langsam vonstattengeht, können Unternehmen gewisse Maßnahmen ergreifen, um sich dem Stand der Technik anzupassen und wettbewerbsfähig zu bleiben.

Entwurf einer digitalen Vision anhand von langfristigen strategischen Prioritäten

Seit einiger Zeit werden im Baugewerbe Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien verwendet, darunter Robotik und Designsoftware. Da der Wandel nun schnell voranschreitet, müssen Unternehmen definieren, welche Anforderungen die von ihnen eingesetzten Technologien in Zukunft erfüllen müssen.

Der BostonConsultingGroup (BCG) zufolge hat die Coronapandemie den digitalen Wandel „dringlicher gemacht. Unternehmen wollen flexibler und schneller werden und datenbasierte Entscheidungen treffen.“

Die BCG hebt die Bedeutung folgender Aspekte hervor: Talentmanagement und Erweiterung digitaler Fähigkeiten, Änderungen bestehender Arbeitsweisen, Schaffung einer digitalen Datenplattform für eine reibungslose Umstellung und das sogenannte „Governing for Value“, also die „Zusammenführung der Geschäfts- und Technologieaspekte eines Unternehmens“, einschließlich einer „Top-down-Transformation“.

Ein interner „digitaler Champion“ kann die Umsetzung digitaler Vorhaben vereinfachen. Diese Person sollte die Möglichkeiten digitaler Lösungen kennen und im Zuge der breiteren Einführung Akzeptanz schaffen.Sie hilft bei der Durchführung von Veränderungen und unterstützt Kolleg:innen während dieses Prozesses.

Ausbau von Kompetenzen in der Cybersicherheit

Angesichts der zunehmenden Digitalisierung des Baugewerbes und des globalen Umsatzes des Bau- und Designsoftwaremarktes von 9,6Mrd. $ (9Mrd. €) im Jahr2021 wächst das Interesse von Cyberkriminellen an dieser Branche erheblich.

Letztes Jahr war der globale Bausektor die am stärksten von Ransomware-Angriffen betroffene Branche. Ransomware ist ein von Hacker:innen geschriebener Computervirus, der ein Gerät sperrt, bis sein:e Eigentümer:in einen Betrag zahlt, um den Computer wieder freizuschalten.

Besonders interessant ist das Baugewerbe für Hacker:innen aufgrund des langsamen Übergangs zu digitalen Lösungen, der Fülle an gemeinsamen Netzwerken, der zahlreichen Zahlungsmethoden sowie des Mangels an Compliance und behördlichen Sicherheitsmaßnahmen.

Bei der Cybersicherheit im Baugewerbe setzt Bluebeam auf ein Modell der geteilten Verantwortung. Nur wenn mehrere Interessengruppen miteinbezogen werden, ist die Cyberabwehr so stark und effizient wie möglich.

Solche kollektiven Maßnahmen bieten den besten Schutz gegen die wachsende Bedrohung durch Cyberkriminelle.

Verbesserung der digitalen Fertigkeiten und des Wissens um digitale Prozesse

Wie entwickeln Unternehmen eine digitale Strategie? Wie kann das Potenzial von digitalen und anderen Technologien am besten ausgeschöpft werden? Da die Akzeptanz in der Baubranche noch kein einheitliches Niveau erreicht hat, können jene Unternehmen, die jetzt das Potenzial erkennen, sich einen Vorsprung sichern.

Die Anpassungsfähigkeit spielt dabei eine große Rolle. Dem Beratungsunternehmen Deloitte zufolge werden Unternehmen dank digitaler Technologien anpassungsfähiger. In vielen Unternehmen erfolgt die Einführung digitaler Transformationsmaßnahmen dann automatisch.

Deloitte weist aber auch darauf hin, dass derartige Umstellungen nicht selten scheitern. Gründe dafür können eine Überforderung mit bereichsübergreifenden Veränderungen oder mit der gleichzeitigen Einführung mehrerer Technologien sein. Auch zu kurzfristige Strategien, die technologische Entwicklungen nicht berücksichtigen oder nicht mehr tragfähig sind, sobald sich grundlegende Bedingungen in der Organisation ändern, können Sand ins Getriebe streuen.

Das Construction Industry Training Board schreibt in seinem Bericht „Unlocking Construction’s Digital Future“: „Flexibel, kreativ und problemorientiert denken zu lernen, sowie andere SoftSkills können neben dem Verständnis der Technologien und Daten hilfreich sein. Die Branche könnte dadurch in ihrer digitalen Transformation angetrieben werden. Außerdem können kulturelle und strukturelle Hindernisse des Fortschritts potenziell reduziert werden.“

Nutzung der Cloud

Die Cloud ist im Baugewerbe ein relativ neues Konzept, wird von der Branche aber vermehrt angenommen und zwar aus gutem Grund:

Menschen sind dank digitaler Technologien immer stärker vernetzt. Die Anforderungen an die Datenfreigabe und -speicherung steigen dementsprechend. In der Cloud können Daten anderer technischer Systeme wie Drohnen gesammelt und gespeichert werden. Noch vor wenigen Jahren war dies undenkbar.

Dank der Cloud kann die Arbeit flexibler gestaltet werden: Der Zugriff auf Dokumente und Pläne ist zeit- und ortsunabhängig möglich.

Durch geeignete Technologie in Verbindung mit deren regelmäßiger Nutzung und der internen Hervorhebung ihrer Vorteile kann es Unternehmen gelingen, die Barrieren zwischen ihren Teams zu überwinden und das ortsunabhängige Arbeitsmodell auch im Bauwesen erfolgreich umzusetzen.

Förderung der Automatisierung im Baugewerbe

Die Automobilbranche und das verarbeitende Gewerbe konnten ihre Produktivität durch Automatisierung ankurbeln. Auch im Baugewerbe kann die Prozessautomatisierung entscheidende Vorteile für Arbeitsabläufe und Projektergebnisse bringen.

Roboter, künstliche Intelligenz, 3D-Druckverfahren und Drohnen können die Projektbeurteilung einfacher und umfassender gestalten. Die Online-Zusammenarbeit und das nahtlose Teilen von Dokumenten in Echtzeit können sicherstellen, dass Projekte reibungslos und effizient ablaufen.

Unternehmen unterschiedlicher Größen können von der Automatisierung überflüssiger und unwirtschaftlicher Prozesse profitieren, so dynamische Kundenbedürfnisse befriedigen und gleichzeitig höhere betriebliche Ansprüche erfüllen. Die Automatisierung hilft Menschen nicht nur, ihre Arbeit effizienter auszuführen, sondern auch wirkungsvoller, was wiederum ihre Arbeitsplatzzufriedenheit steigert.

Einführung eines hybriden Arbeitsmodells

Unsere Arbeitsweise hat sich vor allem aufgrund der COVID-19-Pandemie drastisch verändert.

Einschränkungen während der Lockdowns haben uns dazu gezwungen, unsere Arbeitsplätze an andere Orte zu verlagern. Auch nach dem Ende dieser Einschränkungen möchten viele die neu gewonnene Flexibilität, den Arbeitsplatz frei wählen zu können, nicht mehr missen.

Arbeitgeber:innen kennen die Vorteile des hybriden Modells und versuchen, auf die Wünsche der Mitarbeitenden einzugehen.

Die Einrichtung eines Arbeitsplatzes, an dem hybrides Arbeiten nicht nur erlaubt, sondern auch willkommen ist, erfordert Planung. Dabei sind Technologien, mit denen alle auf die im Büro verfügbaren Tools zugreifen können, entscheidend.

Cloudbasierte Software ermöglicht allen Teammitgliedern, auf die neuesten Informationen zuzugreifen. Dank Videokonferenzsoftware können Teammitglieder jederzeit standortunabhängig ein Meeting abhalten.

Zwar muss die Führungsebene kommunizieren, dass Arbeiten im Homeoffice akzeptiert wird. Der Fokus liegt allerdings auf hybriden Arbeitsmodellen: Mitarbeitende sollten sowohl im Büro als auch von Zuhause an Teammeetings teilnehmen können.

Verpflichtung zur Nachhaltigkeit

Beim Stichwort digitale Arbeitsabläufe denken viele nicht zwangsläufig an Nachhaltigkeit.

Branchenkenner:innen weisen jedoch daraufhin, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit in jeden Bereich eines modernen Bauunternehmens integriert werden sollte, auch in die IT.

Einige argumentieren, dass es notwendig sei, einen ganzheitlichen Überblick über wahrscheinliche Umweltfolgen von digitalen Abläufen zu erhalten. Dann könnten Ziele formuliert und der Fortschritt zur Erreichung ebendieser gemessen werden.

Sie können sich auch das langfristige Ziel setzen, Ergebnisse und Erfahrungen mit anderen zu teilen, sodass diese ebenfalls ihre Umweltbelastung verringern können.

Zu bedenken ist auch, dass die Arbeit im Homeoffice und die Nutzung von digitaler Infrastruktur ebenfalls zu Kohlenstoffemissionen beitragen.

Das Beratungsunternehmen WSP verglich den CO2-Ausstoß von 200 seiner Mitarbeiter:innen, der durch Pendeln und Heizen im Büro bzw. zu Hause entstand. Demnach sei die klimafreundlichste Lösung, im Winter im Büro und im Sommer im Homeoffice zu arbeiten.

Einige Unternehmen nutzen erneuerbare Energien oder bieten Mitarbeiter:innen Vergünstigungen für energieeffiziente Haushaltsgeräte an, sodass sie zu Hause ihren Energieverbrauch senken können.

Rekrutierung, Weiterbildung und Bindung von Angestellten

Enthusiastische, talentierte Mitarbeitende sind das Herzstück eines jeden Unternehmens. In Zeiten des Wandels muss die bestehende Belegschaft motiviert und weitergebildet werden, vor allem beim Übergang zu einer digitalisierten Zukunft mit hohem Technologieeinsatz.

Unternehmen sollten im Rahmen einer technologischen Entwicklungsstrategie digitale Champions küren. Dabei kann es sich um bestehende Mitarbeitende oder neue Talente handeln, die im Zuge eines eigens etablierten Rekrutierungsplans eingestellt werden. Diese Personen kennen und verstehen die Bedeutung von Technologien und ihr Potenzial, das Unternehmen zu transformieren.

Sobald die digitale Strategie verankert wurde, sollte ein Digital Construction Manager eingestellt werden. Diese Position umfasst die Prüfung von Benchmarks im Vergleich zur Konkurrenz sowie die Ausarbeitung einer Dreijahresstrategie für Digitales, die der Führungsebene vorgelegt wird.

Unternehmen implementieren neue Technologien, um ihr Geschäftsergebnis zu verbessern. Auch in der Wahrnehmung der Führungsebene und der Belegschaft sollte die Übernahme digitaler Arbeitsweisen mit greifbaren Ergebnissen verbunden sein und nicht bloß „neu“ und „ungewohnt“ wirken.

Integration in die eigene Lieferkette

Dem Beratungsunternehmen McKinsey zufolge sind Daten das Lebenselixier eines Unternehmens und sollten dementsprechend behandelt werden.

Betriebssysteme zur Datenverlinkung sind laut McKinsey unentbehrlich. Wenn ein Sensor beispielsweise einen Gerätedefekt erkennt, sollte diese Information in einem Inventarsystem gespeichert und anschließend überprüft werden, ob ein Ersatzteil vorhanden ist. Anhand weiterer Daten wird analysiert, ob das Wartungsteam den defekten Teil ersetzen kann. Mithilfe von Daten zu Lieferantenpreisen sollten dann Artikel- und Arbeitskosten sowie Rechnungsdaten nachverfolgt werden können. So kann sichergestellt werden, dass dem oder der richtigen Kund:in eine Rechnung gestellt und die Bezahlung getrackt wird.

Farmer zufolge liege der Anfang einer digital vernetzten Lieferkette mit automatisierter Bestellung, Herstellung und Zahlung in einer geschlossenen, vertikalen und integrierten Lieferkette, die auf spezifische Lieferplattformen ausgerichtet ist.

Egal, ob Software für die Zusammenarbeit, Programme zur Qualitätsverbesserung oder neue zeit- und kostensparende Hardwareprodukte, Technologie wird in der Baubranche der Zukunft eine Schlüsselrolle spielen und sie zunehmend in die Lage versetzen, besser auf aktuelle und künftige gesellschaftliche Herausforderungen reagieren zu können.

Der Klimawandel, der steigende Bedarf an neuen Häusern und neuer Infrastruktur und die bessere Anpassung der bebauten Umgebung an die Anforderungen der wachsenden Bevölkerung auf der ganzen Welt sind Probleme, die der Sektor lösen muss, und Technologie kann dazu beitragen, diese Probleme anzugehen.

Änderungsflexibilität ist der Schlüssel zur effektiven Einführung von Technologien