Es ist kein Geheimnis, dass Innovationen in der Bauindustrie oftmals nur langsam vorankommen. In einer Branche, in der die großen Akteure miteinander konkurrieren, um besser, schneller und kostengünstiger als je zuvor zu bauen, werden Innovationen größtenteils in den segmentierten Ökosystemen des privaten Sektors, der Wissenschaft und gelegentlich der Behörden hervorgebracht und können daher nur schwer in großem Umfang angewendet werden.
In Australien gibt es nun einen anderen Ansatz. Building 4.0 CRC soll diese einzelnen Teilbereiche der Bauindustrie zusammenführen. Ziel ist es, gemeinsam einen international wettbewerbsfähigen Sektor zu entwickeln, in dem Bauprojekte durch Zusammenarbeit sicherer, umweltfreundlicher und kostengünstiger gestaltet werden können. Built hat mit Professor Mathew Aitchison, dem CEO der Gruppe, über dieses ehrgeizige Vorhaben und die Bedeutung des australischen Ansatzes für Innovationen im Baugewerbe weltweit gesprochen.
Zusammenführung von Behörden, Industrie und Wissenschaft
Laut Aitchison gebe es das Konzept von CRCs (Cooperative Research Centres (kooperative Forschungszentren)) in Australien schon lange. Solche Programme werden in Branchen wie dem Bergbau, bei der Herstellung von medizinischen Geräten und bei der Gewinnung von Rohstoffen eingesetzt. Building 4.0 CRC ist das Ergebnis eines Jahrzehnts angewandter Forschungsarbeit mit Branchenakteuren in ganz Australien.
Die Gruppe konzentriert sich auf bestimmte Bereiche, die Aitchison und seine Partner in der CRC-Gruppe in Angriff nehmen wollen. Dazu gehören „Menschen, Praktiken, Kultur, Nachhaltigkeit, Industrialisierung und Digitalisierung“, so Aitchison.
Vor diesem Hintergrund fokussierten Aitchison und sein Team sich zunächst auf die Zusammenarbeit als Schwerpunkt der Mission des CRC. „Wir haben uns darauf konzentriert, die Zusammenarbeit zwischen all unseren Partner bei Projekten zu fördern“, erläutert Aitchison. „Zur Beschleunigung dieses Prozesses haben wir unseren Partnern ein Verständnis dafür vermittelt, was es bedeutet, Forschung und Entwicklung mit einer Vielzahl von Beteiligten zu betreiben.“
Aufgrund der hohen Anzahl an Beteiligten aus unterschiedlichen Bereichen des Baugewerbes, so Aitchison, erforderten diese Gespräche oft ein ausgeprägtes Organisationstalent. „Nehmen wir an, Sie haben ein kommerzielles Unternehmen“, meint er, „und arbeiten nun mit Hochschulforschern zusammen, von denen einige vielleicht noch nie mit Industriepartnern zusammengearbeitet haben. Normalerweise kollaborieren die Forscher eher mit Akteuren in ihrem Fachgebiet. Wie bauen diese verschiedenen Projektbeteiligten nun eine Beziehung zu den behördlichen Partnern auf?“
Die erste große Aufgabe von Aitchison bestand in der Erarbeitung eines Konzepts für effektive Kommunikation zwischen den drei Projektbereichen. „Es dauert eine Weile, diese Beziehungen aufzubauen, ein allgemeines Verständnis für die Forschung im Baugewerbe zu entwickeln und so unterschiedliche Perspektiven in Einklang zu bringen“, erklärt er.
Nach der Ausarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses der Mission hatten Aitchison und sein Team die notwendigen Voraussetzungen für ein erfolgreiches Projekt geschaffen.
Zusammenarbeit bei der Problemlösung
Laut Aitchison sei die Initiative „Building 4.0“ einzigartig, weil sie diese Anstrengungen zur Veränderung in einem Umfeld unternimmt, in dem sich alle Beteiligten gegenseitig unterstützen und für Anregungen aus allen Bereichen der Bauindustrie offen sind.
„Das Besondere am CRC-Programm ist, dass es alle wichtigen Komponenten zusammenbringt, die für die Umsetzung der angestrebten Innovation erforderlich sind, und gleichzeitig eine Brücke zwischen Forschung und Industrie schlägt“, meint er. „Auf diese Weise werden Universitäten und Hochschulen in die Industrie eingebunden und gleichzeitig auch die Behörden miteinbezogen.“
Wie gelingt diese Zusammenarbeit nun in solch großem Umfang? Aitchison zufolge seien gemeinsame Prozesse die Grundvoraussetzung für einen kooperativen Ansatz, um die gängigsten Probleme in der Baubranche zu bewältigen.
„Wir beginnen einige Projekte mit einer sogenannten Rahmenuntersuchung“, sagt er. „Dabei geht es darum, das Projekt zunächst grob zu definieren, um dann gezieltere und spezifischere Nachforschungen anstellen zu können. So erhalten wir eine Art Stammbaum: Eine Rahmenuntersuchung, die anfangs recht allgemein angelegt ist, kann zu zwei oder mehr Projekten führen, bei denen weniger Partner beteiligt sind und in denen sich intensiver auf die Lösung eines bestimmten Problems konzentriert werden kann.“
Mithilfe dieses Ansatzes haben Aitchison und sein Team seit der Gründung des CRC rund 20 Projekte abgeschlossen und weitere 25 sind in Vorbereitung. Die Projekte reichen vom Einsatz von bauspezifischen Plattformen über die Organisation von Wertschöpfungsketten für zukünftige Bauprojekte bis hin zur Entwicklung der künftigen Bauplanung.
„Wir arbeiten zurzeit an einer Reihe von Projekten, die wir als initiativgesteuerte Projekte bezeichnen“, so Aitchison. „Bei der CRC-Gründung haben wir unter anderem gezielt das Interesse unserer Partner geweckt und sie gefragt: ‚Welche Probleme möchten Sie lösen?‘ ‚Wie sieht Ihre Zukunftsplanung aus?‘ ‚Welchen Ansatz möchten Sie verfolgen?‘“
Indem Aitchison und sein Team diese wichtigen Fragen der Beteiligten in den Vordergrund stellen, sind sie in der Lage, wirksame Initiativen für konkrete und bedeutende Veränderungen in der australischen Bauindustrie zu entwickeln.
Aufbau einer Innovationskultur
Neben einzelnen interessanten Forschungsprojekten verfolge das CRC-Programm laut Aitchison aber vor allem ein immaterielles Ziel: die Entwicklung einer gemeinsamen Innovationskultur in der gesamten Baubranche.
„Es ist bekanntermaßen äußerst schwierig, Innovationen im Bauwesen voranzutreiben“, meint Aitchison. „Seit Jahrzehnten gibt es keinen erfolgreichen Transformationsansatz für Innovationen im Baugewerbe mehr. Zwar gab es zahlreiche Anläufe, einige davon sogar in jüngster Zeit, aber eines haben sie fast alle gemeinsam: Sie sind grandios gescheitert.“
Aitchison ist der Ansicht, dass diese Misserfolge auf die isolierte Natur des Bausektors zurückzuführen seien. Dadurch kommt es nicht zu einem Austausch, der es den einzelnen Akteur:innen der Branche ermöglichen würde, ihre jeweiligen Stärken gemeinsam zu nutzen. „Bisher war es so, dass Akteure aus der Industrie oder Wissenschaftler und in einigen Fällen die Behörden eine großartige Idee hatten, aber wie sollen sie diese in einem stark fragmentierten Ökosystem, das eigentlich kein Ökosystem ist, umsetzen?“
Das CRC-Modell bietet den Beteiligten eine bessere Möglichkeit zum Austausch. „Entscheidende Lücken werden geschlossen“, so Aitchison. „Ich glaube, auf diese Weise können die gewünschten Innovationen entstehen. Es wird nicht einfach sein, aber ich denke, die Voraussetzungen sind gegeben. Wir verfügen über die notwendigen Rahmenbedingungen für die Innovationen, die wir anstreben.“