Kann „Hanfbeton“ Teil der Lösung für ein nachhaltiges Baugewerbe sein?

Traditionelle Bauprodukte wie Stahl und Beton sind bewährte Materialien im Baugewerbe, allerdings gehen sie mit erheblichen Umweltauswirkungen einher. Kann „Hanfbeton“, ein aus der Hanfpflanze hergestelltes, betonähnliches Produkt, die Nachhaltigkeitsinitiativen der Branche voranbringen?

Das Baugewerbe wird häufig dafür kritisiert, dass es bei der Einführung neuer Technologien hinter vielen anderen Sektoren zurückfällt.

Doch auch wenn die Baubranche in Sachen Technologie hinterherhinkt, ist sie im Bereich der Nachhaltigkeit, einem immer bedeutenderen Aspekt bei der Errichtung der von uns benötigten Gebäude, auf dem neuesten Stand.

In einer weltweiten Umfrage gab fast die Hälfte (47 %) der Befragten im Ingenieur- und Bauwesen an, dass sie Nachhaltigkeit bei den Überlegungen zur Projektumsetzung Priorität einräumen.

Angesichts der globalen Auswirkungen der gebauten Umwelt, die nicht zuletzt für 25 % der jährlichen Kohlenstoffemissionen in Großbritannien verantwortlich ist, findet das Ziel, Häuser, Gewerbeflächen, Büros und Infrastrukturen nachhaltig zu bauen, branchenweit Akzeptanz. Nun stellt sich die Frage nach der besten Herangehensweise.

Nachhaltigkeit von Hanfbeton

Bei den Überlegungen zur Nachhaltigkeit im Baugewerbe spielen die Materialien, die bei einem Projekt verwendet werden, eine große Rolle. Ihre Gewinnung und Herstellung, die Auswirkungen dieser Prozesse auf die Umwelt und die Leistung solcher Materialien nach ihrer Verbauung müssen berücksichtigt werden.

Aufgrund ihrer Langlebigkeit und strukturellen Stärke gehören Stahl und Beton zu den am meisten genutzten Baumaterialien. Allerdings ist ihre Produktion mit einer erheblichen Menge an Kohlenstoffemissionen verbunden. So verursachte die globale Stahlproduktion im Jahr 2019 3,4 Milliarden Tonnen CO2, zwischen 7 und 11 % der weltweiten Gesamtmenge, während die Betonproduktion etwa 8 % ausmachte.

Diese Materialien werden zwar weiterhin verwendet, nachhaltigere und weniger umweltschädliche Werkstoffe erfreuen sich jedoch zunehmender Beliebtheit. Hanf stellt neben Holz und Alternativen zu herkömmlich hergestellten Ziegeln eine weitere nachhaltige Ressource dar.

Um aus Hanf, einer Pflanzengattung innerhalb der Familie Cannabaceae, ein betonähnliches Material zu gewinnen, werden die holzartigen inneren Teile des Stängels, Schäben genannt, mit Wasser und Kalk vermischt, der als Bindemittel dient. Nach der Aushärtung ist Hanfbeton leicht und langlebig, jedoch strukturell nicht so robust wie herkömmlicher Beton.

Manch einer befürchtet vielleicht, dass der Aufenthalt in einem Gebäude aus Hanf halluzinogene Wirkungen erzeugen könnte. Doch es besteht kein Grund zur Beunruhigung, da die im Baugewerbe genutzte industrielle Variante einen deutlich geringeren Anteil der Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) enthält als der Stoff, der Menschen in einen Rauschzustand versetzt: 0,03 % ggü. 5 bis 10 %.

Die Umweltverträglichkeit von Hanf ist beeindruckend. Laut einer Publikation von Salim Barbhuiya vom Department of Engineering and Construction der University of East London und Bibhuti Bhusan Das vom Engineering Department am National Institute of Technology Surathkal in Indien ist Hanf „eines der wenigen Materialien, die auch nach der Verwendung im Bauwesen weiterhin Kohlenstoff aufnehmen können. Dabei wird über die Lebensdauer des Gebäudes mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre gespeichert, als während des Baus ausgestoßen wurde.“

Barbhuiya und Bhusan Das weisen darauf hin, dass Hanf schnell wächst, nach nur 60 Tagen ausgewachsen ist und geerntet werden kann und „als Substanz ‚kohlenstoffnegativ‘ oder ‚besser als kohlenstofffrei‘ ist, da die Hanfpflanze mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnimmt, als sie während der Produktion und Anwendung auf der Baustelle ausstößt“.

Vor- und Nachteile

Hanfbeton wird schon seit einigen Jahren in Europa verwendet. Das Material kann für eine natürliche, luftdichte Dämmung sorgen und die Luftfeuchtigkeit von Gebäuden auf natürliche Weise regulieren. Außerdem ist es feuerfest und eignet sich aufgrund seiner Rissbeständigkeit hervorragend für erdbebengefährdete Regionen.

Doch trotz seiner eindeutigen Umweltfreundlichkeit hat die Verwendung von Hanfbeton anstelle der „echten“ Variante auch einige Nachteile. So weist Hanfbeton nur 15 % der Dichte von herkömmlichem Beton auf, während seine Druckfestigkeit nur ein Zwanzigstel des im Wohnungsbau eingesetzten Betons beträgt. Dies bedeutet, dass bei der Verwendung von Hanfbeton in vielen Situationen Stützrahmen aus anderen Materialien errichtet werden müssen oder er nur als Füllmaterial genutzt werden kann.

Außerdem sind die Kosten, die beim Bau mit Hanfbeton anfallen, ungefähr 10 % höher als beim Einsatz von herkömmlichem Beton. Weiterhin besteht beim Mischen der Materialien die Gefahr von Hautreizungen, obwohl Befürworter:innen von Hanfbeton betonen, dass dies auf die Verwendung von Kalk zurückzuführen ist und das Risiko durch die Verwendung von Arbeitshandschuhen und einer Maske verringert werden kann.

Diese Faktoren sollten die Branche jedoch nicht davon abhalten, die Verwendung von Hanfbeton unter passenden Bedingungen in Betracht zu ziehen, insbesondere im Hinblick auf die immer deutlicher werdenden Auswirkungen der aufkeimenden Klimakrise.

Das langfristige Potenzial von Hanfbeton

In der Publikation „Opportunities & challenges of hempcrete as a building material for construction: An overview“ (zu Deutsch: Möglichkeiten und Herausforderungen von Hanfbeton als Baumaterial: ein Überblick) argumentieren die Forscherinnen Madhura Yadav und Ayushi Saini, dass Hanf dank seiner Fähigkeit, schnell und ohne viel Wasser zu wachsen, das ideale Material für die Teile der Welt sein könnte, in denen Wasservorräte gering sind, zum Beispiel für Gegenden mit regelmäßigen Dürreperioden.

Unterdessen legen die Ergebnisse einer Studie von Forscher:innen der Universität Uppsala mit dem Titel „The potential of hemp buildings in different climates: A comparison between a common passive house and the hempcrete building system“ (zu Deutsch: „Das Potenzial von Hanfgebäuden in verschiedenen Klimazonen: Vergleich zwischen einem herkömmlichen Passivhaus und dem Hanfbeton-Bausystem“) nahe, dass Gebäude mit Hanfbeton auch in wärmeren Gebieten eine gute Leistung erbringen.

„Die hohe Wärmeträgheit und die feuchtigkeitsabweisende Wirkung des Materials tragen dazu bei, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in Innenräumen zu stabilisieren.

Außerdem sorgt der niedrige Wärmeeindringkoeffizient für eine geringe Übertragung der Oberflächentemperatur, sodass in der Nähe der Wände ein Gefühl von Wärme entsteht. Zudem ist die potenzielle Schadstoffemission durch die Materialien aufgrund der natürlichen Zusammensetzung praktisch null“, heißt es in der Studie weiter.

Es ist unwahrscheinlich, dass Hanfbeton den traditionellen Beton in absehbarer Zeit ablösen wird. Sein Potenzial stellt jedoch einen weiteren Schritt in Richtung eines nachhaltigeren Bausektors dar. Allein deshalb sollte das neuere Material in Betracht gezogen werden.

Dieses ungewöhnliche Baumaterial schmeckt außerdem gut auf Burgern