Die Baubranche steht vor einer enormen Herausforderung: Inmitten von neuen bahnbrechenden Technologien sollen Bauverfahren digitalisiert werden.
Die Baubranche hat vor allem mit der Interoperabilität von Systemen verschiedener Projektbeteiligter zu kämpfen. Die folgenden Faktoren treiben die Kosten aufgrund mangelnder Interoperabilität in die Höhe: manuelle Wiedereingabe von Daten in andere Anwendungen, Nutzung von unterschiedlichen Programmen mit gleichen Funktionen, Prüfung von verschiedenen Dokumentenversionen, erhöhter Zeitaufwand für die Bearbeitung von Informationsanfragen sowie Zahlungen an Data Translators. So kommen schnell mehrere Milliarden Dollar zusammen.
Seit 2013 arbeitet die Construction Progress Coalition (CPC) daran, dieses Problem zu lösen, indem sie versucht, das volle Potenzial des digitalen Wandels für die Baubranche auszuschöpfen. Die gemeinnützige Organisation mit Sitz in Denver im US-Bundesstaat Colorado arbeitet daran, Experten dazu zu motivieren, neue Branchenstandards für das digitale Zeitalter zu definieren und zu übernehmen. Doch vor allem möchte die CPC die Ergebnisse optimieren, indem sie die Anforderungen an Projekteinblicke auf die an die Dateninteroperabilität abstimmt.
Zu den wichtigsten Werkzeugen, die die CPC entwickelt hat, um dieses Ziel zu erreichen, zählt der allgemeine Datenaustausch (Common Data Exchange, CDX). Hierbei handelt es sich um ein strukturiertes Data Framework, anhand dessen man einfacher feststellen kann, welche Daten wichtig sind, wer sie bereitstellen muss und wie sie mittels Standards und Integrationen implementiert werden können. Laut der CPC-Website bietet CDX Bauexperten „digitale Kompetenz, um mithilfe offener Datenstandards und Gamification Interoperabilitätsanforderungen zu definieren.“
Partnerschaft mit Bluebeam
Im Frühjahr 2019 ging Bluebeam eine Partnerschaft mit der CPC ein, um aussagekräftige Forschungsarbeiten im akademischen Bereich der Branche zu fördern und zu finanzieren. Diese Forschungstätigkeiten sollen dem gemeinsamen Anliegen dienen, zur digitalen Transformation des Baugewerbes beizutragen. Zudem steht die Förderung engagierter Studierender, die als nächste Generation von Bauexperten eine tragende Rolle beim Umstellungsprozess spielen werden, im Zentrum der Initiative.
Bluebeam spendete 20.000 US-Dollar in Form eines Forschungszuschusses, um dieses Vorhaben zu fördern. Die Initiative wurde von studentischen Praktikanten des Generalunternehmens The Walsh Group und einem Studenten eines Masterstudiengangs der University of Texas geleitet.
Die Studierenden untersuchten jeweils einen branchenüblichen Arbeitsablauf anhand des CDX-Frameworks. Nach der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse im September 2020 erhielten alle Studierenden ein Basisstipendium in Höhe von je 2.500 US-Dollar. Außerdem wurden nach den Präsentationen zwei Bonusstipendien in Höhe von 2.500 US-Dollar vergeben. Die übrigen 5.000 US-Dollar gingen an den Forscher im Masterstudiengang, der zusätzlich ein White Paper veröffentlichte, in dem nach dem Abschluss der Forschungsarbeiten die Ergebnisse zusammengefasst wurden.
Die Empfänger des Stipendiums von der CPC und Bluebeam:
Abdullah Alsuhaibani: Student im Masterstudium – University of Texas
Forschungsschwerpunkt: Inspektionen zur Qualitätskontrolle
Trina Cook: Praktikantin bei The Walsh Group – Purdue University Northwest
Forschungsschwerpunkt: Informationsanfragen
Andrew Foley: Praktikant bei The Walsh Group – Purdue University
Forschungsschwerpunkt: Produktionsüberwachung
Jenna Levi: Praktikantin bei The Walsh Group – Ohio State University
Forschungsschwerpunkt: Dokumentenkontrolle
Verbesserung der Arbeitsabläufe in der Baubranche
Der Bluebeam Blog hat ein Interview mit zwei der prämierten Studierenden geführt, um einen Überblick über ihre Forschungsarbeit zu erhalten. Beide haben wertvolle Erkenntnisse für das Baugewerbe gewonnen, die umgesetzt werden sollten.
Inspektionen zur Qualitätskontrolle: Abdullah Alsuhaibani, Student im Masterstudium – University of Texas
Als ehemaliger Bauinspektor in Saudi-Arabien legte Alsuhaibani den Schwerpunkt seiner Forschung auf den Arbeitsablauf Qualitätsmanagement von Design-Build-Projekten des Texas Department of Transportation (TxDOT).
Wesentlich für die Forschung von Alsuhaibani waren die Aktenführung und der Austausch von vier Dokumenten unter den Projektbeteiligten.
Die Dokumente:
- Abweichungsbericht
- Checkliste für die Qualitätskontrolle
- Inspektionsbericht
- Täglicher Aktivitätsbericht
Die Beteiligten:
- TxDOT
- Zachry Construction als Design-Builder
- Eigentümerverifizierungsfirma
- Unabhängiges Qualitätsprüfungsunternehmen
Mithilfe des CDX-Frameworks machte Alsuhaibani einige Vorschläge für Änderungen des Arbeitsablaufs. Diese Änderungen sollen zur Reduzierung analoger Transaktionen und zur Optimierung der Datenverwaltung beitragen, z. B. durch die Begrenzung wiederholter Dateneingaben und die Bereitstellung einer eindeutigen Informationsquelle für Dokumente. Darüber hinaus zeigen Alsuhaibanis Ergebnisse, dass die Etablierung eines zentralen Systems für Arbeitsabläufe im Qualitätsmanagement zu mehr Transparenz und einer besseren Zusammenarbeit führen würde.
Alsuhaibani erklärt, dass ihm diese Forschungsarbeit dabei geholfen habe, wichtige Fragen zu stellen, um Schwachstellen und verbesserungsbedürftige Bereiche in der Baubranche aufzudecken.
„Im Rahmen dieses Forschungsprojekts habe ich viele Menschen befragt und konnte so meine Interviewfähigkeiten verbessern“, meint Alsuhaibani. Diese Erfahrung habe außerdem zu einem besseren Verständnis für die Probleme der Bauindustrie geführt und zwar nicht nur aus der Sicht eines Forschers, sondern auch aus Sicht derjenigen, die die Arbeiten ausführen.
„Abdullahs Untersuchungen waren sehr wertvoll für uns“, so Todd Sutton, Construction Technology Manager bei Zachry Construction, der während des Forschungsprojekts auch Alsuhaibanis Mentor war. „Dadurch haben wir unser gesamtes Team dazu gebracht, gemeinsam über die Nutzung seiner Forschungsergebnisse nachzudenken.“
Sehen Sie sich hier die gesamte Präsentation von Abdullah Alsuhaibani an.
Informationsanfragen: Trina Cook, Praktikantin bei The Walsh Group – Purdue University Northwest
Cook, die Bauingenieurwesen im höheren Semester studiert, untersuchte den Informationsanfrageprozess des Projekts „45th Street Railroad Bridge“ in Munster im US-Bundesstaat Indiana. Das mit 20 Millionen US-Dollar ausgeschriebene Bauprojekt umfasste eine Eisenbahnbrücke sowie eine Unterführung für Autos, um für einen flüssigen Verkehr zu sorgen.
„Ich war sofort an dem Informationsanfrageprozess interessiert, da ich mich schon während eines anderen Projekts damit beschäftigt hatte“, erzählt Cook. „Und ich weiß, dass es dabei immer viele Probleme gibt und sehr viele Verzögerungen von diesem einen Arbeitsablauf ausgehen.“
Cook konzentrierte ihre Forschung zu Informationsanfragen auf wichtige Bereiche der Bauphase wie Dashboards für die Zusammenarbeit, Entwurfsunterlagen sowie die Kosten- und Terminkontrolle.
Die Beteiligten:
- Munster, Indiana, als Eigentümer
- Architekt
- The Walsh Group als Generalunternehmer
- Subunternehmer
Cooks Forschungsschwerpunkt lag auf der Optimierung des bestehenden Informationsanfrageprozesses des Projekts unter Anwendung der CDX-Prinzipien. Bei dem bestehenden Prozess werden Dokumente über private Speichersysteme erstellt und eingereicht. E-Mails stellen das Hauptkommunikationsmittel der Beteiligten dar. Nach dem bestehenden Arbeitsablauf sind Generalunternehmer und Subunternehmer die einzigen Beteiligten, die auf Projektebene involviert sind. Informationsanfragen stellen für Dritte oftmals keine Priorität dar und die Kommunikation ist oft schlecht.
Nach Abschluss ihrer Untersuchungen bestand Cooks Vorschlag zur Optimierung dieses Arbeitsablaufs darin, dass Berichte zur Informationsanfragen für alle Beteiligten einsehbar und bearbeitbar sein sollten. Ihr Vorschlag umfasst auch die Implementierung neuer Technologien von allen Beteiligten des Informationsanfrageprozesses, Meetings zur Veranschaulichung der neuen Software sowie obligatorische Schulungen.
Durch diesen Ansatz würden alle in die Software eingegebenen Daten automatisch mit der Software aller Beteiligten synchronisiert werden, wodurch sich unnötige Doppelarbeit reduzieren ließe und Reaktionszeiten für Projektteams sichtbar würden, da automatische Warnungen versendet werden könnten. So könnte der Status von Informationsanfragen für alle Beteiligten einsehbar gemacht werden.
„Im Zuge dieser Forschungsarbeit musste ich mich intensiv mit den Abläufen in der Baubranche auseinandersetzen“, so Cook. „Ohne dieses Forschungsprojekt hätte ich während meines Praktikums einfach nur die mir zugewiesenen Aufgaben erledigt und wäre niemals so tief in die Thematik eingetaucht.“
„Dadurch habe ich mir definitiv einen Vorsprung verschafft und ein Verständnis dafür bekommen, wie alles auf gewisse Weise miteinander verbunden ist, besonders wie Informationsanfragen und Angebotsabgaben zusammenhängen und wie beides wiederum mit der Qualität zusammenhängt“, fügt Cook hinzu. „Ich konnte viele Verbindungen entdecken, die ich ohne das Forschungsprojekt nicht erkannt hätte.“
Sehen Sie sich hier die gesamte Präsentation von Trina Cook an.