5 wichtige Schritte für die digitale Transformation im Bauingenieurwesen

Expertin:innen beleuchteten die nötigen Schritte für Ingenieur:innen und Unternehmen in den verschiedensten Bereichen, von der Datendefinition bis zur Standardisierung digitaler Verfahren

Der digitale Wandel im Bauwesen bietet beträchtliche Vorteile für eine Branche mit hohen Risiken, die dringend ihre Effizienz und Produktivität steigern muss. Die britische „Institution of Civil Engineers“ (ICE), eine Vereinigung von Bauingenieur:innen, lud im Oktober 2021 Fachexpert:innen zu einem runden Tisch ein, um die für die Digitalisierung erforderlichen Schritte und Prozesse zu analysieren. 

Expert:innen von Branchen- und Technologieanbietern nahmen an der Debatte teil, die vom ICE Digital Community Advisory Board zusammen mit Bluebeam, einem Entwickler von Technologielösungen für Fachpersonal in der Baubranche weltweit, einberufen wurde. 

Das Gremium befasste sich mit fünf Schlüsselbereichen, auf die sich Unternehmen zur Verbesserung ihrer Geschäftsergebnisse konzentrieren sollten. Zudem wurden die möglichen Auswirkungen auf Menschen, Informationen, Technologien und Prozesse untersucht. 

1. Schaffen und Nachverfolgen einheitlicher Daten zur Erreichung gesetzter Ziele 

Die Expert:innen betonten, wie wichtig es sei, alle Beteiligten von Anfang an mit ins Boot zu holen. 

„Manchmal vergessen wir, das Thema Daten bei der Vertragsverhandlung zur Sprache zu bringen, da wir sehr auf den Bau fokussiert sind“, so Rikesh Shah, Head of Commercial Innovation bei Transport for London, Mitleiter der Debatte. 

Das Gremium merkte an, dass eine solche Diskussion Grundlinien für die Projektdefinition und den Projektumfang sowie einheitliche Dateiformate und gemeinsame Datenstandards umfassen sollte. 

Zu diesem Zweck sollten die Ingenieur:innen den Informationsbedarf für jede Phase des Lebenszyklus eines Projekts oder einer Anlage und die gewünschten Ergebnisse berücksichtigen. Klare Beispiele für die Datendefinition von Anlagen, die Struktur und den erforderlichen Detaillierungsgrad sind hierfür hilfreich. 

„Mithilfe dieses Maßes an Definition und klaren Beispielen können die Beteiligten besser verstehen, warum die Daten gebraucht werden und wie man sie verwendet“, erklärte Ricardo Bittini Miret, Strategic Engagement Leader bei Autodesk. 

Laut Expert:innen muss zunächst ein klares Verständnis der Verwendungszwecke der Daten entwickelt werden, damit ermittelt werden kann, welche Daten erfasst werden müssen und so eine Datenüberlastung vermieden werden kann. 

2. Konzentrieren auf Standardisierung anstatt Maßarbeit 

Gleichzeitig empfahl das Gremium, maßgeschneiderte Anforderungen und Methoden so weit wie möglich zu vermeiden, da dies die Schaffung und Akzeptanz von branchenweiten Standards aufhalten würde. Auf diese Weise können auch bestimmte Hürden im Bereich NDAs/private Datensätze überwunden werden, indem die Art und Weise, wie Daten geteilt werden, über die Standard-Sicherheitsrichtlinien hinaus standardisiert wird. 

„Daten sollten demokratisiert werden und für alle zugänglich sein: Die Schaffung von Klarheit und Transparenz ist eine der schwierigsten Aufgaben“, so James Chambers, Regional Director bei Bluebeam. 

Das Gremium war sich einig, dass jegliche Datenquellen eines Projektes zugänglich sein sollte, die aus rechtlichen, sicherheits-, datenschutz- oder wettbewerbsvollen Gründen nicht vertraulich bleiben müssen. Gleichzeitig betonten die Expert:innen den Bedarf an Schulungen für Ingenieur:innen, um diese Faktoren besser zu verstehen. 

Die Expert:innen hoben zudem hervor, dass die Beschäftigung von Datenwissenschaftler:innen und -analyst:innen in einer Branche, in der diese Berufe traditionell nicht vertreten sind, den Umfang und die Qualität von Datengewinnung und Analytik verbessern wird. 

Außerdem wurde angesprochen, dass eine Branche, in der Erfolge und Erfahrungen oft nur an einem einzigen Standort oder in einem einzigen Unternehmen gesammelt werden, als Ganzes davon profitieren kann, wenn Daten geteilt und zugänglich gemacht werden. 

3. Gewährleisten der Beteiligung von Stakeholder:innen 

Sogar die besten Technologielösungen führen ohne ausreichende Überzeugung der beabsichtigten Benutzer:innen nicht zum Erfolg. Unternehmen müssen also erkennen, dass Mitarbeiter:innen und Prozesse genauso wichtig sind wie die Technologie. 

Das Gremium empfahl Unternehmen daher, den größtmöglichen Nutzen aus der Einführung digitaler Technologien zu ziehen, indem sie sicherstellen, dass digital versierte Hochschulabsolvent:innen mit erfahrenen Ingenieur:innen zusammenarbeiten. 

Die Unterstützung der Mitarbeiter:innen bei der Erarbeitung eines umfassenden Verständnisses der gewünschten Ergebnisse und der möglichen Effizienzsteigerungen wird ebenfalls zum Erfolg beitragen. 

4. Schaffen einer effizienten gemeinsamen Datenumgebung 

Mark Enzer, Mitleiter des runden Tisches, ist Chief Technical Officer bei Mott MacDonald und Head of the National Digital Twin Programme beim Centre for Digital Built Britain, einer Initiative für die Verwendung digitaler Technologien in der Baubranche. Er erklärte, dass die Technologie nicht als Allheilmittel für die Probleme der digitalen Transformation des Bauwesens angesehen werden dürfe. 

„Die Transformation ist mehrschichtig und umfasst Menschen, Informationen, Prozesse und Technologien, wobei letztere bewusst eine kleinere Rolle spielen sollte“, sagte er. 

Eine gemeinsame Datenumgebung (Common Data Environment, CDE) ist eine digitale Ressource, die zur Erfassung, Verwaltung und Verteilung von Dokumenten, dem grafischen Modell und anderen Daten für die Nutzung im gesamten Projektteam verwendet wird. Sie ist ein grundlegender Aspekt der Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modelling, BIM). 

Die Expertenrunde wies darauf hin, dass eine effiziente gemeinsame Datenumgebung durch den Informationsbedarf und die gewünschten Ergebnisse der Beteiligten definiert werden muss. Daher sollte ein Projektteam vor der Auswahl eines CDE eindeutig festlegen, welche Art von Umgebung benötigt wird. 

Es gibt eine Vielzahl von verfügbaren digitalen Lösungen für das Bauingenieurwesen; die ausgewählten Lösungen sollten also ein gewisses Maß an Interoperabilität ermöglichen. 

Heba Bevan ist Gründerin von UtterBerry, einem Unternehmen, das künstlich intelligente Sensoren entwickelt hat, die „Big Data“-Sätze produzieren. Laut Bevan sollte das Datenformat in einem Vertrag festgelegt werden, um sicherzustellen, dass es zwischen den Plattformen ausgetauscht werden kann. Sie fügte außerdem hinzu, dass ein CDE flexibel genug sein muss, um Daten für alle potenziellen Interessent:innen freizugeben. 

Enzer schlug jedoch als übergreifende Überlegung vor, dass digitale Lösungen vereinfacht und verständlich gemacht werden müssen, um eine breite Übernahme in der Branche zu fördern. 

5. Standardisieren digitaler Praktiken für die Steigerung der Projekteffizienz und -transparenz 

„Die nahtlose Integration wird die Einführung und Wartung bedeutend vereinfachen“, so Alan Mosca, Mitbegründer und Chief Technology Officer bei nPlan, einem KI-Anbieter für Projektprognosen. 

Laut Mosca sei Automatisierung der Schlüssel für optimierte Projekte, damit man sich nicht mehr auf manuelle Prozesse wie das Hochladen von PDFs verlassen muss. 

Nur durch die Aufschlüsselung und Definition von Standardprozessen in jeder Phase des Lebenszyklus eines Projekts/einer Ressource können wir feststellen, welche Aspekte automatisiert werden können. Die Expert:innen stellten jedoch fest, dass die Unternehmen wegen mangelnder Standardlisten für sich wiederholende Prozesse derzeit auf die Erstellung von individuell angepassten Listen angewiesen sind. 

Um diesem Problem entgegenzuwirken, empfahl das Gremium Ingenieur:innen, Lektionen aus großen Projekten im öffentlichen Sektor zu ziehen. 

„Bei der Gründung der HS2 (High Speed 2) wurde viel Zeit mit der Definition der gemeinsamen Datenumgebungen und der Einbindung der Lieferketten verbracht“, so James Roundtree, Vice President bei Jacobs und Advisory Board Member der ICE.

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