Sind Holzwerkstoffe die Lösung für mehr Nachhaltigkeit im Baugewerbe?

Als Reaktion auf den Klimawandel wächst der Druck auf die Bauindustrie, nachhaltigere Materialien für Bauprojekte zu verwenden. Im Zuge dieser Entwicklung gewinnt Holz zunehmend an Bedeutung.

Geschichtlicher Abriss des Holzbaus

Jahrhundertelang bestanden Gebäude hauptsächlich aus Holz. Bäume waren im Überfluss vorhanden und die Baustofftechnik steckte noch in den Kinderschuhen, wodurch Holz zum bevorzugten Baumaterial wurde.

Mit dem Aufkommen von Ziegeln und später Stahl und Beton rückte Holz im Baugewerbe in den Hintergrund. Gebäude aus Stahl und Beton konnten höher sein, waren widerstandsfähiger und daher haltbarer.

Doch die Gewinnung und Verarbeitung dieser Materialien stellt eine große Belastung für die Umwelt dar. Die wachsende Besorgnis über den Klimawandel in den letzten Jahren – und den Beitrag des Baugewerbes dazu – hat Holz zu einem Comeback verholfen.

Was ist ein Holzwerkstoff?

Als Holzwerkstoff bezeichnet man Bauplatten, Pfosten oder Träger aus mehreren Holzschichten, die zusammengenagelt oder mit Leim zusammengepresst wurden. Für zusätzliche Stärke weisen die Schichten dabei ein senkrechtes Muster auf.

Laut dem Forest Stewardship Council (FSC) sind Holzwerkstoffe zwar leichter als Stahl und Beton, können diesen beiden neueren Baustoffen aber dennoch überlegen sein.

Arten von Holzwerkstoffen

Brettsperrholz (Cross-Laminated Timber, kurz: CLT)

Die Ursprünge der wohl bekanntesten Holzart, dem Brettsperrholz (Cross-Laminated Timber, kurz: CLT), liegen in den Waldgebieten von Zentraleuropa und Skandinavien. In der modernen Bauindustrie machte sich der Baustoff allerdings erst vor ungefähr 30 Jahren in Österreich und der Schweiz einen Namen.

CLT besteht aus Schichten von ofengetrocknetem Bauholz, die laut Naturally: Wood, einem Zweig des kanadischen Unternehmens Forestry Innovation Investment (FII), kreuzweise und im rechten Winkel zueinander angeordnet und dann zu Bauplatten verleimt werden. „Durch das kreuzweise Verleimen von Holz im rechten Winkel bietet die Platte eine hervorragende strukturelle Stabilität in beide Richtungen“, heißt es in der Definition des FII weiter.

Laut dem FSC „eignet sich [CLT] besonders für Böden, Wände und Decken und kann aufgrund seiner Widerstandsfähigkeit gut in Mehrzweckgebäuden eingesetzt werden.“ Außerdem sorgt das leichte Gewicht von CLT für „Flexibilität und Stabilität gegenüber Windlasten.“

Die BRE Group, eine in Großbritannien ansässige Gruppe aus Forscher:innen, Wissenschaftler:innen, Ingenieur:innen und Techniker:innen aus dem Bereich gebaute Umwelt, hebt die Möglichkeiten von CLT für eine „trockene und schnelle Konstruktion auf der Baustelle mit einer hohen Luftdichtheit und Stabilität für Wand- und Bodenstrukturen, die für die meisten Oberflächen im Innen- und Außenbereich geeignet ist“, hervor.

Die BRE Group stellt fest, dass die Verarbeitung von CLT nur wenige neu zu erlernende Fähigkeiten erfordert. Gleichzeitig kann die Holzart aufgrund ihres geringen Gewichts abseits der Baustelle leicht verarbeitet werden, wodurch die Arbeit auf der Baustelle potenziell sauberer und effizienter wird.

Genageltes Brettstapelholz (Nail-Laminated Timber, NLT)

Neben CLT gibt es noch weitere Holzwerkstoffarten. Genageltes Brettstapelholz (NLT), dessen Geschichte mehr als 100 Jahre zurückreicht, besteht aus Holzteilen, die zusammengenagelt wurden.

Die Kampagne „Think Wood“ sieht die breite Verfügbarkeit als Hauptgrund für die Wiederentdeckung von NLT. Anders als CLT benötigt es keine spezielle Produktionsstätte und kann aus leicht verfügbarem Holz hergestellt werden.

Für gedübeltes Brettstapelholz werden die einzelnen Holzstücke nicht verklebt, sondern mit Dübeln miteinander verbunden. So entstehen laut Hersteller Eurban halbfertige Boden- und Dachplatten.

Leimholz („Glued-Laminated Timber, kurz: „Glulam“ oder GLT)

Neben Nägeln und Dübeln wird auch Leim sehr häufig als Verbundmaterial bei den Holzwerkstoffen verwendet. Leimhölzer werden aus geglätteten Schichten hergestellt, die mit Leim zusammengepresst werden.

Vorteile des Holzbaus

Der Bau mit Holzwerkstoffen bietet eine Vielzahl von Vorteilen. Wie das US-amerikanische Bauunternehmen CD Construction (CDC) betont, ist Holz ein natürlicher und nachhaltiger Baustoff mit einem geringeren CO2-Fußabdruck als Stahl oder Beton.

Außerdem ist es nachweislich tragfähig und kann die gleichen Standards in Sachen Leistung und Sicherheit erfüllen wie Gebäude aus Stahl und Beton.

Da Holz viel Kohlenstoff bindet, lösen Holzgebäude das Emissionsproblem. Laut CDC hat ein 18-stöckiges Holzgebäude beispielsweise einen negativen CO2-Fußabdruck, der 2.350 Autos weniger auf den Straßen pro Jahr entspricht.

Angesichts der jüngsten Brandkatastrophen in Gebäuden aus Stahl und Beton sind Bedenken bei der Verwendung von Holz für Wohnanlagen, insbesondere bei Hochhäusern, verständlich.

Laut GreenSpec, einem Beratungsunternehmen für umweltfreundliches Bauen, können CLT-Platten jedoch so hergestellt werden, dass sie zumindest für 30 bis 90 Minuten feuerbeständig sind. Bei diesem Prozess des sogenannten Verkohlens fängt die äußere Schicht Feuer und isoliert auf diese Weise die inneren Schichten. „Die Feuerbeständigkeit [von CLT] ist um Längen besser als die eines einfachen Holzrahmens“, heißt es im Statement von GreenSpec weiter.

Allerdings lassen sich damit nicht alle Bedenken vollständig ausräumen. Branchenbeobachter:innen halten es daher für entscheidend, dass Bauträger bereits in der Frühphase eines Pojekts mit Brandschutzexpert:innen zusammenarbeiten und dabei ein Augenmerk auf umfassende Tests und Modelle für den Brandfall legen.

Nachteile des Holzbaus

In Bezug auf die Nachteile beim Bau mit Holzwerkstoffen zeigt die US-amerikanische Building Materials Safety Coalition eine Reihe von Problemen auf. Dazu gehören unter anderem Risiken in Lieferkette und Terminplanung durch eine begrenzte Verfügbarkeit von CLT, ein Mangel an Fachkräften für die Verwendung des Materials sowie die Auswirkungen von CLT – insbesondere von offenen Balken – auf Versicherungstarife und Projekthaftung.

Laut dem auf Finanzdienstleistungen spezialisierten Unternehmen Gallagher ist das Wissen um Holz in der Versicherungsbranche – sowohl auf der Ebene der Makler als auch der Versicherer – relativ gering.

„Außerdem mangelt es an belastbaren statistischen Erfahrungen. Das heißt, dass Versicherer ihre Preise auf eine begrenzte Stichprobe stützen müssen und noch dazu auf eine Stichprobe, die in Großbritannien unglücklicherweise einige Brandkatastrophen aufweist“, so Gallagher.

All das macht das Risikogeschäft mit Holz auf einem ohnehin harten Markt zu einer noch größeren Herausforderung, so das Unternehmen weiter.

Andrew Carpenter, Geschäftsführer der Structural Timber Association, meint, dass die Steigerung der Nutzung von Bauholz entscheidend für die Einhaltung der Verpflichtungen des Baugewerbes zur Klimaneutralität ist. „Um Versicherungshürden zu überwinden, muss die Branche allerdings einen pragmatischen Ansatz hin zu hybriden Modellen beim Bau verfolgen.“

Er fügt hinzu: „Die Versicherungsbranche muss auch darauf vertrauen können, dass die Leistung des Materials auf die entsprechende Kompetenz bei den Fachkräften trifft, die es verbauen.“

Beispiele für Holzgebäude

Eines der berühmtesten Beispiele für ein modernes Hochhaus aus Holz stellt der Mjøstårnet in Norwegen dar. Der 18-stöckige, gemischt genutzte Turm mit einer Höhe von 85 Metern wurde 2019 fertiggestellt. Er wurde in Abschnitten errichtet, die am Boden zusammengefügt und dann mit Kränen an ihre jeweilige Position gebracht wurden.

Das Dalston Works in London nahm bei seiner Fertigstellung 2017 in Anspruch, das weltweit größte Gebäude aus CLT zu sein. Die 10-stöckige Wohnanlage mit 121 Wohneinheiten ist vollständig aus CLT gefertigt – von den Außen-, Wohnungstrenn- und Stützwänden bis hin zu Böden und Treppen.

Dabei hat das Gebäude nur ein Fünftel des Gewichts eines Stahlgebäudes von vergleichbarer Größe und die Anzahl der Lieferungen konnte um 80 % reduziert werden, so das Architekturbüro Waugh Thistleton.

Das Sara Cultural Center im schwedischen Skellefteå ist ein 75 Meter hohes Hotel mit 20 Stockwerken. Es wurde aus vorgefertigten CLT-Modulen gebaut, die um zwei Aufzugschächte gestapelt sind. „Dank der Position und des Designs der Schächte können sie vollständig aus CLT gefertigt sein“, so das Architekturbüro White Arkitekter.

BILDNACHWEIS: White Arkitekter.

Stellen Holzgebäude die Zukunft dar?

In Zeiten eines wachsenden Klimabewusstseins wird sich die Verwendung von Holzwerkstoffen als attraktiv erweisen. Es gibt jedoch auch Risiken und die Frage nach der Feuerbeständigkeit dieser Baustoffe wird auf der Liste der häufig gestellten Fragen von Bewohner:innen und Gebäudeinspektor:innen weltweit ganz oben stehen.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Nachhaltigkeits- und Umweltaspekten werden Holzwerkstoffe wie CLT aller Voraussicht nach trotzdem ihren Marktanteil erhöhen und eine größere Rolle bei der Gestaltung einer umweltfreundlicheren gebauten Umwelt spielen.

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