Performancefeedback im Bauwesen

So können Führungskräfte in der Baubranche ihren Mitarbeitenden sinnvolles Feedback geben – gutes wie schlechtes

Führungskräften fällt es oft schwer, mit Mitarbeiter:innen über deren aktuelle Performance und langfristige Karriereziele zu reden. Wir erklären, wie es trotzdem gelingt.

Illustration von FOES Artlab

Jährliche Leistungsbeurteilungen sind eine altehrwürdige Praxis in der Unternehmenswelt. Sie geben Führungskräften die Gelegenheit, sich mit ihren Mitarbeiter:innen zusammenzusetzen und deren Arbeit zu evaluieren, gemeinsam neue Ziele für das nächste Jahr zu setzen und über die langfristige Weiterentwicklung zu sprechen.

Doch als formaler Akt können Leistungsbeurteilungen auch eine Belastung sein, da sie Manager:innen und ihre Mitarbeiter:innen von den täglichen Aufgaben ablenken. Sie verlangen beiden Seiten einiges an Vorbereitungsarbeit ab, da jeder das letzte Jahr noch einmal Revue passieren lassen muss, um sich an die Höhen und Tiefen zu erinnern. Ein weiteres Problem ist der Papierkram, der traditionell mit dem formellen Leistungsmanagement einhergeht, und der Manager:innen und Führungskräften zum Jahresende hin viel Arbeit abverlangt.

Für manche Mitarbeiter:innen und Führungskräfte ist das ganze Unterfangen demotivierend. Gallup berichtete von einer Studie, aus der hervorgeht, dass sich durch traditionelle Performancebeurteilungen die Leistung der Mitarbeiter:innen tatsächlich um etwa 30 % verschlechterte. Und in einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2019 stimmten nur 14 % der Arbeitnehmer:innen voll zu, dass Leistungsbeurteilungen zu einer Verbesserung ihrer Performance führen.


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Das bedeutet jedoch nicht, dass Mitarbeiter:innen das Feedback ihrer Vorgesetzten nicht wertschätzen. Viele von ihnen wünschen sich sogar mehr davon – und zwar häufiger. Wird diesem Wunsch nachgekommen, verbessert sich auch ihre Leistung. Gallup fand in diesem Kontext heraus, dass Arbeitnehmer:innen, die von ihren Vorgesetzten wöchentliches Feedback statt nur jährliche Beurteilungen erhalten, mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit motiviert sind, hervorragende Arbeit zu leisten, und sich mit fast dreimal höherer Wahrscheinlichkeit für ihre Arbeit engagieren.

Besonders schwierig sind traditionelle Leistungsbeurteilungen in der Baubranche, da ein Großteil der Belegschaft teilweise in Büros und teilweise auf der Baustelle arbeitet. Außerdem ist an den einzelnen Aufträgen oft nicht nur ein einziges Unternehmen, sondern eine Vielzahl von Subunternehmern und Handwerksbetrieben beteiligt. Hier fällt es schwer, einen Mehrwert aus dem traditionellen Evaluierungsmodell zu ziehen.

Auch die Hektik auf der Baustelle und die engen Deadlines von Bauprojekten lassen nicht gerade viel Zeit für Projektleiter:innen und Manager:innen, um ausführliche Performancegespräche mit jedem einzelnen Mitarbeitenden zu führen. Alles in allem ist es unter diesen Umständen nicht wirklich sinnvoll, jährliche Evaluierungen durchzuführen.

Laut Brett Walsh, Executive Vice President of Human Resources and Organizational Development bei Graycor, einem US-amerikanischen Bauunternehmen, ist regelmäßiges Feedback – Lob ebenso wie Kritik – der Schlüssel zum Unternehmenswachstum.

„Ob wir wachsen und das Unternehmen voranbringen können, hängt ganz von den Menschen ab, die wir mit neuen Aufgaben betrauen“, erklärt Walsh. „Wenn Sie also jemandem in der jetzigen Rolle kein Feedback geben, wird es für diese Person schwierig sein, in diesem Job gute Leistungen zu erbringen. Und es wird noch schwieriger für sie sein, ihre Fähigkeiten im nächsten Job unter Beweis zu stellen.“

Natürlich ist auch klar, dass eine Performanceevaluierung, die am Jahresende stattfindet, Mitarbeiter:innen ein ganzes Jahr lang im Unklaren darüber lässt, wie ihre Leistung bewertet wird. „Der Arbeitsplatz ist der beste Ort, um etwas dazuzulernen“, gibt Walsh zu bedenken. „Feedback und Coaching, positives Verhalten umgehend loben – das ist das Einmaleins der Verhaltenswissenschaft.“

Doch inmitten hektischer Baustellen und unerbittlicher Deadlines ist es nicht immer leicht, Erfolge zu feiern und Fehler angemessen zu handhaben. Deshalb haben wir Fachleute aus Baugewerbe und Personalberatung um deren Tipps dafür gebeten, wie Sie Ihren Mitarbeiter:innen sowohl positives als auch negatives Feedback vermitteln können.

Berechtigte Kritik muss ans Licht

Nur wenige Menschen überbringen gerne schlechte Nachrichten. Doch Ihre Mitarbeiter:innen können sich nicht weiterentwickeln, wenn sie immer wieder die gleichen Fehler machen dürfen. Und in einer Kultur in der Baubranche, in der Soft Skills oft Mangelware sind und Anweisungen öfter gebrüllt als tatsächlich „kommuniziert“ werden, ist es wichtig, sich Gedanken über die richtige Vermittlung zu machen.

Im Folgenden finden Sie drei Strategien für eine effektive Vermittlung von Kritik:

Achten Sie auf Ausreden und Begründungen – und erkennen Sie die Unterschiede

Ashley Cox, Gründerin und CEO von SproutHR, einer Personalberatungsfirma, rät dazu, beim persönlichen Gespräch mit Mitarbeiter:innen erst einmal davon auszugehen, dass diese nur die besten Absichten haben, und wahrscheinlich nervös sind. Achten Sie aber auch gleich von Anfang an darauf, ob Ihr Gegenüber Ausreden und Begründungen anbringt.

Wenn Mitarbeiter:innen immer wieder zu spät zur Arbeit kommen, wäre eine Ausrede beispielsweise, dass sie nicht rechtzeitig aus dem Bett kommen. In diesem Fall sollten ihre Vorgesetzten ihnen helfen, Wege zu finden, persönliche Verantwortung zu übernehmen, empfiehlt Cox.

Wenn Mitarbeiter:innen jedoch regelmäßig erst nach 9:00 Uhr am Arbeitsplatz eintreffen, da die Schule ihrer Kinder erst um diese Uhrzeit öffnet, handelt es sich dabei um einen Grund, nicht um eine Ausrede. Hier lohnt es sich, das Problem zu besprechen, und möglicherweise eine Lösung zu suchen, erklärt Cox. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen engagierte und zufriedene Mitarbeiter:innen möchten, ist es wichtig, jeden Einzelnen im Gesamtkontext zu betrachten. „Wenn Sie sich wirklich gut um Ihre Mitarbeitenden kümmern, dann werden diese sich auch gut um Ihr Unternehmen kümmern“, fügt Cox noch hinzu.

Nicht mit dem Finger auf andere zeigen

Wes Guckert, President und CEO von The Traffic Group, einem Unternehmen für Straßenverkehrsentwicklung, findet für die Durchführung von Evaluierungsgesprächen Inspiration in der Paartherapie. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, redet er zunächst darüber, wie er sich selbst fühlt und wie die Handlungen des Einzelnen sich auf das Unternehmen auswirken.

„Man kann zum Beispiel sagen: ‚Ich habe das Gefühl, Sie nutzen die Tatsache aus, dass ich Ihnen erlaube, ein paar Minuten zu spät zu kommen. Mir kommt es so vor, als passiert das immer häufiger“, gibt Guckert als Beispiel. „… mir scheint es daher, dass Sie Ihren Teil unserer Abmachung nicht einhalten.“

Wenn Sie das Problem auf diese Weise angehen, so Guckert weiter, ist es weniger wahrscheinlich, dass Ihre Mitarbeiter:innen in die Defensive gehen, während Sie gemeinsam mit Ihren Angestellten über die nächsten Schritte nachdenken.

Mit Fokus auf der Weiterentwicklung

Thomas Merritt, ein regionaler Geschäftsführer bei Anser Advisory, einer Projektberatungsfirma, leitet schwierige Gespräche ein, indem er offene Fragen stellt, z. B. wie eine bestimmte Situation besser hätte bewältigt werden können. „Es geht eher darum, dass jemand etwas dazulernt, nicht darum, jemanden zu maßregeln“, erklärt Merritt. „Wenn das negative Verhalten sich jedoch wiederholt und sich nichts ändert, kann beim nächsten Gespräch schon konkret gemahnt werden.“

Auch Lob muss ans Licht – ins Rampenlicht!

Ashley Cox hat uns auch verraten, dass es für die Mitarbeitermotivierung und -bindung sehr wichtig ist, das Positive im Verhalten von Mitarbeiter:innen hervorzuheben.

Durch positives Feedback wissen Mitarbeiter:innen, dass sie gute Arbeit leisten und dass sie auf dem Weg sind, ihre Ziele zu erreichen, so Cox. Solches Lob können Sie auf ganz unterschiedliche Weise verteilen, etwa im Gespräch unter vier Augen, beim wöchentlichen Teammeeting vor versammelter Mannschaft oder aber auf den Social-Media-Auftritten Ihres Unternehmens.

„Am einfachsten ist es, ein Lob in dem Moment auszusprechen. indem es angebracht ist“, rät Cox. „Wenn Sie dankbar sind, sagen Sie Ihren Mitarbeiter:innen, dass Sie dankbar sind. Wenn Sie erleichtert sind, sagen Sie Ihrem Team, dass Sie erleichtert sind. Es geht hier um die menschliche Verbindung.“

Der Mensch im Mittelpunkt

Auch formale Evaluierungen können nach wie vor sinnvoll sein, so Cox. Sie bieten Vorgesetzten die Gelegenheit, mit ihren Mitarbeiter:innen über die Ziele des Unternehmens und den Beitrag der einzelnen Beteiligten zu reden. Ob diese Gespräche nur einmal im Jahr oder einmal im Quartal stattfinden, hängt ganz vom jeweiligen Unternehmen ab.

Bei Graycor wurde zum Beispiel eine Plattform für das Leistungsmanagement und die Schulung implementiert, auf der die Ziele und andere Benchmarks der Mitarbeiter:innen nachverfolgt werden. Vorgesetzte werden dazu angeregt, sich dort alle drei bis vier Monate – je nach Bedarf – mit der Evaluierung ihrer Mitarbeiter:innen zu beschäftigen. „Unsere erfolgreichsten Manager mit den effektivsten Teams nutzen die Plattform regelmäßig und sehr erfolgreich“, erklärt Walsh.

Zudem merkt er an, dass es beim Feedbackprozess schlussendlich nicht so sehr um die konkreten Abläufe geht, die im jeweiligen Unternehmen implementiert werden, sondern um die Menschen, die dieses Feedback überbringen.

„Es ist einfacher für Mitarbeiter:innen, Feedback von jemandem anzunehmen, der ehrlich über seine eigenen Fehler und Schwachstellen redet. Sie müssen dem Feedback dieser Person vertrauen können und wissen, dass hinter der Evaluierung gute Absichten stecken“, erklärt er. „Nicht nach dem Motto: ‚Ich weiß, wie’s geht, und Sie sollten sich ein Beispiel an mir nehmen.’ Wer so mit anderen redet, bleibt nicht lange bei uns.“

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