Soft Skills können die Führungskultur in der Bauindustrie verändern

Warum immer mehr Führungskräfte im Baugewerbe feststellen, dass ein freundlicher, verständnisvoller Führungsansatz den Erfolg auf der Baustelle erhöht.

Illustration von Dalbert Vilarino

Baustellen können sich permanent verändernde und chaotische Orte sein, auf denen sich Zeitpläne ständig verschieben – je nach Wetter, der Pünktlichkeit der Materiallieferungen und den zahllosen Subunternehmern, die eigenständig, aber aufeinander abgestimmt unter prekären Bedingungen arbeiten.

„In einer perfekten Welt läuft eine Baustelle wie eine gut geölte Maschine“, sagt Chad Czerwinski, Baustellenleiter der Pepper Construction Group im US-Bundesstaat Illinois. Aber so läuft es nicht immer. Fehler und Pannen passieren und weil viel Geld auf dem Spiel steht, ist das Konfliktpotenzial groß. „Eine der schwierigsten Aufgaben ist es, alle dazu zu bringen, sich zu vertragen“, so Czerwinski.

Und wenn es jeden Tag zu Streitereien kommt oder lang angestaute Feindseligkeiten eskalieren, sind diese zwischenmenschlichen Konflikte oft nicht mehr nur als lästige Störfaktoren abzutun. Sie können zu Unfällen führen, die Produktivität beeinträchtigen sowie Fehlzeiten, Personalfluktuation und teilweise teure Rechtsstreitigkeiten und Schiedsverfahren zur Folge haben.

Nicht jede Meinungsverschiedenheit ist vermeidbar. Viele Konflikte können jedoch abgewendet werden, wenn Führungskräfte Soft Skills, also zwischenmenschliche Fähigkeiten wie aktives Zuhören und Teamwork, vorleben und eine Kultur schaffen, die eine gute Zusammenarbeit fördert.

„Zwischenmenschliche Probleme wirken sich auf alle aus, nicht nur auf die Personen, die an dem Konflikt beteiligt sind, sondern auch auf die, die mit hineingezogen werden“, so Kimberly Prescott, Präsidentin und Gründerin von Prescott HR, einer Personalberatungsfirma aus dem US-Bundesstaat Maryland. „Das Ganze bewirkt einen Schneeballeffekt.“

Wie werden Probleme zu Auseinandersetzungen?

Streitigkeiten am Arbeitsplatz sind kostspielig – unabhängig von der Branche. Laut einem Bericht von CCP Global Human Capital sind US-Arbeitgebern 2008 aufgrund von Konflikten Kosten in Höhe von schätzungsweise 359 Milliarden US-Dollar entstanden. Im Baugewerbe sieht es ähnlich aus, wie ein Bericht von Julie L. Brockman, außerordentliche Professorin an der School of Human Resources and Labor Relations der Michigan State University, zeigt.

Brockman analysierte 41 Konflikte auf Baustellen und stellte fest, dass sich die durchschnittlichen Kosten je Vorfall auf fast 11.000 US-Dollar (9.341 Euro) beliefen. Die Bewältigung eines Konflikts nahm durchschnittlich 161 Stunden oder etwa 20 Arbeitstage in Anspruch.

Diese Konflikte werden in der Regel nicht durch einen Hitzkopf ausgelöst, stellt Brockman fest. Auslöser für Streitigkeiten sind stattdessen oft Sicherheitsprobleme, fehlende Ausrüstung, die Koordination der verschiedenen Auftragnehmer oder Zweifel an der handwerklichen Ausführung. Reibereien zwischen den Projektbeteiligten werden dann durch Unzufriedenheit mit dem System ausgelöst.

„Konflikte entstehen oft dort, wo ein Problem gelöst werden muss“, meint Brockman. „Immer dann, wenn es persönlich wird, wird ein Problem zum Konflikt.“

Wenn man Menschen im Baugewerbe in einem zwanglosen Gespräch fragt, welche Kompetenzen die Arbeit auf Baustellen nachhaltig verbessern würden, gehören laut Brockman zwei zwischenmenschliche Fähigkeiten – Kommunikations- und Sozialkompetenz – zu den fünf am häufigsten genannten. Aber es wird oft wenig in Schulungsprogramme investiert, um diese Fähigkeiten zu kultivieren. „Teilweise wegen der geringen Gewinnspannen, denn der Wettbewerb in der Branche ist enorm“, so Brockman. „Also müssen sich Baustellenleiter entscheiden, wo der Fokus liegen soll.“

Zwischenmenschliche Fähigkeiten sind von den fachlichen Qualifikationen, die normalerweise in Stellenbeschreibungen aufgelistet werden, wie Zertifikate oder technische Kenntnisse zu unterscheiden. Soft Skills beziehen sich auf die Art und Weise, wie wir mit anderen Menschen umgehen. Beispiele sind Aufgeschlossenheit, kritisches Denken, Problemlösungsfähigkeit, Organisationstalent, effektive Kommunikation und – vielleicht am wichtigsten – Einfühlungsvermögen.

Dies sind in der Regel Persönlichkeitsmerkmale, die schwer zu vermitteln sind, so Prescott. Aber die Angelegenheit ist nicht hoffnungslos. „Ich bin überzeugt, dass wir die Stärken fördern können, die Menschen bereits besitzen“, ergänzt sie.

Im Folgenden werden vier Möglichkeiten zur Schaffung eines Arbeitsumfelds beschrieben, das zwischenmenschliche Fähigkeiten fördert und Streitigkeiten entschärft, bevor sie Konflikte – und hohe Kosten – verursachen.

Es beginnt in der Einstellungsphase

Für manche Aufgaben muss man aktiv zuhören, auf Details achten und sich konzentrieren können. Andere Tätigkeiten erfordern Kreativität sowie Team- und Kooperationsfähigkeit. Prescott empfiehlt, in Stellenbeschreibungen sowohl die benötigten fachlichen als auch zwischenmenschlichen Fähigkeiten zu nennen. Und während des Vorstellungsgesprächs sollten Sie Bewerbern nicht nur Fragen stellen, sondern sie auch informieren, wie Ihr Unternehmen arbeitet und was von den Mitarbeitenden erwartet wird.

„Je mehr Informationen Sie anbieten, desto besser kann die Person auf Grundlage ihrer Selbstkenntnis abwägen, ob die Stelle gut zu ihr passt oder nicht“, so Prescott.

Die Führungsriege gibt den Ton vor

Vor ein paar Jahren traf Eugene Mason III, Baustellenleiter in Illinois, auf einer Baustelle einen LKW-Fahrer, der Material anlieferte. „Er hielt mich an und meinte: ‚Hey, wie kann es sein, dass es hier so friedlich zugeht? So eine Baustelle habe ich noch nie erlebt‘“, erinnert sich Mason. „Das hat mich umgehauen. Die Baustelle war wie jede andere Baustelle – die Hölle! Es war ein Albtraum, weil das eben so ist in der Baubranche.“

Der Unterschied sei, dass sein Führungsstil nicht dem Motto folgt: „Entweder du tust, was ich sage, oder du kannst gehen.“ Stattdessen fördert er Kommunikation und Respekt. Er begrüßt die Beiträge der anderen Beteiligten, damit sich alle gleichermaßen für den Erfolg des Gesamtprojekts verantwortlich fühlen. Und er gibt zusammen mit den Vorarbeitern den Ton vor, der sich dann auf alle anderen überträgt.

„Wenn man als Baustellenleiter alle ständig kontrollieren möchte, werden sich die anderen zurückziehen und sich abschotten“, sagt Mason. „Deshalb schaffe ich zunächst ein Umfeld, in dem man sich mit Respekt begegnen und auf Augenhöhe kommunizieren kann.“

Problembereiche im Blick

Brockmans Untersuchungen haben gezeigt, dass Streitigkeiten in der Regel dann entstehen, wenn es Probleme mit den Prozessen auf einer Baustelle gibt. Diese Konflikte sollten am besten schnell und zusammen mit den ursprünglich beteiligten Personen gelöst werden. Achten Sie also auf Bereiche, in denen die primären Auslöser für Konflikte – wie Sicherheitsprobleme, mangelnde Ausrüstung oder Bauzeitenpläne – auftauchen, und finden Sie Wege, diese Probleme zu lösen.

Auf weitläufigen Baustellen können Baustellenleiter nicht überall sein und alle entstehenden Konflikte im Blick haben. Deshalb ist es wichtig, Mitarbeitern beizubringen, die Auslöser zu erkennen, so Brockman. Ist eine Schulung nicht möglich, gehen Sie bei den regelmäßigen Sicherheitsgesprächen darauf ein. „Nehmen Sie sich fünf Minuten Zeit und sprechen Sie darüber, wie sich Konflikte aufschaukeln können und worauf man achten muss“, sagt sie.

Beratung, Betreuung und Vertrauen

Wenn es Streit gibt, ist es Zeit für ein Gespräch. Und Führungskräfte müssen zeigen, warum ihre Methode zu einem besseren Ergebnis führt, so Czerwinski. Beim Umgang mit Meinungsverschiedenheiten halte er seine Emotionen zurück, setze ein Pokerface auf und höre zu. „Ich muss so vorgehen, dass die andere Person erkennt, dass mein Weg nicht nur besser ist als ihrer, sondern dass sie dadurch auch das erreicht, was sie will.“ Vertrauen zu schaffen, sei laut Czerwinski ebenfalls wichtig. „Wenn die Menschen, die mit mir und für mich arbeiten, spüren, dass ich ihnen vertraue, wirkt sich das meiner Meinung nach auf jeden Aspekt ihrer Arbeit aus“, sagt er. „Dann sind sie auch eher bereit, mehr als das Übliche zu leisten und weiterhin das zu tun, wofür sie sich geschätzt fühlen. Für mich ist das eine Fähigkeit, die alle Menschen entwickeln sollten.“

Change Management

Ein Denkanstoß für Führungskräfte im Baugewerbe, die Veränderungen voranbringen wollen.