Was für ein Potenzial haben Technologien zur Überwachung von Baustellen in Echtzeit?

Sensoren, Laserscanner und andere Werkzeuge zur Erfassung von Baustellendaten entwickeln sich rasant weiter. Branchenführende Unternehmen sind damit in der Lage, sowohl die Sicherheit als auch die Produktivität auf der Baustelle zu erhöhen.

Wer mit dem Arbeitsalltag auf Baustellen vertraut ist, weiß, dass es hier mitunter sehr hektisch zugehen kann. Zwischen schweren Maschinen, Materialien und Menschen den Überblick zu behalten, ist eine Herausforderung für sich.

Dank neuester Innovationen könnten solche Szenarien jedoch schon bald der Vergangenheit angehören. Inzwischen gibt es Technologien zur Überwachung von Baustellen in Echtzeit wie Sensoren, Laserscanner und andere Tools, die laufend Baustellendaten erfassen. Verantwortliche von Bauprojekten sind so jederzeit über die Vorgänge auf der Baustelle informiert und können bei Bedarf Anpassungen vornehmen, um die Sicherheit und Produktivität vor Ort zu verbessern.

Im Gespräch mit Marko Radanovic, Forscher bei Building 4.0 CRC und Mitautor eines kürzlich erschienenen Artikels über die Möglichkeiten zur Echtzeit-Überwachung von Baustellen, erhielt Built spannende Einblicke in den aktuellen Stand dieser neuen Technologien und den sich daraus ergebenen Möglichkeiten für die Baustellen der Zukunft.

Was ist unter der Echtzeit-Überwachung von Baustellen zu verstehen?

Baustellenüberwachung in Echtzeit sei, so Radanovic, ein äußerst komplexes Unterfangen, da dabei viele verschiedene Aspekte berücksichtigt werden müssen. „Ich beschäftige mich schwerpunktmäßig mit den Möglichkeiten zur Kartierung von Baustellen. Konkret untersuche ich, in welcher Form sowohl Personen als auch Maschinen und Geräte auf der Baustelle lokalisiert werden können“, so Radanovic. „Dazu gehören die Klassifizierung von 3D-Daten und deren Erfassung in Form einer umfangreichen 3D-Positionierungskarte.“

In puncto Datenerfassung gebe es laut Radanovic zurzeit zwei Methoden, auf die häufig zurückgegriffen wird: „Laserscanner sind aktuell ziemlich beliebt. Alternativ wird auch oft auf Fotogrammetrie unter Einsatz von Tiefenkameras zurückgegriffen. Vereinfacht ausgedrückt werden dabei Videos oder Fotos aufgenommen, anhand derer 3D-Modelle generiert werden.“

Radanovic zufolge könnten diese Methoden auf eine höchst automatisierte Weise angewendet werden. „Das Problem dabei ist, dass das Erstellen eines 3D-Modells per se zwar recht einfach ist, dessen Interpretation jedoch nicht.“ Sein Team sollte analysieren, wie sich ein effektiver Einsatz dieser Technologien gestalten könnte. Dabei sollten die Vorteile der Vorbereitung fortschrittlicher Computer abgewogen werden, die diese Art von Überwachungsarbeit erledigen könnten.

Die Vorteile der Echtzeit-Überwachung von Baustellen

Wenn die Echtzeit-Überwachung von Baustellen ein so komplexes Unterfangen ist, ist dann überhaupt mit einem Mehrwert zu rechnen? Der Aufwand lohne sich laut Radanovic in jedem Fall und zwar aus folgendem Grund: Die Echtzeit-Überwachung könnte die Art und Weise revolutionieren, wie die Arbeit auf der Baustelle konzipiert und gemessen wird.

„Die maximale Digitalisierung des Prozesses sorgt für erhöhte Effektivität und Effizienz“, erläutert Radanovic. „Diese gesteigerte Leistungsfähigkeit ist eng verbunden mit höherer Geschwindigkeit, weniger Unterbrechungen und letztlich höheren Umsätzen. Man kann seine Aufgaben nicht nur schneller, sondern auch um einiges besser und effizienter erledigen.“

Auch aus Sicht der Bauarbeiter:innen sei die Entwicklung von Echtzeit-Überwachung ein Vorteil, da so die Sicherheit auf der Baustelle für alle verbessert werden könne. Diese Verbesserungen sind laut Radanovic bereits in den vorhandenen Daten ersichtlich.

„Die Sicherheit kann durch die Implementierung dieser Technologien erheblich verbessert werden“, betont er. „Einigen Studien zufolge können automatische Warnsysteme mit Echtzeit-Überwachungstechnologien beispielsweise die Zahl der Verletzungen, die durch das Herabfallen von Objekten und Ausrüstungsgegenständen verursacht werden, um 30 bis 60 % gesenkt werden.“

Echtzeit-Überwachung von Baustellen in der Praxis

Dass es sich bei der Überwachung von Baustellen in Echtzeit um Zukunftsmusik handelt, kann mit Recht behauptet werden. Aber wie werden diese Technologien zum aktuellen Zeitpunkt eingesetzt? Genau das wollten Radanovic und seine Kolleg:innen herausfinden.

„Wir haben eine umfassende Analyse der Echtzeit-Überwachung durchgeführt und uns dabei genauer angesehen, welche Sensoren und Techniken eingesetzt werden, wie die Positionierung erfolgt und welche Anwendungsformen geläufig sind“, so Radanovic. „Wir haben uns eingehend damit befasst, wie diese Sensoren und Techniken zur 3D-Überwachung in Echtzeit eingesetzt werden, und haben dabei verschiedene Arten von Baustellen, auch statische und dynamische, sowie Arbeiter, Ausrüstung und vieles mehr evaluiert.“

Was haben Sie dabei herausgefunden? „Es gibt viele Methoden, die einfach anzuwenden sind“, berichtet Radanovic. „Unser Fazit ist jedoch, dass es ein vorrangiges Hindernis bei optimalen Anwendung dieser Technologien in der Praxis gibt und das ist die Datenintegration.“

Radanovic ist der Ansicht, dass die mangelnde Datenintegration und Standardisierung in der gesamten Branche die praktische Anwendung dieser neuen Technologien erschweren. „Eine umfassende Implementierung auf der Baustelle ist zurzeit nicht möglich“, erklärt er. „Die Technologie ist einfach noch nicht ausreichend integriert. Sie beruht auf vielen kleinen Einzelaspekten, die ständig verbessert werden und äußerst dynamisch sind. Wir brauchen jedoch eine Standardisierung. Jedes Unternehmen verwendet andere Softwareanwendungen und andere Datenbanken. Es gibt also im Moment nicht wirklich eine Möglichkeit zur Integration, da die Standardisierung fehlt.“

Die Zukunft intelligenter Baustellen

Angesichts des Rufs der Baubranche, neue Technologien nur zögerlich zu übernehmen, war Radanovic angenehm überrascht über die rasanten Fortschritte bei der Entwicklung und Implementierung von Echtzeit-Überwachungstechnologien.

„Ich war beeindruckt, dass in den letzten zwei, drei, vier Jahren ein so großer Fortschritt erzielt werden konnte. Besonders fasziniert hat mich die Art und Weise, wie Deep Machine Learning auf verschiedenen Ebenen eingesetzt wird – bei der Erstellung von Modellen, bei der Klassifizierung und Segmentierung und schließlich auch bei der Entscheidungsfindung.“

Technologien zur Überwachung vor Ort entwickeln sich laut Radanovics Beobachtungen exponentiell weiter. „Wenn man sich auch nur für kurze Zeit nicht mehr mit Überwachungstechnologien auseinandersetzt, verliert man sofort den Anschluss. Die Fortschritte wären in wenigen Monaten so groß, dass man nicht mehr hinterherkommen würde“, so Radanovic.

Damit diese Technologien jedoch in größerem Umfang eingesetzt werden können, müsse die Branche einen Weg finden, sie auf sinnvollere Weise einzusetzen.

„Es ist eine Sache, die Positionen von Arbeitern und der Ausrüstung zu erfassen. Dann muss sich jedoch ein Mensch die Daten ansehen und Schlussfolgerungen ziehen oder kann man diesen Prozess wirklich automatisieren? Es geht darum, sämtliche Arten von Daten zu integrieren, einschließlich der Daten zur aktuellen Phase der Gebäudekonstruktion. Es bedarf auch eines Baustellenmodells, das im Laufe der Arbeiten weiterentwickelt wird. Wir müssen wissen, wo sich die Materialien befinden, wie der Bauzeitenplan aussieht und so vieles mehr – und all diese Aspekte dann in ein einziges System integrieren.“

Das größte Hemmnis von Innovationen im Baugewerbe bestünde laut Radanovic darin, den besten und effektivsten Weg zu finden, diese erweiterten Funktionalitäten zur Datenerfassung anzuwenden. „Wie können diese Daten verwendet werden, um intelligente und bessere Entscheidungen zu treffen? Diese Frage kann die Forschung zurzeit noch nicht beantworten“, so Radanovic. „Ihre Beantwortung wird die größte Herausforderung sein.“

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