Trotz des politischen Widerstands gegen Umwelt-, Sozial- und Governance-Praktiken (ESG) sowie die entsprechende Berichterstattung in den USA finden viele Baufirmen einen unerwarteten Mehrwert darin.
„Unternehmen erkennen, dass ESG-Maßnahmen sinnvoll sind und Risiken und Kosten reduzieren und gleichzeitig den Ruf und die Kundenbindung einer Marke verbessern“, so Sara Gutterman, CEO von Green Builder Media. „Finanzielle Vorteile und regulatorischer Druck drängen auch die Bauindustrie dazu, ESG-Kriterien zu übernehmen und sie mehr zum Mainstream zu machen.“
Drei wichtige Tatsachen bringen ESG voran. „Das Erste ist die ökologische Realität. Wir haben weltweit bereits eine Erderwärmung von 1,5 °C erreicht“, sagt Gutterman. Das Zweite ist die soziale Realität der Klimaangst, „insbesondere unter den jüngeren Generationen, die glauben, dass die Menschheit wegen des Klimawandels dem Untergang geweiht ist“. An dritter Stelle steht die Nachfrage der Investoren, die ESG und Klimatechnologien zum am schnellsten wachsenden Teil des Risikokapitals macht.
ESG baut weitgehend auf den Grundsätzen auf, die Unternehmen bereits befolgen, um ökologische und gesellschaftliche Risiken zu steuern und ethisch zu handeln. Mehr denn je verlangen Kreditgeber ESG-Strategien und vollständige Berichte, wenn Unternehmen eine Finanzierung suchen. Außerdem hat die US-Börsenaufsichtsbehörde (SEC) im März 2024 Vorschriften erlassen, die die Offenlegung von klimabezogenen Risiken in SEC-Berichten ab Ende 2025 vorschreiben, wenn die Risiken sich auf die Geschäftsstrategie, die Betriebsergebnisse oder die Finanzen auswirken. Darüber hinaus bevorzugen Stakeholder und Aktionäre oft Unternehmen mit einer starken ESG-Performance, was den Zugang zu neuen Märkten und Chancen erleichtern kann.
Dieser Artikel wirft einen genaueren Blick auf die Vorteile der ESG-Berichterstattung für alle Bauunternehmen (nicht nur für börsennotierte), wichtige Kennzahlen für ESG sowie die neuen Vorschriften der SEC und der Europäischen Union (EU) und liefert eine Roadmap für den Einstieg.
Die Vorteile der Übernahme von ESG-Kriterien
ESG-Kriterien schaffen auf verschiedene Weise einen Mehrwert – von der Erleichterung der Kreditaufnahme bis hin zur Gestaltung einer positiven Arbeitskultur:
- Optimierter Zugang zu Kapital: ESG-Berichte zeigen ein Engagement für ökologische und soziale Verantwortung, was sich in besseren Bedingungen bei Finanzierungen niederschlagen kann. „Die Forderungen von Investoren und ein besserer Zugang zu Kapital können die Einführung von ESG-Kriterien bei Bauunternehmern vorantreiben, während bei Herstellern oft ein stärkeres Engagement der Führungskräfte für Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien zu sehen ist“, so Gutterman.
- Minimierte betriebliche Risiken: Bauunternehmen können ihre finanzielle Leistung und ihren Ruf schützen, indem sie Risiken erkennen und reduzieren, bevor sie öffentlich werden, und effektive Risikomanagementsysteme und starke interne Kontrollen implementieren.
- Verbesserte betriebliche Effizienz und Kostensenkung: Nachhaltiges Handeln kann laut McKinsey die Betriebskosten senken und den Gewinn um bis zu 60 % steigern. So können beispielsweise energieeffiziente Geräte und Techniken die Stromkosten senken, während zirkuläre Designprinzipien zur Abfallreduzierung beitragen.
- Größeres Vertrauen der Verbraucher und verbesserte Markenreputation: Verbraucher nutzen ihre Kaufkraft, um den Wandel in Richtung einer nachhaltigen Zukunft voranzutreiben. Untersuchungen von McKinsey ergaben, dass mehr als 70 % der befragten Verbraucher bei Käufen in verschiedenen Branchen, einschließlich des Bauwesens, angaben, dass sie zusätzliche 5 % für ein umweltfreundliches Produkt bezahlen würden, wenn es die gleichen Leistungsstandards erfüllen würde wie eine nicht grüne Alternative.
- Verbesserte Talentakquise und -bindung: Die soziale Komponente von ESG fördert ein integratives und sicheres Arbeitsumfeld, in dem potenzielle Mitarbeiter – insbesondere die jüngere Bevölkerungsgruppe – arbeiten und bestehende Mitarbeiter bleiben möchten.
Anpassung von SEC-Vorschriften an EU-Regeln
Eine wachsende Zahl von Bauunternehmen setzt auf ESG-Praktiken, unterstützt CO2-Kompensationen und verbessert die Transparenz und Intensität ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen, so Victoria Muharsky in einem Artikel für Green Builder Media. Tatsächlich berichtet die Mehrheit der nationalen Unternehmen über ESG-Kennzahlen, wenngleich sie verschiedene Bezeichnungen verwenden. Kleine Unternehmen scheinen bei der Einführung hinterherzuhinken.
Die Verabschiedung der klimabezogenen Offenlegungsvorschriften der SEC im März 2024 signalisierte eine steigende Nachfrage der Anleger nach unternehmerischer Nachhaltigkeit. Die SEC verlangt eine Berichterstattung über Scope-1- und Scope-2-Emissionen, also direkte Emissionen aus Quellen, die Unternehmen besitzen oder kontrollieren, und indirekte Emissionen aus der Erzeugung von Energie, die sie kaufen. Unternehmen mit börsennotierten Aktien von 75 Millionen oder mehr müssen noch strengere Anforderungen erfüllen, einschließlich der Offenlegung der Kosten von Unwettern und anderen Naturkatastrophen sowie der tatsächlichen und potenziellen Auswirkungen klimabedingter Risiken.
Die USA folgen oft der regulatorischen Richtung Europas – aber langsam. Zuletzt hat die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU für das Geschäftsjahr 2024 eine Offenlegungspflicht ab 2025 vorgeschrieben. Mit der Zeit wird sich die SEC wahrscheinlich an diese Anforderungen anpassen.
ESG-Treiber und -Kennzahlen für das Baugewerbe
Die Ermittlung der wichtigsten ESG-Risiken und -Chancen beginnt in der Regel mit einer internen Revision sowie einem Benchmarking mit Wettbewerbern. Nachfolgend findest du die Kennzahlen, die laut Gutterman von Unternehmen im Bausektor am häufigsten gemeldet werden.
Umwelt: Energieeffizienz, Treibhausgasemissionen, Standortauswahl, Lieferketten- und Wassermanagement.
Soziales: Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit, Initiativen für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion sowie universelle Designprinzipien für barrierefreies Wohnen.
Governance: Zusammensetzung und Aufsicht des Vorstands, Umwelt-, Gesundheits-, Sicherheits- und Risikomanagement, Ethikkodex, Verhaltenskodex für Lieferanten und Aktionärsvereinbarungen.
Der Weg nach vorne
Ein Blick auf das Allerlei an ESG-Organisationen, -Frameworks und -Akronyme kann die besten Absichten eines Unternehmens zum Stillstand bringen.
Sieh dir die Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) und das Sustainability Accounting Standards Board (SASB) an – zwei der bekanntesten Standards für die Offenlegung, die kürzlich vom International Sustainability Standards Board (ISSB) in die International Financial Reporting Standards (IFRS) konsolidiert wurden.
Wenn das noch nicht verwirrend genug ist, nimm die Global Reporting Initiative (GRI) und die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (UN SDGs) noch hinzu.
Um sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden, hilft es, sich an Richtlinien zu halten, die speziell für den Bausektor entwickelt wurden. Eine Möglichkeit ist der umfassende Leitfaden, den Green Builder Media mithilfe der ESG for Building Working Group, einem Konsortium von mehr als 60 Bauunternehmen, Architekten, Herstellern, gemeinnützigen Organisationen und Energieberatern, entwickelt hat. ESG for Building: Defining Principles for the Building Industry konzentriert sich hauptsächlich auf die Entwicklung von Wohngebieten und Gemeinden, lässt die Lesenden jedoch den für sie am besten geeigneten Weg wählen, während sie ESG-Praktiken umsetzen und die Berichterstattung optimieren. Die Verlagerung hin zu ESG-Praktiken und -Berichterstattung ändert nichts daran, wie Bauunternehmen heute arbeiten. Vielmehr wird eine Feinabstimmung vorgenommen, die Unternehmen nachhaltiger, rentabler und widerstandsfähiger machen kann.