Wie bringen die steigenden Zinsen die Baubranche durcheinander?

Höhere Zinssätze haben dazu geführt, dass Eigenheimbauprojekte eingefroren werden müssen. Da die US-Notenbank Federal Reserve die Inflation weiterhin mithilfe von Zinserhöhungen bekämpft, könnte bald auch der Industrie- und Gewerbebau davon betroffen sein.
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Ein einziges Jahr kann einen großen Unterschied machen. Anfang 2022 hielt die amerikanische Notenbank den US-Leitzins bei etwa 0 % und kaufte Anleihen in Milliardenhöhe, um die Wirtschaft anzukurbeln, während die Inflation beinahe auf Rekordhöhe anstieg.

Seitdem hat sich der Ansatz der Notenbank jedoch drastisch verändert. Im Verlauf des Jahres 2022 wurden die Zinsen mehrfach angehoben. Im Rahmen der letzten Sitzung am 14. Dezember erhöhte die US-Notenbank die Zinsen erneut, diesmal um einen halben Prozentpunkt. Die Zinsen stiegen somit auf eine Spanne zwischen 4,25 % und 4,5 %.

Das trifft natürlich auch die Baubranche. Im Dezember 2022 lag eine Hypothek mit Zinsbindung für 30 Jahre bei knapp 7 %. Selbst wenn die massiv gestiegenen Preise für neue Eigenheime nun zu sinken beginnen, dürften die monatlichen Hypothekenzahlungen hoch bleiben. Laut dem Construction Cost Index von CBRE werden die Baukosten voraussichtlich bis weit ins Jahr 2023 steigen. Durch die höheren Finanzierungskosten werden Bauprojekte also sowohl für Eigenheimbauer:innen als auch für Unternehmen zunehmend teurer. Das betrifft auch jene Projekte, die unter das 550 Milliarden $ (515 Milliarden €) schwere Infrastrukturpaket fallen. Tatsächlich könnte die Inflation auch die Kaufkraft des Pakets erheblich verringern.

Wie wirken sich die steigenden Zinsen auf zukünftige Bauprojekte aus? Built hat mit Anirban Basu, Chefökonom von Associated Builders & Contractors, gesprochen, um mehr über das Thema zu erfahren.

Built: Wie wirken sich die höheren Zinsen auf die Baubranche aus?

Basu: Unter ansonsten gleichbleibenden Bedingungen wirken sich höhere Kreditkosten negativ auf die Bautätigkeit aus, vor allem in einer Zeit, in der der Arbeitskräftemangel die Löhne in die Höhe getrieben hat und die Preise für Baumaterialien seit Beginn der Pandemie um mehr als 40 % gestiegen sind.

Built: Haben die höheren Zinsen negative Auswirkungen auf die Anzahl der Bauprojekte?

Basu: Die höheren Zinsen haben den Markt für den Eigenheimbau komplett eingefroren. Die durchschnittlichen Zinsen für Hypotheken sind auf dem höchsten Stand seit 2002 und die Anträge auf Hypotheken sind auf den niedrigsten Stand seit 1997 gefallen. Infolgedessen sind die Neugenehmigungen für Einfamilienhäuser im Jahresvergleich um 17,3 % zurückgegangen.

Da höhere Kreditkosten viele potenzielle Hauskäufer:innen dazu veranlasst haben, stattdessen zu mieten, sind die Genehmigungen für Mehrfamilienhäuser (mehr als fünf Einheiten) im September [2022] um 8,2 % und im Jahresvergleich um 25,5 % gestiegen.

Built: Wie sehr hängen die Auswirkungen davon ab, ob ein Unternehmen im Wohn- oder Gewerbebau tätig ist?

Basu: Erheblich. Die Zinssätze sind hoch (und steigen weiter), weil die US-Notenbank die Wirtschaftstätigkeit drosseln muss, um die Inflation gering zu halten. Abgesehen von den ersten Auswirkungen höherer Kreditkosten würde sich ein wirtschaftlicher Abschwung negativ auf die Bauinvestitionen in Kategorien auswirken, die von frei verfügbarem Einkommen abhängig sind, wie Gewerbe, Büro und Unterkunft.

Öffentlich finanzierte Kategorien sollten besser abschneiden, besonders angesichts des Infrastrukturpakets und der überschüssigen Pandemiehilfen. Im vergangenen Jahr wurden die Bauinvestitionen in überwiegend öffentlich finanzierten Bereichen wie Wasserversorgung (+23,3 %), Naturschutz und Entwicklung (+18 %) sowie Abwasser- und Abfallentsorgung (+11,9 %) schnell erhöht.

Built: Können Bauunternehmen trotz der hohen Kosten noch Kredite erhalten und zufriedenstellende Gewinne erzielen?

Basu: Ja, trotz der höheren Zinssätze hat der Optimismus in Bauunternehmen in Bezug auf die Gewinnmargen laut dem Construction Confidence Index von ABC im September sogar zugenommen. Dies hat wahrscheinlich mit dem leichten Rückgang der Materialpreise zu tun, der in den letzten Monaten zu verzeichnen war.

Built: Rechnen Sie mit Projektstopps und einem geringeren Wachstum, wenn die Zinsen weiter steigen sollten? In einer ABC-Pressemitteilung vom Oktober 2022 stellten Sie fest: „Angesichts der hohen Nachfrage nach ihren Dienstleistungen zeigen Bauunternehmen weiterhin Preisgestaltungsmacht, wodurch sie steigende Lohn- und andere Baukosten ausgleichen können.“

Basu: Steigende Zinsen werden sicherlich dazu führen, dass einige Projekte unter sonst gleichen Bedingungen gestoppt werden. Dabei sind die Bedingungen aber gar nicht unbedingt gleich. Zinsen sind nur einer von vielen Faktoren, die Baukosten beeinflussen. Die Lieferketten haben sich beispielsweise in den letzten Monaten sehr verbessert. Wenn dieser Trend weitergeht, könnte dies die kostenbedingten Auswirkungen höherer Zinsen ausgleichen.

Built: Wenn wir schlussendlich eine Rezession erleben, was würde das Ihrer Meinung nach für die Baubranche bedeuten?

Basu: Einerseits würde eine Rezession mit ziemlicher Sicherheit weniger Projekte und mehr Wettbewerb um die Projekte bedeuten, die noch durchgeführt werden. Andererseits würde eine Rezession einen großen Teil des Inflationsdrucks abmildern, der die Baukosten in die Höhe getrieben hat, und auch die Verfügbarkeit von Materialien und Arbeitskräften verbessern.

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