Architektin vor einer Wand mit Bauplänen

Frauen in der Architektur: Wie viele (berühmte) Architektinnen kennen Sie?

Der Frauenanteil in der Architektur liegt bei 30 Prozent. Warum ist er so niedrig? Die Antwort und eine Liste mit berühmten Architektinnen erhalten Sie hier.

Status quo: So steht es um die Frauen in der Architektur

Wir sind doch alle längst gleichberechtigt – oder? Leider nein. Im Folgenden finden Sie viele Zahlen, Daten und Fakten rund um Frauen in der Architektur, die zeigen, dass noch Handlungsbedarf in Sachen Gleichstellung in der Branche besteht.

Frauen dominieren den Studiengang Architektur

Im Wintersemester 2021/2022 schafft es Architektur unter die Top 20 der beliebtesten Studienfächer von weiblichen Studierenden. Mit 23.585 angehenden Architektinnen landet der Studiengang auf Platz 15. Bei den Männern hingegen rangiert Architektur mit 17.985 Studierenden auf Position 20. (Quelle: Statistisches Bundesamt). Die Zukunft der Architektur in Deutschland ist weiblich. Doch wie sieht es momentan aus?

Liste mit den zwanzig beliebtesten Studiengängen bei Frauen – darunter Architektur
Platz 15 der beliebtesten Studiengänge bei Frauen ist Architektur.  © Bluebeam 

Aktuell noch weniger weibliche Architekten als männliche

In Erziehungs- und Gesundheitsberufen sind 2022 mit jeweils über 80 Prozent Anteil die meisten Frauen vertreten. Der Bereich „Bauplanung, Architektur und Vermessungsberufe“ ist mit 30,3 Prozent Frauenanteil dagegen eher im Feld der „Männerberufe“ anzusiedeln. Doch das Ungleichgewicht in anderen Berufen ist teils noch stärker (Quelle: Bundesagentur für Arbeit).

Auflistung verschiedener Berufe mit Frauen- und Männeranteil
In der Architektur sind rund 30 Prozent Frauen vertreten. © Bluebeam 

Architektinnen vom Gender Pay Gap betroffen

Im Jahr 2021 lagen laut Statistischem Bundesamt die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste von Vollzeitarbeitnehmer:innen in Architektur- und Ingenieurbüros bei 4.099 Euro für Frauen und 5.416 Euro für Männer. Der Gender Pay Gap ist deutlich zu sehen.

Balkendiagramm zeigt, dass Architektinnen weniger verdienen als Architekten
Architektinnen verdienen im Monat 1.317 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. © Bluebeam 

Architektinnen sind in der Öffentlichkeit weniger präsent

In einer Publikation der TUM aus dem Jahr 2018 wird aufgeführt, wie oft Architektinnen als Vortragende, Ausstellende oder Preisträgerinnen in der Öffentlichkeit erscheinen. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen ist dies eher selten der Fall.

Hier drei Beispiele aus der Publikation, wie viele der Vortragenden und Ausstellenden Frauen waren:

  • Architekturgalerie München: 26 Prozent Frauenanteil im Jahr 2016
  • Veranstaltung AIT: 43 Prozent Frauenanteil im Jahr 2017
  • Deutscher Architekturpreis: 32 Prozent Frauenanteil im Jahr 2017

Die Autoren weisen darauf hin, dass selbst bei Architektenteams der Mann oftmals im Vordergrund steht. Das zeigt auch das bekannte Beispiel eines berühmten Architektenehepaars, das Sie im Folgenden lesen.

Pritzker-Preis: In 44 Jahren nur 6 Preisträgerinnen

Robert Venturi erhielt 1991 den Pritzker-Preis für seine Lebensleistung – darunter mehrere Werke und Bücher, an denen Denise Scott Brown maßgeblich beteiligt war. Die Begründung: Nur Einzelpersonen könnten die Ehrung erhalten. Die Regel 2001 wurde aufgehoben, als die Männer Jacques Herzog und Pierre de Meuron den Preis erhielten.

Erst 2004 wurde der Pritzker-Architekturpreis zum ersten Mal an eine Frau vergeben. Bis 2022 wurden so insgesamt sechs Frauen geehrt:

  • 2004: Zaha Hadid
  • 2010: Kazuyo Sejima
  • 2017: Carme Pigem Barceló
  • 2020: Yvonne Farrell und Shelley McNamara
  • 2021: Anne Lacaton

Denise Scott Brown erhielt den Preis nie, obwohl Studierende 2013 eine vielfach unterzeichnete Petition starteten, damit ihr der Preis nachträglich anerkannt wird.

Warum gibt es nicht mehr Architektinnen?

Die von der TUM durchgeführten Interviews zeigen, wie (angehende) Architektinnen ihr Studium und das spätere Berufsleben in einer Männerdomäne wahrnehmen.

Keine weiblichen Vorbilder – trotzdem Architekturstudium

Die meisten Architekt:innen haben vor Studienbeginn kaum eine Vorstellung, was sie wirklich erwartet. Trotz fehlender weiblicher Vorbilder in der Architektur entscheiden sich jedoch zunehmend Frauen für den Studiengang. Die wenigsten brechen ihr Studium ab.

Familienplanung als Einflussfaktor auf die Karriere

Die Architektinnen in den TUM-Interviews berichten, dass es ihnen schwerfällt, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren. Der Architekturberuf verlangt, dass man sich Voll und Ganz auf seinen Job konzentriert, immer verfügbar ist und viel Energie investiert. Da jedoch vor allem Mütter vom Gender Care Gap betroffen sind, ist das für sie nicht möglich. Geringere Einkommens- und Aufstiegschancen sind die Folge. Das zeigen auch die Ausschnitte aus den Interviews:

  • „Und ich habe dann den Lehrstuhl aufgegeben, weil ich nicht beides machen konnte.“
  • „Also wenn man mal genau guckt. Von den sehr erfolgreichen Architektinnen, wer hat denn da Kinder?“
  • „Dass Frauen, sage ich mal, irgendwie leitende Positionen in den Büros haben und gutes Geld verdienen, ist definitiv möglich, aber ich glaube natürlich, das machen sie nicht nebenbei mit drei Kindern zu Hause.“

Dass Mutterschaft einen Karriereknick bedeutet, führt dazu, dass Frauen vor die Wahl gestellt werden: Familie oder Beruf? Gleichzeitig hat es zur Folge, dass Frauen aus der Architekturszene verschwinden und es weniger weibliche Role Models in hohen Positionen gibt. Um diesen Missstand auszuräumen, braucht es sowohl in der Architektur als auch gesamtgesellschaftlich ein Umdenken.

Weniger kompetent? Architektinnen erzählen von ihren Erfahrungen

Sie gehen darauf ein, wie sie teils von männlichen Kollegen systematisch aus Projekten ausgeschlossen wurden, wie ihr Lippenstift statt ihr Projekt bewertet wurde und wie schnell sie als Frau in der Öffentlichkeit kritisiert werden. Auch die Wettbewerbskultur in der Architektur trägt ihren Teil dazu bei, dass Frauen weniger sichtbar sind, berichten sie:

Von ihren Herausforderungen und Erfolgen berichten einige Architektinnen wie Helga Blockdorf, Inken Bühring oder Regine Leibinger in der empfehlenswerten Dokumentation „Frauen Bauen“ von 3sat.

So wird der Beruf der Architektin für Frauen attraktiver

Die Rollenbilder in der Gesellschaft werden sich nicht von heut auf morgen auflösen. Dennoch gibt es bereits jetzt einige Optionen, wie Arbeitgeber den Job für Architektinnen attraktiver machen können.

Mentoring unterstützt Berufsanfängerinnen

In Zeiten des Fachkräftemangels am Bau ist jede helfende Hand wichtig. Damit junge Architektinnen gefordert und gefördert werden, sind firmeninterne Mentorenprogramme eine gute Idee. Inzwischen gibt es auch einige Initiativen, die Networking für Frauen in der Architektur vereinfachen sollen. Gut vernetzt eröffnet sich so womöglich die ein oder andere Karrierechance.

Verbesserung des Images der Elternzeit – für beide Elternteile

Wiedereingliederungsprogramme nach der Elternzeit helfen dabei, im Job wieder Fuß zu fassen. Gleichzeitig sollten auch die männlichen Kollegen ermutigt werden, sich um die Familie zu kümmern. Hierzu ist eine Arbeitsatmosphäre wichtig, die den Eltern vermittelt, dass es erwünscht ist, für die Familie da zu sein. Bei ihrer Rückkehr sollten ihnen somit keine Steine in den Weg gelegt werden.

Architektinnen profitieren von New-Work-Ansätzen

Home Office, Mobiles Arbeiten oder Hybrides Arbeiten sind spätestens seit der Corona-Pandemie in aller Munde. Diese New-Work-Ansätze unterstützen vor allem Eltern dabei, die Kinderbetreuung und den Beruf besser miteinander zu vereinbaren.

Flexible Arbeitszeiten helfen Eltern bei der Kinderbetreuung

Doch es ist nicht nur entscheidend, von wo aus Architektinnen arbeiten können. Flexible Zeitmodelle unterstützen sie dabei, Familienleben und Beruf in Einklang zu bringen. Hier sind verschiedene Teilzeitmodelle denkbar – individuell auf die jeweilige Situation der Architektinnen zugeschnitten.

Female Recruiting in der Architektur

Wer mehr Frauen in der Architektur und in Führungspositionen will, muss auch beim Bewerbungsprozess umdenken. Laut einem Artikel von Internet für Architekten enthalten Stellenanzeigen auf Stepstone zum Schlagwort „Architekt“ aktuell fünf- bis sechsmal so viele männliche Attribute wie weibliche. Zu mehr weiblichen Bewerberinnen führen jedoch weiblich konnotierte Eigenschaften wie Kommunikationsstärke, Empathie und Kreativität.

Gleichzeitig achten Frauen mehr auf die Beschreibung des Arbeitsumfeldes als auf die Aufgabenbeschreibung. Dieser Tatsache sollten Architekturbüros Rechnung tragen, wenn Sie eine Stellenanzeige formulieren – und natürlich sollten sie die Werte im Berufsalltag leben.

5 berühmte Architektinnen und ihr Wirken

Zum Schluss wollen wir den Blick auf eine kleine Auswahl berühmter Architektinnen richten.

1. Zaha Hadid

Die irakisch-britische Architektin Zaha Hadid (*1950 †2016) gilt als Vorbild für eine ganze Generation an Frauen in der Architektur. So erhielt sie beispielsweise 2004 als erste Frau den Pritzker-Preis, der als „Nobelpreis der Architektur“ gilt. Außerdem war sie Preisträgerin vieler weiterer Wettbewerbe. Den deutschen Architekturpreis bekam sie 2005 für das Zentralgebäude des BMW-Werkes in Leipzig:

Zaha Hadid berichtete immer wieder, dass die Männerdomäne noch nicht bereit für talentierte Frauen sei. In einem Interview mit der Forbes erzählt sie:

„People thought that because I was a woman, I would do ‘soft’ architecture. I didn’t let that have an impact on my work, but I also didn’t fit with the status quo. People had no idea what a female architect should or should not do, and so they didn’t relate to my work. I think they thought I should be doing interior design or something — but not architecture.”

2. Denise Scott Brown

Im Gegensatz zu Zaha Hadid ging Denise Scott Brown (*1931) beim Pritzker-Preis leer aus, erhielt jedoch andere Auszeichnungen wie die Goldmedaille des amerikanischen Architektenverbands AIA. Heute gilt sie als eine der einflussreichsten Architektinnen des 20. Jahrhunderts. 2018 wurde der Stadtplanerin, Autorin und Lehrerin im Architekturzentrum Wien die erste Einzelausstellung gewidmet.

Denise Scott Brown wurde lange nur als „die Frau von“ wahrgenommen. Ihre frustrierenden Erlebnisse in der Architektur schrieb sie in ihrem Essay „Sexism an the Star System in Architecture“ nieder. Dennoch betont sie, dass ihre und die Karriere ihres Mannes Robert Venturi nur möglich war, da sie ein gutes Team waren.

3. Margarete Schütte-Lihotzky

Margarete Schütte-Lihotzky (*1897 †2000) war die erste Architekturstudentin Österreichs und Wiener Architektin, die den Beruf ausübte. Bekannt ist sie vor allem für den Entwurf der sogenannten „Frankfurter Küche“. Jedoch wollte sie niemals darauf reduziert werden:

„Ich bin keine Küche.“

Ihr politisches Engagement bleibt oft unerwähnt. Sie setzte sich für den Bau menschenfreundlicher Sozialwohnungen ein und war bekennende Frauenrechtlerin, die Care Arbeit als Arbeit anerkannte und die berühmte Küche schuf, um Frauen zu entlasten. Während des Nazi-Regimes war sie Teil des Widerstandes.

4. Emilie Winkelmann

Emilie Winkelmann (*1875 †1951) gilt als erste Architektin Deutschlands. Im Betrieb ihres Großvaters wurde ihr ermöglicht, das Zimmerei-Handwerk zu erlernen. Später schrieb sie sich mit einem Trick an der Technischen Hochschule Hannover ein: Sie kürzte ihren Vornamen ab, sodass sie bei der Anmeldung als Mann durchging. Da es Frauen damals jedoch nicht erlaubt war zu studieren, wurde sie nie zu den Abschlussprüfungen zugelassen.

Trotz fehlenden Abschlusses gründete Emilie Winkelmann erfolgreich ein Büro in Berlin. Teilweise beschäftigte sie dort bis zu 15 Mitarbeitende. Mehr als 30 Häuser in Berlin gehen auf sie zurück. Eines ihrer bekanntesten Bauwerke ist das Ottillie-von-Hansemann-Haus.

5. Kazuyo Sejima

Eine der berühmtesten Architektinnen der Gegenwart ist Kazuyo Sejima (*1956). Zu ihren Werken gehören das New Museum of Contemporary Art in New York oder der Zollverein-Kubus in Essen. Als erste Frau leitete sie 2010 die Architekturbiennale in Venedig.

Geehrt wurde sie neben dem Pritker-Preis mit dem Erich-Schelling-Architekturpreis, dem Rolf-Schok-Preis sowie dem Kunstpreis Berlin. Seit 2015 lehrt sie am Institut für Architektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Diversität hört bei Frauen in der Architektur nicht auf

Zur wirklichen Gleichstellung der Frau in der Architektur ist es noch ein langer Weg. Dennoch macht der hohe Anteil an weiblichen Nachwuchstalenten Hoffnung. Für mehr Vielfalt in der Architektur sollte sich jedoch nicht nur das Geschlechterverhältnis ändern.

In unseren Artikeln „Eine nicht binäre Person, die als Architekt:in arbeitet, rüttelt am Status quo der Branche“ oder „Schwarze Frauen in der Baubranche“ erhalten Sie Einblicke in weitere Aspekte der Diversity. Mehr berühmte Frauen in der Baubranche lernen Sie in unserem Artikel über berühmte Ingenieurinnen kennen.

Baugewerbe – so wenig Frauen wie in keiner anderen Branche

Bildnachweis: Titelbild © (JLco) Julia Amaral, Bild 1-3 © Bluebeam