Ist modulares Bauen die Lösung für die Wohnungskrise?

Die Herstellung von Häusern in Fabriken kann zu einem schnelleren Projektabschluss und einer höheren Qualität beitragen.

Ein sicheres Dach über dem Kopf zu haben, zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Es ist ein Bedürfnis, das wir alle gut kennen. Dennoch stellt die Bereitstellung von genügend Wohnraum oft eine große Herausforderung für die Baubranche dar. Es muss sich also dringend etwas ändern.

In England sind die Forderungen nach mehr Wohnraum in den letzten Jahren immer lauter geworden. Aufgrund der steigenden Nachfrage herrscht eine akute Wohnungsknappheit, die für einige zu einer ausgewachsenen Krise geworden ist.

Der Regierung ist bewusst, dass sie handeln muss, und einige Minister sind sogar soweit gegangen, dass sie versprochen haben, bis Mitte der 2020er-Jahre 300.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen zu lassen.

Ein solches Ziel mag zwar hochgesteckt erscheinen, aber es ist nicht unerreichbar, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Laut Daten des britischen Statistikamtes (Office for National Statistics) haben kommunale Verwaltungen vor mehr als 50 Jahren genau das geschafft: Sie haben 1967 und 1968 fast genauso viele neue Wohnungen gebaut wie der private Sektor zu der Zeit.

Ein halbes Jahrhundert später können örtliche Behörden nicht einmal ansatzweise so viele Häuser bauen, da ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Stattdessen sind private Bauunternehmen an ihre Stelle getreten. Sie können die benötigte Anzahl neuer Wohnungen jedoch nicht schnell genug bauen.

In solchen Situationen sind Innovationen gefragt. Und genau hier kommen moderne Konstruktionsmethoden, insbesondere modulare Bautechniken, ins Spiel.

Viele modulare Häuser werden in Fabriken gebaut und in einem nahezu fertigen Zustand geliefert und vor Ort installiert, wobei der Innenausbau bereits vorgenommen wurde. Durch die Art der Herstellung werden Fehler frühzeitig erkannt und die Qualität kann leichter beurteilt und gewährleistet werden.

„Modernise or Die“

Dies ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil Bauexperten immer wieder gefordert haben, dass die Branche sowohl die Produktivität als auch die Qualität radikal verbessern muss. Einen bedeutenden Beitrag zur Diskussion über die Leistung des Sektors hat der Farmer Review, auch als „Modernise or Die“ bekannt, geleistet, der 2016 von Branchenkenner Mark Farmer veröffentlicht wurde.

Der Bericht zeigte Bereiche im Baugewerbe auf, in denen verstärkt Handlungsbedarf bestand. Vor allem forderte Farmer die Regierung auf, finanzielle Anreize für den Einsatz von Off-site-Baumethoden zu schaffen und die örtlichen Behörden dazu anzuhalten, den Einsatz von modernen Konstruktionsmethoden beim Bau von Sozialwohnungen vorzuschreiben.

Die Vorteile moderner Baumethoden und speziell der modularen Bauweise sind auch Politikern nicht entgangen. Der Sonderausschuss des britischen Parlaments „Housing, Communities and Local Government“ unterstützt die Bauweise und empfiehlt der Regierung, „Klarheit im Hinblick auf die Standards für derartig konstruierte Häuser zu schaffen, Nachfragesicherheit für die Lieferkette zu gewährleisten, ein größeres Sozialwohnungsprogramm zu starten und die finanziellen Mittel für solche Häuser deutlich zu erhöhen.“

Die Regierung antwortete, dass sie die Argumente des Ausschusses nachvollziehe und sich die Angelegenheit näher ansehen werde.

Trotz des aktuell regen Interesses sollte nicht vergessen werden, dass das Konzept des modularen Wohnungsbaus nicht neu ist. Die Lieferung fertiger Wohneinheiten dorthin, wo sie benötigt werden, gewann in Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung, als Tausende von Menschen, die ihre Häuser durch Bombenangriffe verloren hatten, untergebracht werden mussten.

Jahrzehnte später hat der dringende Bedarf an neuem Wohnraum diese Bauweise und ihre Vorteile wieder in den Fokus gerückt.

Schnelle Bereitstellung

Laut dem US-amerikanischen Modular Building Institute (MBI) kann der Einsatz modularer Techniken dazu führen, dass Projekte zwischen 30 % und 50 % schneller fertiggestellt werden können als mit traditionellen Baumethoden.

Das MBI betont, dass in der Regel zwischen 60 % und 90 % des modularen Bauens in einer Fabrik stattfindet. Das bedeutet, dass sich Bauprojekte seltener durch schlechtes Wetter verzögern, dass die Qualität besser bewertet werden kann, dass sie nach den gleichen Standards wie traditionelle Gebäude gebaut werden und dass sie früher bezogen werden können, was zu einem schnelleren ROI beiträgt.

Es ist interessant, dass die meisten britischen Bauunternehmen immer noch auf traditionelle Methoden für den Bau von Häusern setzen und einige von ihnen wie Redrow eine größer angelegte Umstellung auf moderne Konstruktionsweisen sogar ausgeschlossen haben. Allerdings verwendet eine wachsende Zahl von Bauunternehmen bereits modulare Baumethoden, um den Fertigstellungsprozess zu beschleunigen.

Das in London ansässige Unternehmen Tide Construction hat bereits mehrere Wohnungsbauprojekte mithilfe der volumetrischen 3D-Strukturmodule seines Schwesterunternehmens Vision Modular Systems UK realisiert, unter anderem auch das nach eigenen Angaben weltweit höchste modulare Wohngebäude in Croydon im Süden von London (siehe Bild).

Unter Einsatz traditioneller Methoden hätte der Bau der beiden geplanten Hochhäuser vier Jahre gedauert. Das Projekt konnte innerhalb von nur 26 Monaten abgeschlossen werden.

Credit: Tide Construction
Das modulare Wohnungsbauprojekt von Tide Construction in Croydon im Süden Londons

Globale Akzeptanz

Auch andere Länder sind begeistert von der Bauweise.

In Japan stellt der Industriekonzern Sekisui in seinen Fabriken schon seit Jahren Teile von Wohngebäuden mit modularen Bautechniken her. Da das Unternehmen die Nachfrage nach einer schnelleren Bereitstellung von Wohnungen im Ausland erkannt hat, begann es kürzlich mit der Erschließung neuer Märkte. Hierzu zählen unter anderem die USA, Australien und im vergangenen Jahr auch Großbritannien, wo der Konzern mittlerweile einen Anteil von fast einem Drittel am britischen Bauunternehmen Urban Splash hat.

Aus einem Bericht, der letztes Jahr von der weltweit tätigen Unternehmensberatung McKinsey veröffentlicht wurde, geht hervor, dass sich das modulare Bauen in eine Industrie verwandeln könne, die für den US-amerikanischen und europäischen Immobilienmarkt einen Wert von 100 Milliarden US-Dollar (82,5 Milliarden Euro) haben und zu jährlichen Einsparungen von 20 Milliarden US-Dollar (16,5 Milliarden Euro) führen könne.

Der Bericht von McKinsey besagt außerdem, dass die Umstellung auf eine modulare Bauweise wahrscheinlich „zu starken Veränderungen in der Baubranche führen wird“, so wie es auch schon bei anderen globalen Akteuren der Fall war, zum Beispiel beim Markteintritt von Alphabet, der Muttergesellschaft von Google, und des Einzelhandelsgiganten Amazon.

Viele Märkte auf der ganzen Welt erfüllen bereits die Voraussetzungen für eine feste Etablierung des modularen Bauens, mithilfe dessen schnell, effizient und sicher neuer Wohnraum geschaffen werden kann. Für diejenigen, die schon bald auf der Suche nach einem neuen Zuhause sein werden, sind das durchaus vielversprechende Neuigkeiten.