Die COVID-19-Pandemie hat im vergangenen Jahr weltweit Chaos angerichtet: Sie hat Volkswirtschaften an den Rand des Ruins gedrängt und das normale Leben weitgehend zum Erliegen gebracht.
Es war eine trostlose Zeit. Aber selbst aus einer Katastrophe kann etwas Gutes entstehen.
Bei all den Turbulenzen, die die Pandemie auf der ganzen Welt ausgelöst hat, könnte das Virus letztlich zu einigen bedeutenden – und positiven – Veränderungen der Art und Weise führen, wie wir in Zukunft unser Leben gestalten.
Ein urbanes Umdenken
COVID-19 hat uns dazu gezwungen, die Nutzung von Einrichtungen und Dienstleistungen, die wir lange Zeit als selbstverständlich angesehen haben, grundlegend zu überprüfen.
Die meisten von uns wollen nachhaltig leben. Wir möchten die Auswirkungen unserer täglichen Aktivitäten auf die Umwelt minimieren.
Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wir alltägliche Dinge anders machen könnten – welche Verkehrsmittel wir nutzen, wo wir arbeiten und wie wir unsere städtische Umgebung nutzen könnten.
Menschen auf der ganzen Welt haben das Gehen und Radfahren für sich entdeckt, um an ihr Ziel zu kommen. Das ist eine wünschenswerte Entwicklung.
Die COVID-19-Pandemie hat zweifellos die Verhaltensänderungen bedingt, die einige bereits bedacht hatten, als sie über die Planung und Gestaltung unserer Städte und Gemeinde nachdachten.
Autos haben ausgedient
Städte sind seit Jahren mehr oder weniger auf Autos ausgelegt und dennoch wird das Auto zunehmend als großes Problem von urbanen Räumen angesehen. In Kopenhagen beispielsweise entfallen laut The B1M mehr als zwei Drittel der Verkehrsfläche auf das Auto, dennoch nutzen 90 % der Städter keinen Pkw.
Die Idee, dass man in einer Stadt nicht weit fahren muss, um das zu bekommen, was man braucht, und dass man dafür ganz gewiss kein Auto braucht, hat in Form der 15-Minuten-Stadt Gestalt angenommen.
Die Idee stammt von der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, die argumentierte, dass die Bewohner von Paris in der Lage sein sollten, ihre Bedürfnisse in Bezug auf Einkaufen, Arbeit, Freizeitgestaltung und Kultur innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erfüllen.
In Schweden sind einige schlaue Köpfe noch einen Schritt weiter gegangen und haben sich getraut, die Straßen, die wir jeden Tag benutzen, auf eine noch gewagtere Art und Weise neu zu gestalten.

Rückgabe der Straßen an die Menschen
2019 arbeitete ArkDes, Schwedens nationales Zentrum für Architektur und Design, mit Lundberg Design, einem in Stockholm ansässigen Design- und Strategiebüro, zusammen, um eine Form von Stadtmöbelbausätzen namens Street Moves zu entwickeln, mit denen über die Straßen „die Umwelt näher an die Bürgerinnen und Bürger gebracht werden kann.“
Das Vorhaben wird von Vinnova, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der schwedischen Regierung, unterstützt und ist an das Konzept der „1-Minuten-Stadt“ angelehnt, das vorsieht, Menschen eine Reihe von Dienstleistungen und Annehmlichkeiten direkt vor der Haustür anzubieten.
Jeder Street-Moves-Bausatz besteht aus einer erweiterbaren Holzplattform, die mit modularen Elementen ergänzt werden kann. Die Anlage kann als Ladestation für Elektroautos, Parkplatz für Elektroscooter, Outdoor-Fitnessstudio oder Garten genutzt werden.
Linda Kummel, Leiterin des Thinktanks von ArkDes, sagt: „Die Idee hinter dem Bausatz ist es, den Städten die Möglichkeit zu geben, einen größeren Teil ihres öffentlichen Raums für Menschen anstatt für Autos und den Fahrzeugverkehr zu nutzen.“

Mehr Raum für alle
Vinnova sagt, das Projekt solle ein erster Schritt auf dem Weg sein, „den Straßenraum im Laufe der Zeit schrittweise umzugestalten und zu diversifizieren.“
Laut ArkDes wird das Konzept, das in Stockholm getestet wurde, auch für Straßen in Göteborg und Helsingborg in Betracht gezogen. In dem Zentrum ist man der Meinung, dass der städtische Raum „nicht um das Auto und dessen ‚Bewegungsfreiheiten‘ zentriert sein sollte. Stattdessen können Gemeinden die Bausätze nutzen, um mehr Raum für Menschen zu schaffen.“
Daniel Byström, Project Manager von Street Moves beim Thinktank von ArkDes, erklärt: „Es gibt so viel Potenzial und Entwicklungsmöglichkeiten für die Nutzung von Straßenräumen.“
„In den letzten 60 Jahren war es naheliegend, unsere Städte mit Blick auf das Auto zu planen, aber es ist an der Zeit, Straßen für weitere Bedürfnisse zu entwerfen, wie beispielsweise einen erhöhten Bedarf an Grünflächen und Treffpunkten in der Stadt.“

Lebensqualität
Laut Kummel von ArkDes geht es um die Demokratisierung des Straßenraums: „Wir möchten, dass die Menschen den Bausatz testen und damit experimentieren, um herauszufinden, was sie in ihrer Straße machen möchten.“
„Nur wenn wir die Straßen verändern, können wir die Lebensqualität der Menschen wirklich verbessern und die Klimaauswirkungen in unseren immer dichter werdenden Städten reduzieren“, fügt sie hinzu.
Die Idee, dass die Stadtbewohner die Straßen neu gestalten, indem sie einen Straßenabschnitt mieten und nach ihren Vorstellungen einrichten, sei eine aus San Francisco importierte Idee, so Kummel.
Wie viele Trends könnte sich auch dieser durchsetzen – oder nur eine Modeerscheinung sein. Es bleibt zu hoffen, dass es im Rahmen von so etwas Traumatischem wie einer globalen Pandemie zu einer Umgestaltung der städtischen Umgebung kommt, die wir alle (größtenteils) zu schätzen wissen.